Stadt Kempen Eine Werbetour für das Handwerk

Stadt Kempen · Viele Eltern denken nur an Abi und Studium. Gestern waren Politiker auf Tour, um die Werbetrommel zu rühren. Eine der Stationen war die Bäckerei Hoenen in Tönisberg. Das Unternehmen ist vorbildlich in Sachen Ausbildung.

 Die Geschäftsleitung der Agentur für Arbeit und Politiker der Region waren gestern zu Gast bei der Tönisberger Bäckerei Hoenen. Thema war die Nachwuchsförderung im Handwerk.

Die Geschäftsleitung der Agentur für Arbeit und Politiker der Region waren gestern zu Gast bei der Tönisberger Bäckerei Hoenen. Thema war die Nachwuchsförderung im Handwerk.

Foto: achim hüskes

Handwerk hat goldenen Boden, heißt es immer im Volksmund immer noch. Die Realität sieht anders aus. Schon ab Klasse 3 denken viele Eltern nur an das Abi und das Studium ihrer Schützlinge. Und die, die sich für ein Handwerk entscheiden, haben alles andere als die freie Auswahl. So kommen derzeit im Kreis Viersen im Verhältnis nur 60 Ausbildungsstellen auf rund hundert Bewerber", sagte gestern Ingo Zielonkowsky, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Agentur für Arbeit in Krefeld. Um das zu ändern und um mehr Betriebe zu motivieren, Auszubildende zu beschäftigen, gingen gestern Landtags- und Bundestagsabgeordnete aus der Region auf Tour, sahen sich vier Betriebe an, die schon lange mit gutem Beispiel voran gehen: Bäckerei Hoenen (Tönisberg), Rath Reisen (Süchteln), Oton Hörgeräteakustik (Brüggen) und Lacoix Electronics (Willich).

Mit dabei waren Martina Maaßen, Dr. Stefan Berger, Dietmar Brockes, Dr. Marcus Optendrenk, Uwe Schummer und Udo Schiefner. "Wir wollen dadurch die anderen Betriebe wachrütteln, es ihnen gleich zu tun", ergänzte Zielonkowsky, der weiter mitteilte, dass es zwar etwa 200 verschiedene Ausbildungsgberufe gebe, dass sich aber die meisten Suchenden auf nur zehn Berufe konzentrieren würden, auch von den jungen Leuten wünschte er sich eine größere Flexibilität.

Gerade ist die Gruppe am Hauptbetrieb der Bäckerei Hoenen am Vaetsbruch in Tönisberg angekommen. Den Familienbetrieb hatte erst Franz Hoenen 1904 gegründet, dann sein Sohn Heinz 1971 übernommen. Der heute 74-jährige Heinz Hoenen, der das mittelständische Unternehmen mit seinen Kindern Thomas (44) und Nicole Sanfilippo-Hoenen (43) führt, erinnert sich noch an seine Anfänge: "Wir haben 1971 das Geschäft an der Bergstraße in Tönisberg mit einer Backfläche von sieben Quadratmetern übernommen." Mittlerweile gibt es 36 Filialen, darunter 16 Mühlen-Cafés. Die "Backfläche" beziehunsgweise Produktionsstätte ist mittlerweile über 4500 Quadratmeter groß. Von dort gehen täglich Zehntausende von Brötchen und Broten an die Service-Filialen. Rund hundert Mitarbeiter arbeiten im Hauptbetrieb, etwa 300 in den Bäckereien. Auszubildende: derzeit: elf im Verkauf, zwei Bürokauffrauen und drei Bäcker-Azubis in der von Hermann-Josef Stockhausen geleiteten Produktion. Auch ab August werden noch Auszubildende gesucht. Geschäftsführerin Nicole Sanfilippo-Hoenen wünschte sich, dass die Nachwuchskräfte schon in den Berufsschulen besser als bisher in ihrem praktischen Beruf ausgebildet werden müssten: "Die brauchen nicht unbedingt Sport und Religion, sondern müssen zum Beispiel wissen, wie man sich im Service richtig und kundenfreundlich zu benehmen hat." Und es müsste, sagte die Geschäftsführerin weiter, eine bessere Verzahnung und Zusammenarbeit zwischen Berufsschule und Ausbildungsstätte erfolgen. Den an der Rundfahrt Politikern gab die Sanfilippo-Hoenen mit auf den Weg, die Interessen der Arbeitgeber doch künftig stärker zu berücksichtigen. Sie schilderte einen Fall, in dem kürzlich eine 19-Jährige, die sich bei Hoenen zur Bäckerei-Fachverkäuferin ausbilden ließ, schwanger wurde und monatelang ohne eine Krankmeldung nicht mehr erschien. Nach mehrmaligen Abmahnungen ging die Kündigung raus. Diese musste sie zurücknehmen, aufgrund des Sonderschutzes der Schwangeren. Das Verfahren läuft noch.

(wsc)
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