Ferienalphabet – N wie Notaufnahme Die schwersten Fälle kommen zuerst

Kempen · In der Zentralen Notaufnahme des Kempener Krankenhauses wissen die Mitarbeiter nie, was der Tag bringt. Behandelt werden die Patienten nach dem sogenannten Manchester-Triage-System, einem standardisierten Verfahren zur Ersteinschätzung.

 Der Leitende Arzt der Zentralen Notaufnahme Rubin Mogharrebi (links) mit Claudia Graue, Pflegerische Leitung der Notaufnahme, und Arzt Paul Romanski.

Der Leitende Arzt der Zentralen Notaufnahme Rubin Mogharrebi (links) mit Claudia Graue, Pflegerische Leitung der Notaufnahme, und Arzt Paul Romanski.

Foto: Norbert Prümen

„Ich brauche noch einen Moment. Ich muss noch schnell einen Zugang legen“, sagt Rubin Mogharrebi, und schon ist der Leitende Arzt der Zentralen Notaufnahme des Kempener Krankenhauses im Behandlungszimmer verschwunden. So ist das in der Notaufnahme, erklärt er später, als er wieder zurück ist. Man wisse nie genau, was der Tag bringe. Da müsse auch mal ein Gespräch warten. Die Patienten gehen vor.

Es ist erst 10 Uhr, und an diesem Morgen hat der Rettungswagen bereits zehnmal das Krankenhaus angefahren. Gerade haben Rettungssanitäter eine ältere Patientin gebracht. Zuvor haben sie Beteiligte eines Verkehrs- und eines Arbeitsunfalls versorgt, zudem hatten sie Patienten mit Herzinfarkt und Bauchschmerzen. Im Wartebereich sind alle Plätze besetzt.

Das Aufkommen an diesem Vormittag sei schon außergewöhnlich hoch, sagt Rubin Mogharrebi: „Normalerweise kommt der Rettungswagen im Schnitt 15 bis 20 Mal am ganzen Tag. An ruhigen Tagen sind es auch im Ganzen nur fünf bis zehn.“ Er erinnert sich aber auch an einen besonders heftigen Tag im Juli vergangenen Jahres mit mehr als 120 Patienten.

Normalerweise sei montags, dienstags und freitags üblicherweise mehr los, sagt Claudia Graue, Pflegerische Leitung der Notaufnahme. Dieser Donnerstag falle da aus der Reihe, sagt die Fachkrankenschwester für Notfallpflege, wie die offizielle Berufsbezeichnung lautet: „Man kann aber schon sagen, dass es bei schönem Wetter mehr Freizeitunfälle gibt. An drückenden Tagen haben wir mehr internistische Probleme, wie Kreislaufbeschwerden.“

Krankenschwestern können sich nach ihrer Ausbildung für die Notfallpflege weiterbilden. „Entscheidend ist aber die Erfahrung“, sagt Claudia Graue. Denn die Krankenbeobachtung sei besonders wichtig. Daher sollte man mindestens ein Jahr Erfahrung von einer anderen Station mitbringen, erläutert sie.

Die Rettungswagen fahren in eine kleine Halle mit direktem Zugang zur Notaufnahme. Der Schockraum, ein spezieller Raum zur Erstversorgung schwerverletzter Patienten, ist von dort aus direkt erreichbar. Die Rettungssanitäter kündigen telefonisch an, wann sie das Krankenhaus erreichen werden und welche Leiden die Patienten haben. „So können wir uns auf alles vorbereiten und den Patienten schon im Vorfeld einem Raum zuteilen“, sagt Rubin Mogharrebi.

Behandelt werden die Patienten nach dem sogenannten Manchester-Triage-System, einem standardisierten Verfahren zur Ersteinschätzung in der Notaufnahme. Kurz gesagt: Wem es besonders schlecht geht, der wird zuerst behandelt – nicht der, der zuerst da war. „Wir arbeiten seit einem Jahr mit diesem System und sind bisher damit sehr gut gefahren“, berichtet Rubin Mogharrebi. In der Notaufnahme sei die Lebensgefahr täglich präsent.

Es gebe auch mal skurrile Fälle, sagt der Arzt und erzählt vom Fußballfan, der sich beim Torjubel den Arm ausgekugelt hat und dann ohnmächtig geworden ist. Es gebe aber auch immer wieder tragische Schicksale, die dann auch Mediziner und Pflegekräfte anrühren.

Knapp 20.000 Patienten werden pro Jahr in der Notaufnahme in Kempen behandelt. „Wir schicken niemanden weg“, sagt Rubin Mogharrebi. Man erkläre aber den Patienten auch, wenn es sinnvoller sei, den Hausarzt aufzusuchen. Rezepte oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen dürfen die Notfallmediziner nämlich nicht. Außerdem führe das Manchester-Triage-System dazu, dass weniger schwer erkrankte Patienten teilweise lange warten müssten. Rubin Mogharrebi sei sich bewusst, dass die Menschen oft mit Schmerzen und Ängsten kämen. Das müsse man respektieren. Ein beruhigendes Gespräch helfe oft.

Besonders groß seien die Sorgen, wenn die Menschen ihre Symptome in eine Suchmaschine im Internet eingeben und auf schwerste Diagnosen stoßen. Aber zum Glück lasse dieses Phänomen langsam nach, berichtet Rubin Mogharrebi. Es habe sich wohl herumgesprochen, dass nicht jeder Kopfschmerz ein Gehirntumor sei.

Was die Wartezeiten angeht, da hat Rubin Mogharrebi gerade noch eine verständnisvolle Patientin getroffen. Leider sei das aber nicht immer so. „Manchmal wäre etwas mehr Verständnis für die Wartezeiten schon gut“, sagt der Arzt. Er legt Wert auf einen respektvollen Umgang mit dem Personal des Krankenhauses.

Der 47-jährige Mediziner ist seit zwei Jahren im Kempener Krankenhaus tätig. Man habe einen „Allrounder“ für die Notaufnahme gesucht und mit dem Chirurgen und Allgemeinmediziner einen solchen gefunden, berichtet er. Wenn der Düsseldorfer nicht in der Notaufnahme im Einsatz ist, ist er als Mannschaftsarzt der Deutschen Herrennationalmannschaft im American Football sowie der Cheerleader Nationalmannschaft aktiv.

In der Notaufnahme reizt ihn die Diagnostik, sagt er. Die sei nicht immer einfach. Denn manchmal kämen die Patienten mit sehr unspezifischen Beschwerden. Man müsse genau hinsehen, um die Ursache zu finden und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Rubin Mogharrebi fühlt sich im Kempener Krankenhaus sehr wohl. Team-Arbeit sei in der Notaufnahme sehr wichtig, und die klappe in Kempen sehr gut. Dass viele Mitarbeiter schon lange dabei seien, spreche für sich, meint er. Und das gelte nicht nur für die Notaufnahme, sondern für das gesamte Haus. „Wir haben hier ein sehr breites Spektrum. Auch wenn Fachwissen aus den anderen Abteilungen gefragt sei – sei es Neurologie, Urologie oder Chirurgie – dann stehen alle auf Abruf bereit“, sagt Rubin Mogharrebi.

So überstehe er auch solche anstrengenden Tage wie diesen noch mit einem Lächeln.

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