Stadt Kempen Ein Tunnel unter der Autobahn

Stadt Kempen · An der Kempener Stadtgrenze erweitert das Kieswerk Gelinter Heide seine Abgrabungsfläche in Richtung Norden. Um auf die andere Seite der A 40 zu kommen, muss eine Röhre unter deren Fahrbahn gebohrt werden.

 Von Süden her wird der Tunnel unter der Autobahn 40 vorangetrieben. In den blauen Turm wird Wasser und Erdreich von der Bohrstelle gepumpt.

Von Süden her wird der Tunnel unter der Autobahn 40 vorangetrieben. In den blauen Turm wird Wasser und Erdreich von der Bohrstelle gepumpt.

Foto: evers

Der Mann in der gelben Warnweste kann seine Begeisterung nicht verbergen. "Jetzt läuft er", ruft er und zeigt auf den großen blauen Zylinder in der Tiefe. Genauer: auf ein kleines Metallrad, das senkrecht auf dem Zylinder sitzt und sich ganz langsam dreht. Es zeigt an, was sich einige Meter unter der Fahrbahn der Autobahn 40 nahe Kempen tut, wo sich Lastwagen, Limousinen und Motorräder mit 100 Stundenkilometern und mehr zwischen der niederländischen Grenze und dem Ruhrgebiet bewegen.

Ein riesiger Bohrkopf frisst sich durchs Erdreich, mit einem Tempo von zwei Metern pro Stunde. Er sitzt ganz vorne an der Tunnelbohrmaschine, einem rund 60 Meter langen und mehr als 70 Tonnen schweren Riesengerät. Es soll dafür sorgen, dass die Gelinter Kiesbaggerei bald nördlich der Autobahn mit der Abgrabung fortfahren kann.

Derzeit buddelt die Firma südlich der Autobahn nach Sand und Kies. "Doch da herrscht etwa ab Februar Ruhe, und die Fläche wird rekultiviert", sagt Iwan Peters. Er ist der Mann in der gelben Warnweste und Werksleiter der Kiesbaggerei. Mit einem zehnköpfigen Team hat er den Plan dafür entworfen, wie das nördlich der A 40 liegende, rund zehn Hektar große Erweiterungsgebiet erschlossen werden kann. Der eigentliche Betriebsstandort bleibt südlich der Autobahntrasse. Damit die Erdschätze aus dem Norden dorthin kommen, müssen die Förderbänder über einen Rohrdurchlass unter der Autobahn verlegt werden.

Dafür wird eine rund 60 Meter lange Betonröhre mit einem Durchmesser von 2,20 Metern gebaut. Die Tunnelbohrmaschine macht den Weg frei dafür. Doch bevor die monströse Maschine der Bocholter Spezialfirma Epping in Aktion treten konnte, waren viele Vorbereitungen nötig, die laut Peters insgesamt rund zwei Monate dauerten. Der Kampfmittelräumdienst etwa musste prüfen, ob nicht irgendwo Bomben und andere Sprengkörper verborgen waren. Dann ging es an das Herstellen der Baugrube. "Der Boden ist hier ziemlich weich, das Problem ist das Grundwasser", erklärt Peters.

 Silberfarben sind die beiden großen hydraulischen Stempel, die Stück für Stück die Bohrmaschine nach vorne schieben.

Silberfarben sind die beiden großen hydraulischen Stempel, die Stück für Stück die Bohrmaschine nach vorne schieben.

Foto: Evers Gottfried

Noch unter Wasser wurde ein 3,80 Meter dickes Betonfundament gegossen, das dem Wasserdruck von unten widersteht. Zusätzlich halten bis acht Meter tiefe Spundwände das Wasser draußen. So können die Männer in der Pressgrube, die den Startpunkt der Bohrung im Süden markiert, und in der Bergegrube, dem Zielpunkt nördlich, im Trockenen arbeiten. Auch der an die Spundwand angeschweißte Spülkasten ist wasserdicht.

Seit Mittwoch bahnt sich die Maschine ihren Weg in die Böschung, rund fünf Meter unter der Fahrbahn. Die Sohle des Tunnels wird in sieben Metern Tiefe liegen. Millimeter für Millimeter geht es vorwärts. In einem ungefähr zehn Meter von der Baugrube entfernten blauen Turm rattert und scheppert es. Steine und Erdklumpen spuckt der Turm aus, aus einem langen Rohr strömt Wasser. Alles das, was von dort, wo der Bohrkopf gerade arbeitet, an die Oberfläche gepumpt wird. Männer in Warnwesten und mit Notizblöcken gehen umher, bleiben für kurze Unterredungen stehen.

Im Steuerstand lässt Gregor Bleeker die Augen keinen Moment vom Kontrollmonitor. Voll konzentriert überwacht er, ob die Werte alle in Ordnung sind. "Der Druck muss kontinuierlich gleich bleiben, darf nicht zu stark und nicht zu schwach sein", erläutert Peters. Zwei hydraulische Stempel drücken die Tunnelbohrmaschine langsam, aber stetig nach vorne.

Auf der anderen Seite der Baugrube lagern Betonröhren, jede vier Meter lang, rund 2,50 Meter hoch und Dutzende von Tonnen schwer. Sie werden später Stück für Stück ans Heck der Bohrmaschine hintereinandergekoppelt und von den Stempeln samt Maschine weiter in den Tunnel geschoben. "So entsteht in dem Tunnel keinerlei Hohlraum", betont Peters. Sollte doch irgendwo eine Lücke entstehen, werde direkt Beton hineingepresst, ergänzt der Niederländer.

Der 47-Jährige ist stolz darauf, "dass wir das machen, denn das ist für Privatfirmen eine ungewöhnliche Maßnahme". Wenn alles wie geplant läuft, erreicht der Bohrkopf in der Nacht zum Sonntag die nördliche Seite der Autobahnböschung. Wer auf der A 40 unterwegs ist, muss sich auf Behinderungen einstellen. Jeweils für einige Stunden werden die einzelnen Fahrstreifen gesperrt. "Immer dort, wo sich die Bohrmaschine gerade befindet", so Peters.

Nach den Feiertagen wird die Tunnelbohrmaschine wieder in ihre Einzelteile zerlegt und in die Spezialfirma zurücktransportiert. Bis die Kiesbaggerei im Erweiterungsgebiet die Erdschätze heben kann, dauert es noch. 2,5 Kilometer Förderbänder müssen verlegt werden, der Saugbagger ist zu demontieren und am neuen Standort wieder aufzubauen, die Steuerungstechnik und Strom müssen bereitgestellt werden. "Ende Januar etwa starten wir mit der neuen Abgrabung", sagt Peters. Und die Tunnelbohrmaschine fräst sich Millimeter um Millimeter nach vorne.

(RP)
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