Serie Vor 50 Jahren Ein Leben unter zwei Diktaturen

Zumindest auf den ersten Blick wirft Theodor Frings' Biographie die Frage nach seiner politischen Positionierung in den beiden Diktaturen auf, unter denen er 35 Jahre lang lebte.

Auf den zweiten Blick wird man sein Verbleiben in der DDR seiner festen Verortung in der wissenschaftlich-akademischen Arbeit an der altehrwürdigen Leipziger Universität zuschreiben müssen, wohl auch seinem gewachsenen Interesse an der Sprachgeschichte des ostmitteldeutschen Raumes.

Neben rund 900 anderen, von denen einige später zum Widerstand gehörten, unterschrieb er 1933 das "Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler". Aber er trat nicht nur nicht in die NSDAP ein, sondern setzte bald deutliche Zeichen einer regimekritischen Gesinnung. Wikipedia nennt drei Beispiele: seinen nur von wenigen geteilten Protest gegen die Entlassung des von nationalsozialistischen Studenten physisch attackierten National-Ökonomen Gerhard Kessler, seinen Protest gegen die Aufmärsche uniformierter NS-Studenten auf dem Gelände der Leipziger Universität, die er als mit der Würde der Alma Mater unvereinbar brandmarkte, und drittens sein Einsatz für Herbert Hupka, der nach den Nürnberger Rassegesetzen als Halbjude galt, und daran gehindert werden sollte, seine Dissertaion abzuschließen. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften wählte ihn 1938 zum korrespondierenden Mitglied.

Auch der SED hat sich Theodor Frings nicht zugewandt. Kurze Zeit war er unmittelbar nach dem Krieg erneut an seinem alten Bonner Institut tätig. Doch schon bald zog es ihn wieder nach Leipzig. Von 1946 bis 1965 war er Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, was seine große Reputation über sein eigenes Fachgebiet hinaus unterstreicht. In der DDR wurden ihm namhafte Ehrungen zuteil. Schon 1949 war ihm der Nationalpreis der DDR II. Klasse für Wissenschaft und Technik verliehen worden. Als Teil des Kollektivs des "Deutschen Wörterbuches" erhielt er nach seiner Emeritierung den Nationalpreis der DDR I. Klasse. Mit dem "Vaterländischen Verdienstorden" wurde er 1954 (Silber) und 1959 (Gold) ausgezeichnet.

Das mag irritieren, wird aber deutlich relativiert, wenn man einen Blick auf die 427 Seiten umfassende Festschrift zu seinem 70. Geburtstag 1957, herausgegeben von der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin, wirft. Die Widmung lautet: "Theodor Frings, den unermüdlichen Kämpfer für die Weltweite der Wissenschaft und die geistige Verbundenheit ihrer Vertreter, grüßen mit der Festgabe seine Freunde und Kollegen aus aller Welt". Und dann folgt ein Who is Who der großen internationalen Kapazitäten seines Faches aus den USA, den Niederlanden, Schweden, Belgien, der Schweiz, Dänemark, Österreich und der Bundesrepublik.

Ehrendoktorwürden erlangte Theodor Frings in Amsterdam und Gent, sowie an seiner wichtigsten Wirkungsstätte Leipzig.

(plp)
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