Kirchenaustritte Kirchen brauchen einen Umbau

Kempen/Grefrath · Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt seit Jahren. In den Gemeinden in Kempen und Grefrath macht man sich Gedanken, wie man darauf reagieren kann.

                                                 Die Propsteikirche in der Altstadt ist das zentrale Gotteshaus der Katholischen Kirchengemeinde St. Mariae Geburt Kempen.

Die Propsteikirche in der Altstadt ist das zentrale Gotteshaus der Katholischen Kirchengemeinde St. Mariae Geburt Kempen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Propst Thomas Eicker und Pfarrer Jürgen Lenzen, die die katholischen „Gemeinschaften der Gemeinden“ (GdG) in Kempen/Tönisvorst beziehungsweise Willich leiten, sind sich einig: Man muss mehr auf die Menschen zugehen, neue Formen des Dialoges entwickeln und offen für Neues sein. Nur dann könne es gelingen, den permanenten Mitgliederrückgang, der sich nicht nur aus der demografischen Entwicklung ergibt, zu minimieren. „Weiterhin attraktive und zeitgemäße Angebote“ wünscht sich der Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen, Burkhard Kamphausen.

Die GdG Kempen/Tönisvorst ist mit derzeit rund 29.000 Mitgliedern der größte Verband im Bistum Aachen. Auch dort war die Mitgliederzahl im Vergleich zu Ende 2017 und dem Vorjahr um etwa 300 gesunken. „Natürlich spielen bei den Veränderungen auch Zu- und Wegzüge eine Rolle“, stellt GdG-Leiter Thomas Eicker auch erfreuliche Tendenzen fest. So hatte es unter dem Strich zuletzt wieder mehr Taufen gegeben, war die Zahl von 167 im Jahr 2016 auf 183 Ende 2017 geklettert. Im gleichen Zeitraum war sogar aus noch unerklärlichen Gründen die Zahl der Bestattungen von 320 auf 264 zurückgegangen. „Offenbar haben die Kinder bei der Bestattung ihrer Angehörigen andere Vorstellungen als das bisher Traditionelle“, vermutet Eicker.

Natürlich sind auch die Kirchenaustritte bei der GdG Kempen/Tönisvorst ein Thema. 2017 hatten 193 Mitglieder die Gemeinschaft verlassen, 2016 waren es 186 gewesen. Eicker weiß sehr wohl, dass für viele die Kirchensteuer, die immerhin neun Prozent auf die Lohnsteuer ausmache, das Hauptargument bei der Abmeldung ist. Eicker: „Es ist auch schwer vermittelbar, wofür das Geld gebraucht wird, dass wir davon keine goldenen Kirchtürme finanzieren, sondern dass das Geld für die Betreuung der jüngsten als auch ältesten Menschen benötigt wird.“

Sowohl in Kempen/Tönisvorst als auch in Willich war darüber hinaus die Zahl der Gottesdienstbesucher etwas zurückgegangen. „Die Menschen, die heute in die Kirche kommen, tun dies nicht wie früher aus Gewohnheit, sondern aus Überzeugung“, sagt Eicker. Sein „Kollege“, Willichs GdG-Leiter Jürgen Lenzen, stellt in dem Zusammenhang noch etwas anderes fest: „Heutzutage ist für viele schon längst nicht mehr der Kirchenraum der wichtigste Ort, sondern draußen die praktische Arbeit, beispielsweise durch das Engagement in der Flüchtlingshilfe, bei Ferienfreizeiten oder dem Mitmachen bei der Caritas.“

Bezogen auf die GdG Willich mit ihren vier Pfarren und rund 23.100 Mitgliedern (Ende 2016 waren dies 23.269) hatte es im Berichtszeitraum 2017 insgesamt 148 Taufen, 41 kirchliche Trauungen und 212 Bestattungen gegeben. Kirchenaustritte: 170. „Wir müssen zukünftig intensiver versuchen, auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, sie zu erreichen, wo sie tatsächlich leben, und mit ihnen ins Gespräch kommen“, sagt Jürgen Lenzen. Früher sei, einfach ausgedrückt, einiges von der „Kanzel“ herab quasi verordnet worden, diese Zeiten seien schon längst vorbei. Heutzutage sei der unmittelbare Kontakt sehr wichtig. Diese Erfahrungen habe er in vielen Gesprächen gemacht. Außerdem sei man auf mehr denn je auf Anregungen und Impulse von den Mitgliedern angewiesen. Jürgen Lenzen macht dies an einem Beispiel deutlich: „Wenn jemand kommt, der gerade einen Angehörigen verloren hat und einen Kreis von Menschen sucht, mit denen sich die Trauer eher bewältigen lässt, muss schnell und unbürokratisch geholfen werden, sei es durch Hilfestellungen bei der Raumsuche oder durch Zuschüsse finanzieller Art.“

Thomas Eicker findet, dass auch die Gottesdienste anders und generationsübergreifend gestaltet werden müssten. Auch hier müsse man neue Wege gehen. Dazu gehöre beispielsweise die vorgesehene Messe im St. Huberter Kendelpark oder ein Gottesdienst am 14. September in St. Josef (Kempen), der mit Gesprächen und Meditationen verbunden werde.

Die pastoralen Teams beider GdGs machen mit ihrer Arbeit weiter. Zwei kleinere Veränderungen sind vorgesehen: Die GdG Kempen/Tönisvorst möchte einen zusätzlichen Gemeindereferenten beschäftigen, bei der GdG Willich wird voraussichtlich im September ein neuer Gemeindeassistent eingestellt.

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