Stadt Kempen Die Kleider des Klerus
Stadt Kempen · Im Kramer-Museum sind erstmalig wertvolle Messgewänder aus dem Kirchenschatz der Kempener Propsteikirche zu sehen. Die Schau ist Teil des Kooperationsprojektes "Auf Tuchfühlung: 700 Jahre textile Vielfalt am Niederrhein."
Erst beim zweiten Blick offenbart das bunte Gewand aus dem Jahr 1976 seinen früheren Zweck: Jesus ans Kreuz genagelt und ein bunter Schmetterling, der auf einer Lotusblüte sitzt. "Es war ein Hungertuch — sogar das Erste, das das bischöflichen Hilfswerk Misereor herausgegeben hat", erzählt Doris Morawietz, während sie eine Stola über eine nebenstehende, grüne Kasel legt. Im Kramer-Museum laufen die Vorbereitungen für eine neue Ausstellung, die Teil des Kooperationsprojektes "700 Jahre textile Vielfalt am Niederrhein" mit Museen in Wesel, Krefeld, Bocholt und Horst (Niederlande) ist, auf Hochtouren.
Unter dem Motto "Auf Tuchfühlung — Die Kleider des Klerus" sind ab Ende Oktober (siehe Info) erstmalig wertvolle historische Messgewänder aus dem Kirchenschatz der Kempener Propsteikirche zu sehen. "Kostbare Borten aus dem 15. Jahrhundert sind in dieser Sammlung erhalten", sagt Morawietz. "Ebenso überreich bestickte Gewänder aus der Rokokozeit und weitgeschnittene Kasel aus der religiösen Erneuerungsbewegung des späten 19. Jahrhunderts."
Die Ausstellungsmacherin hat sich im Vorfeld intensiv mit der katholischen Kleiderordnung auseinandergesetzt und will deren Farb- und Formenlehre sowie deren Historie und Entwicklung bis zur Neuzeit in der Schau verdeutlichen. "Unter den Paramenten, den Textilien für den liturgischen Dienst, stellen wir das deutlich sichtbarste Kleidungsstück heraus: die Kasel", erklärt Doris Morawietz. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort casula, Zelt oder Häuschen, ab. "In diesem zeltartigen Gewand war der Priester ganz eingehüllt. Er war so nicht mehr als Person wichtig, sondern wurde zum Ausführenden eines Amtes."
Die Stoffhülle bot über Jahrhunderte somit eine perfekte Projektionsfläche — für Material und Bildprogramm. Morawietz: "So wie Kirche die Kunst in den Dienst der Liturgie gestellt hat, so ist und war sie auch bei der Gestaltung der Messgewänder permanent an einer adäquaten Form interessiert." Künstler, die an der Ausstattung von Gotteshäusern beteiligt wurden, entwarfen zum Kirchenraum passende Kasel. Beispiele in der Schau sind Entwürfe des früheren Pfarrers Hermann-Josef Gotzen (Hungertuch-Gewand) und des Krefelder Glaskünstlers Hubert Spierling, der seine Gewänder in der Paramentenwerkstatt der Abtei Mariendonk umsetzen ließ. Von dort stammt auch das jüngste Beispiel aus 2011 — eine Primizkasel. Per Filmpräsentation erläutern die Schwestern zudem, wie eine Kasel entsteht.
Der zeitgenössischen Paramentik in der evangelischen Kirche widmet sich eine Rauminstallation der Kempener Künstlerin Barbara Hermann-Lange. Gewürdigt wird zudem Weihbischof Heinrich Gleumes, der aus St. Hubert stammt und dessen Nachlass im Museum liegt.