Burkhard Kamphausen "Die Kirche ist spiritueller geworden"

Kempen · Die Amtszeit des Superintendenten des Kirchenkreises Krefeld-Viersen endet nach acht Jahren - Burkhard Kamphausen stellt sich zur Wiederwahl. Wir sprachen mit ihm über Nöte und Freuden im Amt. Am Wochenende steht die Wahl-Synode an.

 Burkhard Kamphausen wurde 1956 in Rheydt geboren. Nach seinem Theologiestudium in Wuppertal und Heidelberg und Vikariat in Goch ging er in den Hilfsdienst an der Markuskirche in Fischeln; 1986 wurde er dort zum Pfarrer gewählt.

Burkhard Kamphausen wurde 1956 in Rheydt geboren. Nach seinem Theologiestudium in Wuppertal und Heidelberg und Vikariat in Goch ging er in den Hilfsdienst an der Markuskirche in Fischeln; 1986 wurde er dort zum Pfarrer gewählt.

Foto: RP-Foto. L.S.

Innerkirchlich werden Superintendenten im Jargon kurz Sup genannt von lateinisch oben, über. Ist dieser Name auch Omen, sind Sie eher Boss der Pfarrer oder eher Seelsorger?

Kamphausen Boss würde ich nicht sagen, Seelsorger ja. Ansonsten würde ich nüchtern von einem Dienstvorgesetztem reden. Manchmal muss man tatsächlich auch über die Wahrnehmung des Dienstes sprechen; da hat man dann eine Aufsichtsfunktion. Aber wir haben hier viele, viele Gespräche, die schon ins Seelsorgerliche hineingehen. Das ist die Stärke und die Schwäche des Sup-Amtes. Andere Landeskirchen trennen das. Die Rheinische Kirche hält beides bewusst zusammen, damit der, der etwas verändern kann, auch seelsorgerliche Kompetenz hat, und umgekehrt.

Was ist das Häufigere: dass man Aufsicht führen oder über Belastungen im Dienst reden muss?

Kamphausen Das geht oft ineinander über. Und beides hält sich die Waage.

Können Sie typische Probleme nennen?

Kamphausen Aufsichtspflicht hängt meist zusammen mit Anfragen von Gemeinden, die mit liturgischen Abläufen oder Inhalten unzufrieden sind, etwa bei einer Beerdigung. Natürlich muss man auch den Pfarrer hören. Thema kann auch sein, wenn Pfarrer Plichtveranstaltungen wie den Pfarrkonvent nicht wahrnehmen. Eher seelsorgliche Gespräche drehen sich oft um Erwartungen aus Gemeinden an den Pfarrer, die sich nicht mit dem decken, wie ein Pfarrer seine Rolle sieht. So gibt es schon mal Konflikte zwischen Pfarrern und Presbyterien, bei denen man genau hinhören muss. Es gibt wie in jedem Beruf die klassischen Burnouts, es gibt Frusterfahrungen, es gibt Beratungen über die berufliche Zukunft.

Gibt es auch massive Glaubenskrisen?

Kamphausen Auch das gibt es, aber selten. Ich würde es allgemeiner fassen als Anfragen an die berufliche Identität.

Haben Sie auch den Extremfall erlebt, dass jemand regelrecht aus dem Glauben gefallen ist und sagt: Ich kann nicht mehr daran glauben?

Kamphausen Nein, so noch nicht.

Mussten Sie sich einmal von einem Pfarrer regelrecht trennen?

Kamphausen Solche Extremfälle gehen über die Aufsicht der Landeskirche. Wir haben durchaus Versetzungen in den Wartestand gehabt. Dabei wird meist ein Pfarrer aus dem Dienst in einer Gemeinde herausgenommen; er bleibt aber im Dienst der Landeskirche. Auslöser können individuelle Verfehlungen sein; es gibt auch den Tatbestand der objektiven Zerrüttung im Verhältnis von Pfarrer und Presbyterium.

Was gehört zu den Sorgen des Superintendenten?

Kamphausen Wir müssen die Reformprozesse, die von der Landeskirche angestoßen wurden, umsetzen. Dazu zählen das neue kirchliche Finanzwesen und eine Reform der Verwaltung.

Worum geht es bei beiden Punkten?

Kamphausen Beim kirchlichen Finanzwesen stellen wir die Gemeinden auf kaufmännische Buchführung um; Ziel ist es, sich finanziell ehrlich zu machen und einen genauen Überblick über die Lage zu behalten. Bei der Verwaltungsreform geht es darum, Prozesse und Zuständigkeiten zwischen Gemeinde und Kirchenkreis effizienter zu ordnen. Ein weiteres Themenfeld ist die Sicherstellung des Pfarrdienstes. Wir werden in fünf, sechs Jahren Schwierigkeiten haben, freiwerdenden Stellen zu besetzen.

So bald schon?

Kamphausen So bald schon. Das ist auch keine Kaffeesatzleserei, sondern empirisch belegbar.

Und was gehört zu den Freuden des Sup?

Kamphausen Zu den Freuden des Sups gehört das, was in den Gemeinden und Einrichtungen tatsächlich passiert. Wir machen viele Visitationen, also Besuche in den Gemeinden, und was man da an Engagement erlebt, das ist schon toll.

Ist die evangelische Kirche eine theologische Kirche, in der Theologie ernstgenommen wird?

Kamphausen Das hoffe ich doch sehr.

Es gibt gelegentlich den Vorwurf, dass in den Gemeinden viel gebastelt und wenig über Gott nachgedacht wird.

Kamphausen Das stimmt so nicht. Es gibt Glaubenskurse und Bibelerkundungen; bei der Mischung aus Theologie und Geselligkeit liegen die Gewichte nicht einseitig bei der Geselligkeit. Ich denke auch, der theologische Part hat zugenommen. Mein Eindruck ist, dass Pfarrer heute geistliche und theologische Begleitung stärker wahrnehmen als noch vor 20, 30 Jahren. Da waren die Kirche und die Predigten politischer. Die Kirche ist spiritueller geworden.

Das evangelische Krefeld war zuletzt mit dem Thema Alte Kirche befasst. Die Gemeinde will die Kirche erhalten. Es gibt in der Pfarrerschaft auch skeptische Stimmen, die sagen, dass eine fällige Strukturentscheidung aufgeschoben wird, denn die Kirche wird auf Dauer kaum zwei große Kirchen im Abstand von 300 Metern halten können. Wie sehen Sie die Entscheidung?

Kamphausen Ich fand die Lösung, über die wir vor zwei, drei Jahre gesprochen haben, nämlich dort die Kirchenverwaltung zu installieren, gut. Dabei sollte ja nie die Gottesdienststätte aufgegeben werden, sie sollte lediglich verkleinert werden. Leider war diese Lösung nicht realisierbar. Der Alten Kirche fällt nun die Aufgabe zu, ohne diese Hilfe des Kirchenkreises die Finanzierung der Kirche und der Gemeinde zu sichern. Es wäre schön, wenn das funktioniert, und ich wünsche der Gemeinde Fortune dafür.

Wäre es nicht auch fällige Strukturreform, die Position des Gemeindeverbandes zu stärken und ihm mehr Kompetenzen bei Standortentscheidungen zu geben? Wäre es nicht hilfreicher, das evangelische Krefeld mehr als Ganzes zu denken und zu ordnen?

Kamphausen Bisher ist es eine Mischkonstruktion der Kompetenzverteilung; ich würde mir sehr wünschen, wenn auf Verbandsebene die Gemeinsamkeiten eines evangelischen Krefeld betont würden und die Gemeinden sich auf Schwerpunkte einigen. Man muss nicht überall alles machen.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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