Ausstellung in Kempen Man kann auch mit Licht malen

Kempen · Die Kempener Künstlerin Ingrid Filipczyk hat sich in ihren Werken schon oft mit dem Thema Licht auseinandergesetzt.

 Ingrid Filipczyk in ihrer aktuellen Ausstellung.

Ingrid Filipczyk in ihrer aktuellen Ausstellung.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Die Zahl als Schlüssel zu Bilderreihen und Objekten ist in der künstlerischen Arbeit von Ingrid Filipczyk nicht wegzudenken. In ihrem Werk gibt es aber noch einen anderen Strang – das Licht als Bildinhalt. Damit ist nicht unbedingt die Loch-Kamera gemeint, die sich die Künstlerin einst aus einem Schuhkarton bastelte. Während ihres Studiums an der Freien Akademie in Essen hat sie neben der Interdisziplinären Arbeit auch Fotografie gelernt und viel mit ihrer Kamera experimentiert. So fotografierte sie Licht und Schatten auf den Wänden der Pinakothek der Moderne in München. Sie tat dies in einer Weise und wählte entsprechende Ausschnitte, dass der Betrachter nicht mehr weiß, was Wand ist und was Schatten. Die Künstlerin, die das Wechselspiel der Gegensätze liebt, schwärmt, wenn sie diese Fotografien wieder in die Hand nimmt, davon, dass Licht malen kann.

In den Fünfecken treffen sich ihre mathematischen Reihen mit der Licht-Schatten-Fotografie. Der Ursprung lag in einem aufgeschnittenen Apfel. Aus der Blütenform des Gehölzes mit seinen fünf Kammern entwickelte sie das Fünfeck, Faltungen von Papier, die, auf einen Stiel gelegt, 40 verschiedene „Bäumchen“ ergaben. Die tatsächlichen Papierarbeiten werden fotografiert, eigentlich nur, um sie zu dokumentieren, werden dadurch aber wieder auf eine andere Ebene geholt. In den Fotos spielen Beleuchtung, Lichteinfall, Richtung und verschiedene Grau-Abstufungen von Schatten die maßgebliche Rolle. Für den Betrachter scheinen die Unterschiede minimalistisch zu sein, als eigene Strecke sind die Fotos gleichberechtigt zu den Papier-Objekten.

Spannende Experimente sind auch ihre Fotogramme, die 2005/6 entstanden. Diese Arbeiten mit weißen Linien auf schwarzem Grund sind rein im Labor entstanden und bilden keine Realität ab, sondern erstellen eine eigene Wirklichkeit. Filipczyk legte ein Häkeldeckchen mit getrockneten Pflanzenstengeln auf einen Belichtungsapparat – und durch Licht entstanden künstliche, kunstvolle Blumen. Während die Künstlerin in ihren Zahlen-Bildern rechnet und kalkuliert, ist sie in ihrer Fotografie rein intuitiv. Sie fotografiert sehr viel, auch ganz normale Urlaubsfotos sind möglich, und irgendwann entdeckt sie in den Fotos eine besondere Seite. Wie etwa das Schattenspiel in einem Wirsingkohlkopf, den sie beim Spaziergang am Rand eines Feldes entdeckte. Das Licht, das durch die Jalousien ihres Schlafzimmers scheint, entstand in einer Art fotografischem Tagebuchversuch. Die Farbe kommt in ihrer Reihe „Überlaufen“ ins Spiel, die sie 2011 begann. Mit einem Brunnen im Urlaub fing es an, später kamen andere Situationen dazu, in denen Wasser über einen Rand fließt. Wasser bietet im Zusammenspiel mit reflektiertem Licht sowieso eine Vielzahl von Motiven.

 Das Foto, das ein eigenes Papier-Objekt dokumentiert, wird selbst zum Kunstwerk mit eigenen Aussagen. Die Serie trägt den Titel „Tree of Eden“.

Das Foto, das ein eigenes Papier-Objekt dokumentiert, wird selbst zum Kunstwerk mit eigenen Aussagen. Die Serie trägt den Titel „Tree of Eden“.

Foto: Ingrid Filipczyk

Eine rote Gießkanne, die es bei Ikea für 99 Cent gibt, ist zu einem Lieblingsmotiv geworden. Für ihr Foto wählte sie den Blick von oben, das Sonnenlicht sorgt für einen Schlagschatten. Zusammen wirkt es fremd, mit einer Anmutung eines hochhackigen Damenschuhs – niemand denkt an einen billigen Plastikmassenartikel. Für ihre Fotogafie setzt Ingrid Filipczyk immer auf natürliches Licht. Das heißt, sie verzichtet auf Blitz und Scheinwerfer. Denn: „Mit Fotografieren kann man so viel lügen.“

 „Hommage to Paul Strand“ heißt diese Arbeit (2006). Diese abstrakt wirkende Komposition aus Licht und Schatten entstand in der Pinakothek der Moderne.

„Hommage to Paul Strand“ heißt diese Arbeit (2006). Diese abstrakt wirkende Komposition aus Licht und Schatten entstand in der Pinakothek der Moderne.

Foto: Ingrid Filipczyk

Die 63-jährige Kempenerin ist jetzt nach 39 Jahren im Schuldienst im Ruhestand. Seit vielen Jahren spielt sie auch in der Kempen Big Band Saxophon. Kunst und Musik füllen sie aus – aber sie hat dennoch gerade begonnen, an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf Philosophie-Seminare zu belegen. Im Zusammenhang mit ihrem Hang zu Zahlen griff sie schon vor Jahren die Theorien des elsässischen Philosphen René Aor Schaller de Lubicz auf: „Alle Erscheinungen der materiellen Welt gehen aus dem Zusammenhang der Zahlen hervor.“

Die aktuelle Ausstellung „Melencolia“ zeigt Ingrid Filipczyk in ihrer Galerie an der Moosgasse 9.

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