Kempen Die Haushaltsrede von Andreas Gareißen (SPD)

Kempen · Die Haushaltsrede von Andreas Gareißen, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), im Wortlaut zum Etat von Kempen für das Jahr 2022.

 Andreas Gareißen.

Andreas Gareißen.

Foto: Guido de Nardo

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

die diesjährigen Haushaltsberatungen waren besonders! Nicht nur die besonders lange Beratungsdauer von Anfang Oktober bis Ende Januar, sondern auch die teilweise enormen Schwankungen der Höhe einzelner Ansätze, sowie die mehrfach nachgereichte Veränderungsliste mit fast 200 Positionen machte uns zu schaffen! Weite Teile der Beratungen haben uns an die Beratungen der letzten Jahre erinnert! Wir hatten eigentlich die Hoffnung, dass sich da etwas ändern würde! Der ursprünglich vom Kämmerer Herrn Geulmann am 07. Oktober 2021 vorgelegte Haushaltsplanentwurf wurde von meiner Fraktion umgehend nach der Einbringung bereits im Oktober 2021 beraten.

Auch unter dem Vorbehalt, dass die Zahlen bei einzelnen Ansätzen durch die Verwaltung noch angepasst werden müssen und in den Beratungen der Ausschüsse auch noch Veränderungen der Ansätze durch Beschlüsse des Rates herbeigeführt werden könnten, mussten wir nicht davon ausgehen, dass sich das Ergebnis noch derart verschlechtert. In meiner Rede des vergangenen Jahres hatte ich die umfangreichen Veränderungen, vor allem durch die Verwaltungsnachträge kritisiert und meine Fraktion hatte die Hoffnung, dass sich diese, ich nenne es mal “Nachmeldelawine“ der Fachbereiche nicht wiederholen würde. Leider sind wir eines Schlechteren belehrt worden! Die uns dann nachgereichte Liste wies dann eine Anzahl von fast 200 Punkten auf, die den am 07. Oktober 2021 vorgelegten Entwurf an vielen Stellen korrigierte.

Vor dem Hintergrund, dass in jedem Jahr nur ein Teil der angemeldeten Projekte umgesetzt wird, belegt dieses Vorgehen einmal mehr, dass eine beständige Planung in den Fachbereichen der Verwaltung nicht erfolgt. Dieses Defizit gilt es in der Zukunft unbedingt zu beheben. Dabei kann auch die Politik nicht außen vor bleiben. Bei der Projektierung und Planung zukünftiger Vorhaben müssen die Prioritäten rechtzeitig gesetzt werden, um so zu vermeiden, dass in den Haushalt Ansätze eingebracht werden, die den Haushalt so aufblähen. In dem Vorgehen liegt auch ein Teil der Gründe für die immer wieder drohende Haushaltssicherung! Das Haushaltsergebnis fällt in fast jedem Jahr besser aus und relativiert die Planung des Vorjahres. Dass in den neuesten Vorlagen diese Haushaltssicherung erst einmal nicht eintreten wird, freut uns zunächst einmal. Aber können wir uns wirklich darauf verlassen!

Die Erfahrungen der letzten Jahre, dass die Rechnungsergebnisse stets viel besser waren. als unsere Planung, lässt uns an der Zuverlässigkeit der vorliegenden Zahlen zweifeln. Wenn sich die Ansätze des Haushaltes nicht erfüllen werden, weil die Planungen und die damit verbundenen Ansetzungen im Haushalt nicht umzusetzen sind, dann stellt man sich als Ratsmitglied zwangsläufig die Frage, warum man sich die ganze Arbeit macht und Stunde um Stunde mit den Beratungen des Haushaltes verbringt. Dann kann der Haushalt auch ohne darüber nachzudenken im Vertrauen auf die Verwaltung beschlossen werden. So sieht eine seriöse Haushaltsberatung unserer Ansicht nach nicht aus!

Die Verwaltung hat ein großes Problem damit, Projekte und Ihre finanziellen Auswirkungen zu planen. Wir fordern daher, dass in den einzelnen Fachbereichen der Verwaltung eine bindende über einen längeren Zeitraum festgelegte Projektierung der Vorhaben festgelegt wird. An dem von der Kämmerei festgelegten Stichtag, in der Regel der 30.06. eines jeden Jahres, an dem die Fachbereiche dann Ihre Meldungen für den Haushalt abgeben müssen, ist dann aber auch die letzte Möglichkeit, die Projekte für den kommenden Haushalt anzumelden. Sicherlich wird es auch weiterhin die Möglichkeit geben müssen, plötzlich auftretende Veränderungen noch in das Zahlenwerk einfließen zu lassen. Auch werden die Fraktionen die Möglichkeit haben im Rahmen der Haushaltsberatungen den Haushaltsplanentwurf zu verändern.

Diese Nachmeldungen sollen dann aber auch Ausnahmen bleiben! Den Stellenplan möchte ich einmal besonders betrachten. Nachdem wir in den Beratungen für den Haushalt 2021 feststellen mussten, dass die Personalkosten in vielen Bereichen nicht nachvollziehbar waren, hat der Bürgermeister eine vollständige Umstellung der Personaldatenerfassung auf den Weg gebracht. Das Ergebnis ist überraschend, wenn nicht sogar unfassbar! Denn nach Erfassung der Daten in einem entsprechenden Computerprogramm fand sich bei den Korrekturen der Planansätze eine Summe von ca. 1,5 Mio. EUR wieder, die das Ergebnis entsprechend verbessert.

Leider wird diese Verbesserung zum großen Teil durch eine Nachmeldung von Stellen aufgebraucht. Die in der Vorlage zum TOP 10 der heutigen Sitzung aufgeführten Stellen sind nachvollziehbar, dennoch fragen wir uns auch hier, warum diese Stellen erst nachgemeldet werden mussten? Diese Stellenplanergänzungen umfassen ein Gesamtvolumen von ca. 803 T EUR. Verglichen mit den ersten Nachmeldungen aus den Fachbereichen in Höhe von über 2,1 Mio. EUR, die uns in der Sitzung des Personalausschusses am 08. November 2021 erreichte, ist das auch schon eine wesentliche Erleichterung. Eine weitere Verschlechterung der Personalkosten würde uns zukünftig enorm belasten und die Finanzsituation Richtung Haushaltssicherung führen.

Die Personalkosten liegen somit im Haushaltsjahr 2022 bei ca. 36,5 Mio. EUR. Dieser Betrag scheint uns nach wie vor zu hoch. Er ist aber schon eine wesentliche Verbesserung zu den Prognosen, die uns noch im letzten Haushalt drohten. Unser Antrag vom 16. Mai 2021 zur Deckelung der Personalkosten ist uns nach wie vor sehr wichtig. Wie ich zwischenzeitlich vernehmen durfte, findet dieser Antrag auch Zustimmung in der CDU-Fraktion und der FDPFraktion. Unser Antrag ist auch nicht so weitreichend, wie der zwischenzeitlich vorgelegte Antrag der CDU-Fraktion. Ich denke unser Antrag wird uns bei der zukünftigen Planung der Personalkosten in die richtige Richtung bringen und sollte daher in der nächsten Sitzung des Personalausschusses auch so beschlossen werden.

Wir sind uns bewusst, dass die Personalsituation in den Kommunalverwaltungen immer schwieriger wird. Der Kampf um die besten Mitarbeiter hat längst begonnen. Die Stadt Kempen hat dabei meistens nicht die besten Karten und muss gute, qualifizierte Mitarbeiter gehen lassen. Dafür gibt es mehrere Gründe, um die wir uns alle hier dringend kümmern müssen. Der Bürgermeister und seine Mitstreiter im Verwaltungsvorstand haben dies erkannt und verbessern mit vielen Maßnahmen die Arbeitssituation in der Verwaltung. Neben einer Verbesserung der Arbeitsabläufe und der Arbeitssituation ist eine Digitalisierung der Verwaltung dringend erforderlich. Hieran wird schon mit Hochdruck gearbeitet. Eine Verwaltungsstrukturreform dient in erster Linie nicht dazu, Mitarbeiter auf die Straße zu setzen, sondern die Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit zu verbessern. Ich hoffe, dass dies auch die letzten aus den Reihen des Rates verstanden haben und nunmehr bereit sind, diesen Weg mitzugehen.

Ein großes Problem, welches die Stadt Kempen aber so leicht nicht beheben kann, ist die Höhe der Gehälter und Bezüge, die von größeren umliegenden Kommunen überboten werden können. Hierbei sollten wir uns überlegen, andere Anreize für die Mitarbeiter der Verwaltung zu schaffen. Kempen ist eine sehr beliebte Wohnstadt und so wäre es vielleicht attraktiv für die Mitarbeiter der Verwaltung auch in Kempen zu wohnen. Warum bieten wir den neuen Mitarbeitern nicht stadteigenen Wohnraum an? Vielleicht wäre der eine oder andere bereit auf Gehaltsstufen zu verzichten, dafür aber in Kempen wohnen zu können. Werden wir kreativ und mutig und schaffen auch noch andere Anreize, die Menschen dazu zu bewegen, dem Arbeitgeber Stadt Kempen treu zu bleiben. Zukünftige Generationen werden es uns danken, wenn unsere Verwaltung handlungsfähig und innovativ weiterarbeiten kann.

Wie bereits vorhin erwähnt, werden wir uns nach den derzeitigen Finanzplanungen im vorgegebenen Zeitraum nicht in der Haushaltssicherung wiederfinden. Dennoch stellt sich die Finanzsituation der Stadt Kempen schwierig dar. Wir schaffen den Haushaltsausgleich nur unter Inanspruchnahme unserer Rücklagen. Dabei wird umso deutlicher, dass wir, wie schon seit Jahren, von unserer Substanz leben. Unser Eigenkapital schrumpft immer weiter. Hatten wir noch vor 10 Jahren gut 155 MIO EUR in den Rücklagen, sind es nach Abschluss des Haushaltsjahres 2025 nur noch 136 Mio. EUR. Wir verlieren somit fast 12 % unseres Eigenkapitals. Zugute ist uns nur gekommen, dass wir zwischenzeitlich ein paar Jahre hatten, in denen wir auch noch in unsere Rücklagen einzahlen konnten. Diese Jahre werden so schnell nicht wiederkommen.

Aus diesem Grunde müssen wir uns in den kommenden Jahren nur auf die notwendigsten Investitionen beschränken. Als erste Maßnahme sollten wir die Ausgaben für den neuen Sportplatz an der Berliner Allee genau betrachten. Die Kosten für den neuen Sportplatz Berliner Allee sind der wesentliche Teil der nachgemeldeten hohen Investitionskosten und tragen zu den Fehlbeträgen der nächsten Jahre mit bei. Abgesehen davon, dass die SPDFraktion die Entscheidung der Verlegung des Ludwig-Jahn-Platzes an die Berliner Allee nicht mitgetragen hat, sehen wir uns trotzdem in der Pflicht, diese, unserer Ansicht nach vermeidbaren Mehrausgaben, mitzutragen. Vor der Überbauung des Ludwig-Jahn-Platzes brauchen wir diese neue Sportanlage unbedingt. Wir fordern aber, dass diese Sportanlage nicht in den angedachten Dimensionen gebaut wird. Es darf erst einmal nur die 1 zu 1 Verlagerung der Sportanlage des Ludwig- Jahn- Platzes erfolgen. Der Bau eines weiteren Kunstrasenplatzes oder anderer Nebenanlagen ist erst einmal hinten an zu stellen. Einen entsprechenden Antrag auf Reduzierung der Investitionskosten habe ich schon mitgebracht.

Auch vor dem Hintergrund, dass immer noch die Zusage im Raum steht, im Stadtteil St.-Hubert einen Kunstrasenplatz zu bauen, wäre es meines Erachtens ein falsches Signal, an der Berliner Allee Tatsachen zu schaffen und den Stadtteil St.-Hubert zum wiederholten Male nicht zu berücksichtigen. Hier muss dringend eine abschließende Klärung erfolgen und wir hoffen, dass die Sportentwicklungsplanung uns da Antworten liefern wird.

Eine weitere Möglichkeit Kosten zu sparen ist unser Antrag vom 20. Januar 2021, mit dem wir die Übertragung der Haushaltsmittel für die Sanierung der Wirtschaftswege verhindern möchten. Der Ansatz für die Unterhaltung der Wirtschaftswege ist doppelt so hoch, wie der Ansatz für die Unterhaltung aller Gemeindestraßen. Diese unverhältnismäßige Verteilung wird noch dadurch verschärft, dass mit der Mittelübertragung aus 2021 der Ansatz für die Wirtschaftswege in diesem Jahr 4 Mal so hoch ist, wie der Ansatz für alle Gemeindestraßen. Hier haben Sie eine weitere Möglichkeit zu zeigen, dass Sie es ernst meinen mit dem Willen verantwortungsbewusst mit den Steuergeldern der Bürger umzugehen. Von einer Halbierung der Mittel, wie in der Vorlage beschrieben, kann nicht die Rede sein, eher von einer mangelhaften Planung!

Das Defizit im Ergebnishaushalt wird nach derzeitigem Stand rund 10 Mio. EUR betragen. Begünstigt wird dieses Ergebnis aber auch durch die Sonderzahlung des Landes aus dem Coronasonderfond in Höhe von 4,1 Mio. EUR. Ohne diese glückliche Zuweisung würde der Verlauf der Finanzplanung anders aussehen und ggf. doch noch in die Haushaltssicherung führen.

Für die Schulen sind bisher nur die Planungskosten im Haushaltsentwurf 2022 wiederzufinden. Wenn es dann daran geht die Investitionskosten für den Neubau und die Schulsanierungen in den Haushalt aufzunehmen, sollten wir nicht unvorbereitet auf dieses Szenario sein. Die Investition in die Zukunft unserer Kinder hat sicherlich höchste Priorität, darf aber nicht um jeden Preis dazu führen, dass wir handlungsunfähig werden.

Das Thema bezahlbaren Wohnraum war eines der zentralen Themen meiner letzten Haushaltsreden. Nach der letzten Kommunalwahl hatte es wieder einmal den Anschein, als ob das Thema nun endlich angegangen wird. Doch die ersten Überlegungen zum Kempener Westen zeigen, dass dieses Thema wohl doch eine untergeordnete Rolle spielen wird. Das Thema scheint immer noch nicht in den Köpfen aller Beteiligten richtig angekommen zu sein. Ich frage mich, was noch passieren muss, bis hier in Kempen eine ernstgemeinte Umsetzung erfolgt. Wenigstens von der Verwaltung habe ich erwartet, dass man von dort das Thema mit mehr Nachdruck verfolgt. Wir, die SPD-Fraktion, sind sehr enttäuscht über das bisherige Vorgehen.

Grundlage für unsere Zustimmung zum Haushalt 2022 ist die Bereitschaft des Bürgermeisters und des Verwaltungsvorstandes, weitreichende zukunftsweisende Umstrukturierungen innerhalb der Verwaltung durchzuführen.

Die SPD-Fraktion wird deshalb mit großen Bedenken dem Entwurf für den Haushalt 2022 zustimmen.

Wir erkennen an, dass die Mitarbeiter der Kämmerei und unser Kämmerer bei der Erstellung des Zahlenwerkes einen guten Job machen. Die sich ständig verändernden Zahlen, machen Ihnen wahrscheinlich genauso zu schaffen wie uns. Trotzdem muss innerhalb der Verwaltung intensiv daran gearbeitet werden, dem Rat und seinen Ausschüssen zu den nächsten Haushaltsberatungen wieder ein Zahlenwerk vorzulegen, welches den Ratsmitgliedern als Entscheider über einen zukünftigen Haushalt von Anfang an einen wirklichen Überblick verschafft. Wir danken Herrn Geulmann und seinem Team für die geleistete Arbeit und die Bereitschaft, uns für Fragen und Klarstellungen jederzeit zur Seite gestanden zu haben. Wir danken außerdem Herrn Ertl und seinem Team für die Erstellung des Stellenplans mit einem hohen Arbeitsaufwand in so knapper Zeit.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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