Hintergrund Die Amazon-Ansiedlung und der Verkehr

Kempen · Die Sorgen in Kempen und im Umland sind groß, dass die Ansiedlung des neuen Verteilzentrums des Internethändlers zum Verkehrskollaps führt. Stadt und Unternehmen versuchen, die Ängste zu zerstreuen.

 Das neue Verteilzentrum von Amazon am Industriering Ost in Kempen: Die neue Halle errichtete die Firma Garbe für seinen Mieter Amazon.

Das neue Verteilzentrum von Amazon am Industriering Ost in Kempen: Die neue Halle errichtete die Firma Garbe für seinen Mieter Amazon.

Foto: Norbert Prümen

Ob die Amazon-Ansiedlung für die Stadt Kempen ein Fluch oder ein Segen bedeutet, wird seit Bekanntwerden vor einigen Monaten nicht nur in der Thomasstadt selbst, sondern auch im Umland diskutiert. Der Internethändler hat eine vom Gewerbeimmobilienentwickler Garbe am Industriering Ost 93 im Kempener Gewerbegebiet errichtete neue Halle als Standort für ein neues Verteilzentrum angemietet. Demnächst soll der Betrieb in dem etwa 22.500 Quadratmeter großen Logistikzentrum aufgenommen werden. Zunächst werden hier 150 Mitarbeiter beschäftigt sein, später soll die Belegschaft verdoppelt werden.

Wird der Standort ähnlich groß aufgebaut wie die Logistikzentren von Amazon in Rheinberg oder Mönchengladbach?

Nein. Das Unternehmen spricht auch vom Kempener Standort von einem regionalen Verteilzentrum, wie es sie bereits in Duisburg, Düsseldorf, Köln, Bochum und Eschweiler gibt. In Rheinberg belegt Amazon rund 110.000 Quadratmeter Fläche, so groß wie 17 Fußballfelder. Nach der Ansiedlung im Mönchengladbacher Stadtteil Rheindahlen kommt es dort immer wieder zu Verkehrsproblemen, weil Lastwagen von Lieferanten sich in Vororten festfahren.

Droht ein solches Verkehrschaos in Kempen auch?

Im Prinzip nicht, weil das Areal unmittelbar am Kempener Außenring liegt und es auch eine direkte Zufahrt vom Industriering Ost dorthin gibt. Amazon hat im Zuge der Bauvoranfrage und der Baugenehmigung ein eigenes Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben. Das liegt der Stadt Kempen und dem Landesbetrieb Straßen.NRW vor. Letzterer ist für den Kempener Außenring, der in diesem Abschnitt eine Landstraße ist, zuständig. Der Landesbetrieb hat in dem Gutachten zwei Probleme ausgemacht. Zum einen muss die Ampelschaltung an der Einmündung Industriering Ost/Außenring geändert werden. Zum andere muss langfristig die Kreuzung Außenring/Kerkener Straße umgebaut werden. Hintergrund: Ein Großteil der Amazon-Transporte soll vom Kempener Logistikzentrum über die Autobahn 40 erfolgen. Das heißt: Die Lastwagen nehmen den Weg vom Außenring über die Kerkener Straße in Richtung Autobahnanschlussstelle. Der Landesbetrieb empfiehlt daher, die Rechtsabbieger-Spur auf dem Außenring in Richtung Kerken zu verlängern.

Wann werden diese beiden Problemstellen beseitigt?

Einen Termin dafür gibt es noch nicht. Der Landesbetrieb hat das Thema im Blick. Planung und Kosten müssen von Amazon übernommen werden. Das ist im Bauantrag alles geregelt.

Wie sieht die Stadt Kempen die Ansiedlung von Amazon?

Die Stadt steht der Amazon-Ansiedlung grundsätzlich positiv gegenüber. Bedenken aus der Kempener Unternehmerschaft sieht man im Rathaus nicht. Sowohl die Bauverwaltung als auch die Wirtschaftsförderung begleiten das Vorhaben positiv. Immerhin werden hier neue Arbeitsplätze geschaffen. Inwieweit Amazon Beschäftigte aus Kempen selbst engagiert, ist nicht bekannt. Voraussetzung für einen guten Start ist aber aus Sicht der Stadt, dass sich das Unternehmen an die Absprachen hält.

Wie sieht die Startphase bei Amazon aus?

Bei einer Informationsveranstaltung für Unternehmen im Rathaus hatte der Kempener Standortleiter von Amazon, Stephan Brings, kürzlich erklärt, dass der Internethändler zunächst mit 200 Lieferfahrzeugen täglich auf die Straße gehen wird, später, wenn die Verkehrsprobleme gelöst sind, soll die Zahl verdoppelt werden. In Spitzenzeiten, beispielsweise im Weihnachtsgeschäft, könnten 600 bis 700 Fahrzeuge von Kempen aus zu den Kunden rollen. Die Beschäftigten werden im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. Amazon wird die Pakete während der Nacht am Kempener Standort erhalten. Dort werden sie dann noch einmal „feinsortiert“, um schließlich weiter transportiert zu werden. Die Fahrzeuge sollen den Standort möglichst nicht während des normalen Berufsverkehrs verlassen. Es sollen die späteren Vormittags- und die Abendstunden für die Transporte genutzt werden. So sieht es das Konzept von Amazon vor.

Welche Straßen im Stadtgebiet von Kempen könnten ebenfalls durch den Amazon-Lieferverkehr zusätzlich belastet werden?

Da sind vor allem die Hülser Straße, der Krefelder Weg, die St. Töniser Straße, Vorster Straße und der Außenring in Richtung Grefrath und Nettetal zu nennen. Beim Landesbetrieb rechnet man aber damit, dass diese Verbindungen keinen Verkehrskollaps erleiden, wenn der Lieferverkehr – wie vorgesehen – außerhalb der Spitzenzeiten rollt.

Macht man sich im Umland von Kempen Sorgen?

 Ein neuralgischer Punkt ist die Einmündung des Industrierings Ost in den Kempener Außenring. Hier muss die Ampelschaltung geändert werden.

Ein neuralgischer Punkt ist die Einmündung des Industrierings Ost in den Kempener Außenring. Hier muss die Ampelschaltung geändert werden.

Foto: Norbert Prümen

Der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung Kreis Viersen, Maik Giesen, aus Tönisvorst zählte bei der Informationsveranstaltung im Kempener Rathaus kürzlich zu den vehementen Kritikern. Die ohnehin schon arg strapazierte Verkehrsverbindung zwischen Kempen über St. Tönis zur Autobahn A 44 bei Willich-Münchheide werde zusätzlich belastet – nicht nur durch den Lieferverkehr, sondern auch durch Fahrzeuge der Amazon-Mitarbeiter, die ja mehrheitlich mit dem eigenen Wagen aus dem Umland zu ihrem neuen Arbeitsplatz in Kempen anreisen werden.

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