Brauchtumspflege Der Moment für die großen Gefühle

Willich · Der Große Zapfenstreich geht den Schützen unter die Haut. Die Abfolge ist genau festgelegt.

 Großer Zapfenstreich: Das sind die Momente, in den sich ein Königshaus wahrhaft königlich führt, wie hier beim Vinkrather Schützenst 2014.

Großer Zapfenstreich: Das sind die Momente, in den sich ein Königshaus wahrhaft königlich führt, wie hier beim Vinkrather Schützenst 2014.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

„Das ging schon ganz schön unter die Haut“, sagt rückblickend der amtierende Schützenkönig des Allgemeinen Schützenvereins (ASV) Willich, Wolfgang Dille. Sein direkter Vorgänger, Michael Maaßen, sieht dies genauso. Zum Ende des 133. Willicher Heimatfestes hatte sich das ganze Regiment zum Großen Zapfenstreich versammelt. Wie es üblich ist, wurde der Zapfenstreich mit einer Wunsch-Serenade eingeleitet. „Unser neuer Musik-Dezernent Stefan Gehlen wusste zwar, dass ich ein leidenschaftlicher Beatles-Fan bin, aber es war schon eine faustdicke Überraschung, als zu Beginn Germania Willich und das Bundesfanfarencorps Neuss „Hey Jude“ spielten“, erzählt Dille.

„Es war jedes Mal ein unvergessliches Ereignis“, kommentiert Kurt Manns. Der heute 78-Jährige kann sich genau noch an die Zeit erinnern, als er 1971, er war damals 31 Jahre alt, das erste Mal der Schützenkönig der St.-Konrad- Schützengilde des Grenzweges war und sonntags im Festzelt der Zapfenstreich gespielt wurde. „Das ist mir schon damals sehr nahe gegangen, ich musste das eine oder andere Tränchen unterdrücken“, sagt Manns, der noch zweimal in den Genuss kam, auch 1985 und zuletzt 2008 mit seiner Ehefrau Gustel das Königspaar war. Daher ist er der Gilde-Kaiser. „Zuletzt haben wir für mich Cäcilia Hinsbeck und das Viersener Tambourcorps den Zapfenstreich gespielt, auch das war ein tolles Erlebnis.“ Leider hatte die Gilde in diesem Jahr des 60-jährigen Bestehens keinen König. Aber man wusste sich zu helfen: Erstmals wurde vor kurzem der Zapfenstreich am Ehrenmal unter Beisein aller Gastvereine gespielt.

Einen „Kaiser“ hat ebenfalls die Sebastianus-Bruderschaft Anrath. Es ist Bernd Straeten, der mit seiner Frau Uschi erst 1992, dann 2010 und bald wieder in der ersten Reihe stehen wird. Denn vom 31. August bis zum 3. September ist es erneut der am 7. September 70 Jahre alt werdende Bernd Straeten, der vom König zum Kaiser wird. „Der Zapfenstreich war bislang immer der Höhepunkt meines Festes und hat auch bei meiner Ehefrau für Gänsehaut pur gesorgt. Wir waren beide davon sehr ergriffen.“

Seinen Ursprung nahm der Zapfenstreich in einer Zeit, als die Soldaten sprich „Landsknechte“ abends die Gaststuben besuchten. Ein Offizier ging begleitet von einem Flötenspieler und einem Trommler durch die Gaststätten, schlug mit einem Stock ein- oder mehrmals auf den Zapfen des Fasses. Danach durfte der Wirt keine Getränke mehr ausgeben und die Soldaten mussten in die Zelte oder in die Kaserne. Wer sich ihm widersetzte, wurde hart bestraft. Der Begriff des Zapfenstreiches wurde erstmals 1596 erwähnt.

Der Große Zapfenstreich entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; in Preußen bereits seit 1813. Dem Beispiel anderer Länder folgend, ordnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. zu Zeiten der „Befreiungskriege“ die Ausweitung des Zapfenstreiches um das Präsentieren der Gewehre, um ein Gebet und dem Blasen eines Militärliedes an. Schon früh setzte sich der noch heute verwendete Choral „Ich bete an die Macht der Liebe durch.“ Seit 1922 erfolgte zum Abschluss dieser Zeremonie das Abspielen der Deutschen Nationalhymne.

Für die RP erläutert der musikalische Leiter des Blasorchester TV Jahn Bockum, Bernd Fröhlich, den Ablauf. In der Regel sind es zwei Musikeinheiten, die mit ihren Kesselpauken, Trommeln Trompeten und Flöten spielen. Vor dem eigentlich Zapfenstreich werden erst einmal ein bis drei Serenaden gespielt. Formell ist natürlich der genaue Ablauf und gibt es dazu klare Kommandos: „Großer Zapfenstreich – Stillgestanden, Richtet Euch, Augen gerade aus, zur Meldung an seine Majestät“, dies zu Beginn. „Großer Zapfenstreich – stillgestanden“, anfangs ertönen die Kesselpauken, erfolgen einige lange Wirbel mit bis zu acht Trommelschlägen. Das Musikkorps spielt die „1. Post“; „2. Post“ und „3. Post“. Wohl in Anlehnung daran, dass es früher in den Gaststuben mehrere Nachrichten, sprich „Warnungen“, gegeben hat, die Lokalität zu verlassen. „Helm ab zum Gebet“, alle nehmen die Helme und Hüte ab, der Choral „Ich bete an die Macht der Liebe“ wird gespielt. Nach weiteren Soli, Präsentationen und Kommandos folgt die Nationalhymne und zum Schluss der etwa 15 bis 20-minütigen Zeremonie die Order des Kommandierenden: „Ich melde den Zapfenstreich ab.“ Einige Male spielt TV Jahn Bockum, die man in diesem Jahr noch bei Schützenfesten in Niederheide und Anrath hören kann, mit dem Tambour- und Fanfarencorps St. Sebastianus zusammen.

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