Kempen Der Schrecken der Schaben

Kempen · Die bundesweit erste Ausbildungsprüfung zum Schädlingsbekämpfer geht derzeit bei der Deula in Kempen über die Bühne. Der Nachwuchs muss bestens Bescheid wissen – Beratung und Vorbeugung sind heute Trumpf.

Das Holz sieht aus wie ein alter Badeschwamm: überall Löcher. Für den Bau ist es wertlos. Rainer Gsell hält die ruinierte Bohle hoch. Vor ihm stehen zwei Dutzend junge Männer. Gsell sitzt dem Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband vor, heute prüft er in der Kempener Landwirtschaftsschule Deula angehende Ungeziefer-Vertilger. Seine Fragen kommen im Stakkato: „Was ist das? Was bleibt danach übrig? Was ist der Erreger?“ Meist weiß die Gruppe Antwort.

Kempen könnte zum bevorzugten Ziel der deutschen Schädlingsbekämpfer werden – nicht, weil hier so viel ekliges Getier kreuchte und fleuchte. Aber eine Ausbildungs-Abschlussprüfung für Schädlingsbekämpfer gibt es derzeit nur in der Thomasstadt. In diesen Tagen geht das erste Examen über die Bühne.

Pilze im Mauerwerk, Schaben im Küchenschrank, Insekten im Dachstuhl – Einsatzmöglichkeiten gibt es seit jeher viele, aber erst seit 2004 ist das Handwerk gesetzlich verankerter Ausbildungsberuf, weiß Karin Loch von der Deula am Krefelder Weg. Vorher gab es nur eine Umschulung. Industrie- und Handelskammern (IHK), Berufsverband und Gewerkschaften haben daher einen Ausbildungsplan erarbeitet. Die IHK Mittlerer Niederrhein war federführend dabei – nun läuft die Prüfung in ihrem Bezirk.

Widerliche Wanzen und räuberische Ratten sind Daniel Hügels Traumberuf. Ihn reize an dem Job die Vielfalt und der Umgang mit den Menschen, sagt der 24-Jährige aus Wickede: „Schädlinge gibt’s beim Bettler und beim Multimillionär.“ Drei Jahre hat er in Dortmund gelernt und zuletzt für die Prüfung gebüffelt. Los ging es mit einer Klausur, später stand die Praxis an – im finsteren Deula-Keller.

Da ging es 90 Minuten lang ans Eingemachte, erläutert Chefprüferin Bärbel Holl. „Die Azubis müssen Schädlinge oder ihre Ausscheidungen finden, erkennen und Maßnahmen zur Bekämpfung vorschlagen.“ Etwa 40 Arten umfasst das Sortiment. Einfach mit der chemischen Keule dreinzuschlagen, würde allerdings nicht zu Bestnoten führen: Biologische Bekämpfung verspricht Erfolg ohne Giftbelastung. Ebenso wichtig wie Vernichtung ist die Frage, was getan werden kann, damit die ungebetenen Gäste nicht wiederkommen. Vergrämung nennen das die Fachleute. Und oft sei es in erster Linie Aufgabe des Schädlingsbekämpfers, aufgelöste Bewohner zu beruhigen, sagt Bärbel Holl – die Anwesenheit von Krabbeltieren führe oft geradewegs „an den Rand des Wahnsinns“.

Zu guter Letzt muss sich der Vertilger-Nachwuchs auch im Paragraphendschungel souverän zurechtfinden. Der Beruf ist genauestens reglementiert – von der Gefahrstoffverordnung bis zum Tierschutzgesetz, sagt Holl, die selbst seit 18 Jahren in Wuppertal im Geschäft ist: „Das ist auch gut so. Der Speckkäfer macht ja auch nur seinen Job.“

(RP)
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