Wirtschaft im Kreis Viersen und in Krefeld Niederrhein bündelt Kräfte für den Standort

Interview | Kreis Viersen/Krefeld · 25 Jahre „Standort Niederrhein“ – Landrat Hans-Jürgen Petrauschke zieht Bilanz und skizziert die aktuellen Herausforderungen für das Bündnis der Städte Krefeld und Mönchengladbach sowie der vier Kreise Kleve, Viersen, Wesel und Rhein-Kreis Neuss.

 Auf der Expo Real, der internationalen Messe für Immobilien und Investitionen in München, präsentiert sich der Standort Niederrhein mit Partnern aus der Wirtschaft auf einem Gemeinschaftsstand.

Auf der Expo Real, der internationalen Messe für Immobilien und Investitionen in München, präsentiert sich der Standort Niederrhein mit Partnern aus der Wirtschaft auf einem Gemeinschaftsstand.

Foto: Frank Kirschstein

Herr Petrauschke, was unterscheidet die Vorläufer-Organisation Reminex von der heutigen Standort Niederrhein GmbH?

Hans-Jürgen Petrauschke Die Reminex-Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung war für den Bereich Mittlerer Niederrhein zuständig, die Raumkulisse der Standort Niederrhein GmbH umfasst dagegen seit 2008 den gesamten Niederrhein, also auch die Kreise Kleve und Wesel. Reminex förderte die Außenwirtschaftsaktivitäten klein- und mittelständischer Unternehmen aus der Region, erarbeitete individuelle Lösungen für heimische Unternehmen auf dem Weg auf neue Auslandsmärkte und unterstützte ausländische Betriebe, die an einem Markteinstieg bei uns interessiert sind. Die Standort Niederrhein GmbH setzt insbesondere auf nationales und internationales Standortmarketing mit Hilfe verschiedener Aktivitäten. Dazu gehören etwa Messen wie Expo Real, Polis Convention, transport logistic oder Provada, die Beteiligung an branchenspezifischen Fachveranstaltungen, die Mitgliedschaft in thematischen Netzwerken oder die Kooperation mit Landesgesellschaften und den anderen NRW-Regionen. Hinzu kommt die Übernahme der Trägerschaft der Regionalagentur Mittlerer Niederrhein.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Erfolg der Standort Niederrhein GmbH in den vergangenen 25 Jahren?

 Landrat Hans-Jürgen Petrauschke ist Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Standort Niederrhein GmbH.

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke ist Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Standort Niederrhein GmbH.

Foto: RKN/Mika Schiffer

Petrauschke Die Positionierung und Vermarktung der Region als attraktiver Wirtschaftsstandort ist gut gelungen. Das zeigt: Regional koordiniertes, abgestimmtes und gemeinsames Agieren in den einzelnen Themenbereichen wie etwa beim Standortmarketing zahlt sich aus. Die GmbH erfüllt erfolgreich Servicefunktionen für die Gesellschafter, wie die Gemeinschaftsstände bei nationalen und internationalen Fachmessen als Basis für individuelle Vermarktungsaktivitäten verdeutlichen. Grundsätzlich unterstützt die Standort Niederrhein GmbH auch wirksam Investoren, die in der Region die für sie richtige Immobilie oder Fläche finden wollen. Ab einem gewissen Punkt verabschiedet sie sich dann aber wieder aus dem Prozess, da sich die lokalen Wirtschaftsförderungen um alles weitere kümmern.

Welche Herausforderungen muss die Standort Niederrhein GmbH in den kommenden Jahren meistern?

Petrauschke Es sind eher Ziele, die wir gemeinsam erreichen wollen: Da wären die Fortführung der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Gesellschafter bei der gemeinsamen Umsetzung unserer Themen, die Weiterentwicklung der erfolgreichen Projekte und das Reagieren auf neue Trends. Das alles geschieht in enger Abstimmung mit weiteren Akteuren wie der Zukunftsagentur Rheinisches Revier beim Strukturwandel oder der Metropolregion Rheinland. Die Fortführung und Intensivierung der Kooperation mit anderen Regionen im Land unter dem gemeinsamen Dach „regionen.NRW“ ist außerdem lohnenswert.

Wie läuft die Abstimmung zwischen den Trägern der Standort Niederrhein GmbH, die in manchen Bereichen, etwa wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen geht, ja auch in Konkurrenz stehen?

Petrauschke Die Standort Niederrhein GmbH agiert grundsätzlich als Service-Partner für alle Träger gleichermaßen. Das heißt, es gibt eine transparente Kommunikation zwischen allen Partnern. Beim angesprochenen Beispiel gilt aber auch: Notwendig ist stets eine möglichst umfassende Klärung des Anforderungsprofils für eine spezifische Ansiedlung. Da geht es etwa um Erfordernisse bei der Infrastruktur oder räumliche Präferenzen. Sofern diese Informationen verfügbar sind, erfolgt im Anschluss die Kontaktvermittlung nur zu den Trägern, die dann auch ins Suchprofil passen.

Wie bewerten Sie die Folgen der Corona-Pandemie für den Standort Niederrhein?

Petrauschke Die Covid-19-Krise und ihre Folgen belasten große Teile der Wirtschaft auch bei uns. Verschiedene aktuelle Umfragen wie etwa von den Industrie- und Handelskammern zeigen aber auch, dass die Lageeinschätzung bei den Unternehmen noch im negativen Bereich liegt, sich die Einschätzungen im Vergleich zum Spätsommer jedoch insgesamt verbessern. Und was das Standortmarketing angeht: Investoren- und Flächenanfragen sind aktuell zwar geringer geworden, aber sie sind nicht abgerissen.

Welche Unterstützung bietet die Standort Niederrhein GmbH Unternehmen aus der Region?

Petrauschke Im Bereich des Standortmarketings gibt es unter anderem die Möglichkeit zur Beteiligung an passenden Fach- und Branchenmessen, um das eigene Unternehmen, das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung präsentieren zu können. Bei der Expo Real in München etwa können sich Unternehmen aus der Immobilienbranche mit einer Partnerschaft an der Präsentation beteiligen. Bei der transport logistic können sich Unternehmen aus dem Themenfeld der Logistik am regionalen Messestand präsentieren. Und im Bereich der Regionalagentur Mittlerer Niederrhein gibt es den Zugang zu verschiedensten Förderprogrammen oder zu Initiativen wie Kein Abschluss ohne Anschluss oder dem Ausbildungsprogramm.NRW.

Wie profitieren die Träger-Kommunen der Standort Niederrhein GmbH von der Arbeit der Gesellschaft?

Petrauschke Zu ausgesuchten Themen werden die Kräfte der Träger-Kommunen gebündelt, und die Umsetzung verschiedener Themen ist im regionalen Verbund zielführender und effizienter. Die Standort Niederrhein GmbH übernimmt eine Service-Funktion für die Träger-Kommunen beispielsweise bei der Vorbereitung und Organisation der regionalen Messestände zum Zweck des Standortmarketings.

Die Standort Niederrhein GmbH arbeitet auch als Regionalagentur. Was steckt dahinter?

Petrauschke Die Standort Niederrhein GmbH übernimmt die Trägerschaft für die Regionalagentur Mittlerer Niederrhein – das ist eine von insgesamt 16 Agenturen dieser Art in NRW. Die Regionalagentur übernimmt die Scharnierfunktion zwischen der Region und dem Landesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bei der Umsetzung der regionalisierten Arbeitspolitik des Landes, insbesondere für die zur Verfügung stehenden Europa-Programme oder weitere Landesprogramme. Dazu gehören etwa die Information über Fördermöglichkeiten und die Beratung von Projektträgern, Antragstellern und Betrieben und die Koordinierung unterschiedlicher Akteure bei der Umsetzung dieser Projekte. Nicht vergessen werden sollte die Ansprache und der Einbezug von Unternehmen und ihre Vernetzung bei spezifischen arbeitspolitischen Themen.

Besonders plakativ ist der Auftritt der Standort Niederrhein GmbH bei der internationalen Immobilienmesse Expo Real in München. Welche Perspektive hat der Messeauftritt in der Zukunft?

Petrauschke Die Expo Real ist eine der weltweit wichtigsten Messen für Gewerbeimmobilien und Investoren mit stetigen Zuwachszahlen. Sie wird perspektivisch auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle im Bereich der Immobilienbranche spielen. Im nächsten Jahr wird unser regionaler Gemeinschaftsstand zum 20. Mal von der Standort Niederrhein GmbH vorbereitet und organisiert. Die Präsentation ist – bei allen ergänzenden und bereits bestehenden überregionalen Kooperationsformen – in diesem Umfeld die richtige und passende Vermarktungsform des Standorts.

Welche weiteren Messen haben neben der Expo Real an Bedeutung gewonnen?

Petrauschke Die Expo Real ist nur eines der Messeformate, die von der Standort Niederrhein GmbH zur Vermarktung der Region genutzt werden. In den vergangenen Jahren neu etabliert und an Bedeutung gewonnen hat beispielsweise die Polis Convention, sozusagen als „Hausmesse“ mit dem Veranstaltungsstandort im Meerbuscher Böhler-Areal. Als Region mit direkter Grenzlage zu den Niederlanden sind niederländische Unternehmen die Nummer eins bei den ausländischen Investoren. Insofern spielen Messen und Veranstaltungen in den Niederlanden ebenfalls eine wichtige Rolle im Arbeitsportfolio der Standort Niederrhein GmbH. Ein weiteres Messeformat mit Relevanz für die Region ist auch die alle zwei Jahre in München stattfindende transport logistic.

Welche Branchen profitieren besonders von der Arbeit der Standort Niederrhein GmbH?

Petrauschke Im grundsätzlichen Marketing wird immer der breite Branchenmix am Standort Niederrhein thematisiert. Bei den Messebeteiligungen und anderen Veranstaltungsformaten stehen die jeweils zugehörigen Branchen im Mittelpunkt: bei den Immobilienmessen etwa die Immobilienbranche – dann aber auch mit ihren unterschiedlichsten Akteuren, angefangen bei Banken und Finanzierungspartnern über Architekten, Makler und Projektentwickler bis hin zur kommunalen Entwicklungs- oder Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Die Immobilienbranche erfüllt an dieser Stelle eine Querschnittsfunktion.

Mit welchen Standortfaktoren punktet der Standort Niederrhein im nationalen und internationalen Wettbewerb?

Petrauschke Ganz wichtig sind für uns natürlich die geografische Lage in NRW sowie die unmittelbare Anbindung an den Rhein als wichtigste Wasserverkehrsachse in Europa. Hinzu kommen die direkte Anbindung und kurze Wege zu den für den globalen Warenhandel wichtigen Häfen in Zeebrügge, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Wir haben die internationalen Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn vor der Haustüre. Hinzu kommen etliche weitere Vorteile wie verfügbare Grundstücke und Immobilienoptionen für Unternehmen und Investoren in unterschiedlichsten Preissegmenten, innovative Betriebe mit vielen klugen Köpfen  und die lebenswerte Mischung aus urbanen Bereichen und eher ländlich geprägten Gebieten, was Themen wie Naherholung, Tagestourismus oder Kultur in den Vordergrund rückt.

An welchen Schwächen muss der Niederrhein arbeiten, um auch künftig ein attraktiver Standort zu sein?

Petrauschke Schwächen halte ich für das falsche Wort. Es sind eher Aufgaben und Themen, um die man sich kümmern muss. Im südlichen Teil der Region, insbesondere im Rhein-Kreis Neuss und in der Stadt Mönchengladbach, läuft der Strukturwandel rund um den Ausstieg aus der Braunkohlegewinnung und -verstromung, der auch in die angrenzenden Teile der Region ausstrahlt. Daraus werden sich – auch mit Blick auf die energieintensiven Industrien und bei den Themen Fachkräfte sowie Aus- und Weiterbildung – verschiedenste Veränderungsprozesse ergeben. Strukturwandel ist gleichzeitig aber auch eine sehr große Chance, die Region zu einer Modellregion der nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene zu gestalten. Bei der Gestaltung werden sowohl die harten als auch die weichen Standortfaktoren eine Rolle spielen. Bei den harten Faktoren zählen etwa die Verfügbarkeit passender Flächen für die Wirtschaft und die weitere Digitalisierung mit dem Breitbandausbau.

Welche Rolle spielt die Standort Niederrhein GmbH im Zusammenspiel von IHK, Mitgliedskommunen und Metropolregion Rheinland?

Petrauschke Unter dem Dach „Standort Niederrhein“ organisieren sich vier Kreise, zwei Städte und die IHK Mittlerer Niederrhein zur gemeinsamen und koordinierten Umsetzung ausgesuchter Themen. Gemeinsam sind alle Akteure aber auch Teile der Metropolregion Rheinland. Die Standort Niederrhein GmbH bringt sich dabei aktiv in die Projektarbeit der Metropolregion ein und schafft Verbindungen zu den regionalen Themen.

Wird die Metropolregion die Standort Niederrhein GmbH ersetzen?

Petrauschke Die Metropolregion Rheinland ist eine von zwei Metropolregionen in NRW. Sie integriert die fünf institutionell organisierten Regionen Aachen, Köln-Bonn, Düsseldorf-Kreis Mettmann, Bergisches Städtedreieck und Standort Niederrhein als Teil einer Akteursfamilie, und das zusätzlich zu den Kreisen, kreisfreien Städten und Kammern. Die Bearbeitung ausgesuchter inhaltlicher Themen erfolgt gemeinsam und/oder in Abstimmung wie beim Standortmarketing, um Doppelarbeiten und -strukturen zu vermeiden.

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