Kempen Ein Baum, der reiche Früchte trägt

KEMPEN · Der „Arbol de la Esperanza” im ecuadorianischen Quito wächst beständig. Wie es sich für einen Baum der Hoffnung, so die Übersetzung des Namens ins Deutsche, gehört.

 Zwei Kinder im Kinderhaus in Quito, das von dem Kempener Verein betreut wird.

Zwei Kinder im Kinderhaus in Quito, das von dem Kempener Verein betreut wird.

Foto: Verein Arbor de la esperanza

Seit mehr als 25 Jahren besteht nun das Kinderhaus in der Hauptstadt des südamerikanischen Staates. Motor des Ganzen ist die 47-jährige Kempenerin Angela Aretz. Das Projekt ist durch den in Kempen ansässigen Verein eine erfolgreiche Geschichte der gesamten Familie Aretz geworden. Jeder setzt sich da ein, wo er seine Fähigkeiten am besten einbringen kann.

Eigentlich hatte Angela Aretz nur eine Freundin besuchen wollen, als sie nach dem Abitur nach Quito fuhr. Aber schnell lernte sie das schlimme Leben der Straßenkinder kennen. Daher kam der Gedanke, ein Kinderhaus für Jungen, die unter unvorstellbaren Umständen auf der Straße oder vollkommen vernachlässigt in ihren Familien lebten, zu gründen. Inzwischen besteht das Kinderhaus aus zwei Häusern mit insgesamt drei Wohngruppen für jeweils zehn Kinder und Jugendliche. Ganz wichtig ist den Organisatoren, dass es sich hier um eine Lebensgemeinschaft für die Jungen handelt, in der sie vielleicht erstmals die Sicherheit eines geordneten Familienlebens kennen lernen. Seit 2011 gehört dazu nun auch ein neu gebautes Haus mit drei kleinen Wohnungen. Sie sind gedacht als Übergangsmöglichkeit für die Jungen in die Selbstständigkeit. In Begleitung der ihnen bekannten Betreuer lernen sie schrittweise den Weg in das Erwachsensein.

 Die gebürtige Kempenerin Angela Aretz kümmert sich um Straßenjungen in Quito.

Die gebürtige Kempenerin Angela Aretz kümmert sich um Straßenjungen in Quito.

Foto: Wolfgang Kaiser

Jetzt führte die dringende Notwendigkeit, mehr Platz für die Jungen zu schaffen, dazu dass an einem Haus ein Anbau geschaffen wird. Denn die Kinder sind oft traumatisiert von ihren Erlebnissen. Dies führt manchmal zu sexuellen Übergriffen oder auch Gewalttätigkeiten. Daher besteht die Notwendigkeit, dass sie in einer Übergangszeit Tag und Nacht mit einer Bezugsperson eng beieinander sind. In den bisherigen Schlafzimmern für zwei bis vier Kinder wurde dies aber immer mehr zur Belastung sowohl für die Erzieher als auch die Bewohner. Dank eines befreundeten Architekten konnte nun der Anbau und Umbau des Hauses gestartet werden. Ende März soll alles fertig sein. Dann gibt es jeweils sechs Schlafzimmer in zwei getrennten Wohnetagen. Das Betreuungskonzept hat sich im übrigen als sinnvoll erwiesen. Denn nach einer gewissen Zeit können sich die Kinder dadurch als auch durch therapeutische Begleitung von ihren psychischen Belastungen trennen.

Auch bei viele anderen Problemen ist der Einfallsreichtum von Angela Aretz sowie ihren Mitarbeitern gefragt. So zum Beispiel bei einem vollkommen verwahrlosten Jungen, der durch die Kinderschutzpolizei zu ihnen kam. Er verweigerte das Sprechen, wollte sich weder duschen noch in die Gemeinschaft einfügen. Seine Muskulatur war kaum ausgebildet, spielen konnte er nicht. Mittlerweile besucht er eine Fördereinrichtung für behinderte Kinder. Dafür investiert der Verein viel Geld. Einiges hat sich gebessert, aber malen oder mit Knetgummi spielen, wie andere Kinder es in seinem Alter lieben, kann er nach wie vor nicht. Manchmal brabbelt er Unverständliches vor sich hin, aber verstehen kann man ihn immer noch nicht.

 Der Kinderhaus in der ecuadorianischen Hauptstadt, in dem die Straßenjungen eine neue Heimat finden können, besteht aus zwei Gebäuden.

Der Kinderhaus in der ecuadorianischen Hauptstadt, in dem die Straßenjungen eine neue Heimat finden können, besteht aus zwei Gebäuden.

Foto: Verein Arbor de la Esperanza

Ein anderer schwieriger Fall ist der eines 13-jährigen Jungen. Auch er wurde von staatlicher Seite ins Haus gebracht, weil seine Mutter zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Kaum wurde sie aus der Haft entlassen, wollte sie sich wieder um ihren Sohn kümmern. Schnell wurde aber klar, dass sie ihn mit Geld und teuren Geschenken auf ihre Seite bringen wollte, und damit alle Bemühungen des Arbol zunichte machte. Hier blieb nur der Weg, mit dem Jungen lange Gespräche zu führen und ihn wieder behutsam in die Gemeinschaft einzuführen. Inzwischen genießt er es, mit Gleichaltrigen herumzublödeln und beteiligt sich an den Aktivitäten der Wohngemeinschaft. Die Frage steht im Raum: Wie wird er sich entscheiden? Denn das Haus ist kein Hotel, wo er kommen und gehen kann, wie er es möchte. Wenn er zurückkommt, dann muss er auf Freiheiten oder ein Leben ohne Kontrolle verzichten und sich wieder in das Leben im Haus einfügen. Ein von der Mutter finanziertes Tagesbudget von bis zu 50 Dollar wird dann nicht gestattet sein. Angela Aretz sieht gute Chancen, bleibt aber auch Realistin bei solch großen Versuchungen für ihre Jungen. Da wäre es ihr manchmal lieber, wenn die vom Verein eigentlich gewollten Kontakte zu den Ursprungsfamilien entfallen könnten, das gibt sie ehrlich zu.

Nähere Informationen über die Aktivitäten des Kempener Hilfsvereins gibt es auch im Internet unter www.arbol-de-la-esperanza.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort