Grefrath Der Chef der Soko Mirco

Grefrath · Seit drei Wochen suchen Kriminalhauptkommissar Ingo Thiel und eine Sonderkommission der Polizei nach dem vermissten Mirco. Auch wenn Thiel noch keine heiße Spur hat, ist er sicher, den Fall zu lösen.

Chronologie: Der Fall Mirco
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Foto: Günter Jungmann

Gepuzzelt hat Ingo Thiel schon als Kind gerne. Mit seinem Vater hat er zum Zeitvertreib und weil am Ende schöne Motive herauskamen, die er an die Wand hängen durfte, Puzzlebilder zusammengesetzt. Heute puzzelt Thiel von Berufs wegen: Der Kriminalhauptkommissar der Mönchengladbacher Polizei leitet die Sonderkommission (Soko) Mirco, die seit Anfang September nach dem vermissten Elfjährigen aus Grefrath sucht. Es ist das schwierigste Puzzle, das er jemals zusammensetzen musste.

Wieviele Teile es haben wird, vermag der 47-Jährige gar nicht zu sagen. Er weiß nur eines: "Wir kriegen ihn." Das sagt er auch immer wieder im Kreis der Kollegen der Soko. Ihn, damit meint er den Täter, der Mirco am Abend des Freitag, 3. September, nach 21.45 Uhr in seine Gewalt gebracht haben muss. Mirco war auf dem Heimweg von Oedt nach Grefrath. An der Mülhausener Straße kurz vor dem Ortseingang von Grefrath lauerte der Täter Mirco in einem dunklen Pkw auf. Bis heute fehlt von dem Kind jede Spur. Aber die Polizei ist sich sicher: Der Täter kommt aus der Region, kennt sich dort gut aus, ist möglicherweise in Vereinen gut integriert.

Ingo Thiel ist seit 31 Jahren Polizist. Seit 1990 arbeitet er bei der Kriminalpolizei. Er gehört zum Kriminalkommissariat 11 im Mönchengladbacher Polizeipräsidium, die Abteilung, die tätig wird bei Kapitaldelikten wie Mord oder Kindesentführungen.

Viele Fälle hat der Mönchengladbacher schon auf dem Schreibtisch gehabt. Alle, die er von Anfang an betreut hat, hat er bislang auch gelöst. Doch noch nie hat er einen solchen Fall wie den des verschwundenen Mirco bearbeiten müssen. Für den Vater zweiter Kinder ist das der Supergau. Das Verschwinden Mircos lässt den Leiter der Soko und seine Kollegen auch nach dem in diesen Tagen ohnehin späten Feierabend nicht ruhen.

Thiel geht abends mit dem Fall schlafen und steht am nächsten Morgen mit ihm auf, plant, welche Schritte als nächste zu tun sind. Immer wieder geht das Mobiltelefon. Hinweise auswärtiger Behörden über ähnlich gelagerte Fälle oder aktuelle Straftaten laufen bei Thiel ein. Dass Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga katastrophale Spiele abliefert, nimmt Fußballfan Thiel jetzt nur ganz am Rande zur Kenntnis. Aufregen kann ihn das nicht. Ingo Thiel sucht Mirco.

Der Hauptkommissar bleibt dabei, was er eine Woche nach dem Verschwinden des Jungen bei einer Pressekonferenz sagte: "Wir suchen einen Vermissten." Auf Fragen, die versuchen, ihm das schlimmste, denkbare Szenario zu entlocken, lässt er sich nicht ein. Mit wachen Augen mustert er den Fragesteller genau, erkennt blitzschnell den Hintergrund der Frage. Freilich weiß er auch: Seit die Hose und das Poloshirt des Jungen gefunden worden sind, muss man nur "eins und eins zusammenzählen".

Womit Ingo Thiel wieder beim Puzzeln angekommen ist. Kriminalistische Kleinarbeit mag er. Die umfangreichen Suchaktionen mit bis zu 1000 Polizisten an einigen Tagen waren wichtig. Doch jetzt gilt es, gefundene Spuren und aus der Bevölkerung erhaltene Hinweise zu sichten und zu bewerten und zu einem Gesamtbild zu kombinieren. "Das ist weniger aufregend für den Außenstehenden, aber sehr effektiv und zielführend", sagt er.

Ein bis zu 80 Personen starkes Team unterstützt ihn bei dieser Arbeit, die Soko Mirco, die sich Thiel zu gewissen Teilen selbst zusammenstellen konnte. Langjährige Polizisten sind dabei, die Erfahrungen aus früheren Ermittlungen einfließen lassen können. Auch Kollegen, die Grefrath und Umgebung wie ihre Westentasche kennen, gehören zum Team.

"Ich bin stolz, mit solch motivierten Mitarbeitern einen so schweren Fall anzugehen", sagt Thiel. Bei Kollegen, die ihn lange kennen, gilt er als Teamspieler. Er könne die Wertschätzung, die er für jeden Mitarbeiter empfindet, gut rüberbringen, er mache keinen Unterschied zwischen den Kollegen, egal welchen Hintergrund sie hätten. Alle seien ihm gleich wichtig. Zudem weiß er, dass er einen weiteren, wichtigen Helfer hat: die Öffentlichkeit. "Das Hinweisaufkommen zeigt mir, dass Grefrath und die Region uns helfen wollen."

Wie wichtig es ist, Öffentlichkeit herzustellen und um Hinweise zu bitten, weiß er aus vielen Fällen. Und dabei zu ungewöhnlichen Methoden zu greifen wie dieser, große Hinweisschilder aufzustellen, ist im nicht fremd. Wie im September 2007: Damals war in Kaldenkirchen an einem Maisfeld an der B 221 ein Mordversuch auf eine 24-Jährige verübt worden.

Ingo Thiel, der die Ermittlungen leitete, stellte fest, dass viele Menschen über die Örtlichkeiten nicht im Bilde waren. Also ließ er eine große Tafel am Tatort ins Feld stellen mit der Bitte um Hinweise. Und die kamen und halfen auch, den Täter zu überführen.

Dass die Schilder, die die Soko Mirco an der Mülhausener Straße und an der L 39 hat aufstellen lassen, das Hinweisaufkommen haben in die Höhe schnellen lassen, liegt für Thiel auf der Hand. Obwohl es schon mehr als 2300 Hinweise gibt, gilt weiter, was der Kriminalbeamte von Anfang an sagte: "Jede Beobachtung, auch die scheinbar belangloseste, ist wichtig."

Bei allem Interesse in der Öffentlichkeit, das der Fall Mirco findet, bittet Thiel aber auch um Verständnis, nicht mit allen Details der Ermittlungen an die Öffentlichkeit gehen zu können.

Die schon fertigen Teile seines Puzzles möchte er dem Täter nicht auf dem Silbertablett präsentieren. Wie lange er und seine Kollegen noch puzzeln müssen, weiß Thiel noch nicht, ebenso nicht, wie weit das Puzzle bereits fertig ist. "Das war bei den Puzzeln in der Kindheit einfacher: Die hatten eine Vorlage", sagt Thiel.

(RP)
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