Bilderstrecke Einblick in ein gotisches Juwel
Blick in das Langhaus und den Chor der gotischen Kirche St. Mariae Geburt in Kempen. Die ursprünglich romanische Basilika von um 1200 wurde im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts mit einem Chor ergänzt. In mehreren Bauabschnitten im 15. Jahrhundert wurde die Kirche zur heutigen Form verändert: eine dreischiffige gotische Halle, ein Gewölbe mit Kreuzrippen und ein Chorumgang. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche stark beschädigt und bis 1958 weitgehend wiederhergestellt.
Der Marienleuchter im Scheitel des Mittelschiffs wurde vor 1508 vom Carben-Meister aus Köln erstellt. Zum Chor und zum Turm, also nach Osten und Westen, blickt jeweils eine eigene Madonnenfigur. Die Holzfiguren in Hochrelief sind Rücken an Rücken montiert. Sie stehen auf einer Mondsichel und werden von einem Strahlenkranz umgeben.
Dem eingebauten romanischen Westturm der Vorgängerkirche um 1200 wurde ein hoher gotischer Helm aufgesetzt. Das Westwerk zeigt deutlich die verschiedenen Höhen der Seitenschiffe. Dieser Zustand wurde aber erst nach 1945 hergestellt, früher hatte das südliche Seitenschiff ein Satteldach.
Thronenden Madonna mit der Traube (1420-1440).
Dieser Taufstein mit Darstellungen von Löwen aus Namurer Blaustein wird ins 13. Jahrhundert datiert, stammt also noch aus dem romanischen Vorgängerbau. Thomas von Kempen, 1380 geboren, dürfte hier getauft worden sein. Der spätgotische Fuß wurde später ergänzt.
Annaselbstdritt (1492). Die Figur zeigt drei Generationen: Anna, die gekrönte Gottesmutter und Jesus.
Der bemalte Unterbau eines gotischen Altars nennt man Predella. Diese Lambertuspredella befindet sich heute in der Taufkapelle der Kirche. Sie zeigt Szenen aus dem Leben des ersten Maastrichter Bischofs Lambertus (635-705). Der hochgeschätzte Bischof wurde Opfer einer Blutrache. Lambertus wurde nicht nur in Belgien, sondern auch am Niederrhein verehrt.
Die Beschneidungsszene im Marienretabel ist seit Dezember 2017 wieder original. Die Figürchen wurden bei einem Diebstahl herausgebrochen und von 1969 bis 1971 vom Meerbuscher Holzbildhauer Wilhelm Hable nach Fotografien nachgearbeitet. Die Geschichte ist ein wahrer Krimi. Ende der 60er Jahre wurden die Figuren gestohlen und blieben vom Erdboden verschluckt, bis im September 2016 elf Heiligenfiguren in zwei Reisetaschen über die Mauer des Klostergartens von Maria Laach geworfen wurden. Fünf davon stammten aus Kempen.
Wie der Hochaltar und Annenretabel (1513/14) im Chor stammt auch der Marienretabel (1510-20, Bild links und Detail rechts) aus einer Antwerpener Werkstatt. Das kostbare Marienretabel weist auf den hohen Stellenwert hin, den die Verehrung der Gottesmutter und ihrer Mutter, der Hl. Anna, in Kempen hatte.
Diese Teufelsfratze sieht man nur, wenn man genau unter dem Marienleuchter im Mittelschiff steht. Die Madonna im Strahlenkranz steht auf einer Mondsichel und ist Siegerin über das Böse, das oft in Form einer Schlange oder hier als Teufelskopf dargestellt wird.
Das spätgotische Chorgestühl aus Eiche wurde 1493 im Chorraum aufgestellt. Es wurde von Johannes Gruter aus Wesel geschaffen. In der Lateinschule neben der Kirche waren viele Priester als Lehrer tätig. Für sie wurde diese Sitzgelegenheit geschaffen.
Dieser Kopf des Fabelwesens Greif ist nur ein Beispiel für die sehenswerte Ausgestaltung des Chorgestühls, hier in der Südseite des Chores. Die Holzarbeiten werden in die Zeit von 1487 bis 1493 datiert. Der Künstler hat mit viel Humor auch Figuren nach Sprichwörtern geschaffen.
Wer zum ersten Mal die Propsteikirche St. Mariäe Geburt betritt und die Schnitzaltäre aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entdeckt, dem verschlägt es den Atem. Aber auch der Besucher, der häufig kommt, kann in den einzelnen Gefächern immer wieder etwas Neues entdecken.