Spendenaufruf nach Schicksalsschlag Beispiellose Hilfe für zwei verwaiste Brüder aus Kempen

Kempen · Innerhalb von drei Monaten verlieren zwei Geschwister aus Kempen beide Elternteile. Ein unfassbares Schicksal, das viele Menschen auch weit über die Stadtgrenze hinaus bewegt. Die Familie ist überwältigt von so viel Hilfsbereitschaft.

 In den schwersten Momenten des Lebens stehen dem 18-Jährigen (l.) seine Freundin und sein bester Freund bei.

In den schwersten Momenten des Lebens stehen dem 18-Jährigen (l.) seine Freundin und sein bester Freund bei.

Foto: Norbert Prümen

Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden, die „richtigen“ Fragen zu stellen, wenn eine Familie ein so schweres Schicksal ereilt. Wenn zwei Jungen im Alter von gerade einmal 18 und 14 Jahren zuerst ihre Mutter und drei Monate später auch ihren Vater, die beide unheilbar erkrankt waren, verlieren. Um die beiden zu schützen, hat die Familie entschieden, die Namen der beiden nicht zu nennen und möchte anonym bleiben.

Seit einigen Tagen wird bei WhatsApp und in den sozialen Netzwerken ein Link tausendfach in ganz Deutschland geteilt. Viele stellen ihn in ihren Status, schicken ihn Freunden und Bekannten. Dahinter verbirgt sich der Spendenaufruf „Hilfe für ein unfassbares Schicksal“, organisiert von der (Stief-)Mutter des besten Freundes des jungen Mannes, der seine Eltern verloren hat: „Wir haben überlegt, was wir tun können, um den beiden zu helfen. Dass es so viele Menschen gibt, die helfen wollen, ist ein großartiges Zeichen der Solidarität“, sagt Nina Opdenfeld gerührt. Auch die Tante der beiden Jungen ist überwältigt von so viel finanzieller Unterstützung für ihre beiden Neffen: „Wir möchten uns einfach für all die Spenden bedanken, die bislang zusammengekommen sind“, sagt sie. Über 1000 Spender sind bislang dem Hilferuf für die beiden Vollwaisen gefolgt, mittlerweile ist eine Summe von über 55.000 Euro zusammengekommen.

Über die letzten beiden Jahre zu sprechen, fällt schwer. So viel sei innerhalb kürzester Zeit geschehen, erklärt die Familie. Im Jahr 2020 bekam die Mutter die Diagnose Darmkrebs, dann ging es Ende 2021 mit ihrem Gesundheitszustand bergab. Sie starb im Juni dieses Jahres. Schon während der Erkrankung der Mutter zeigte der Vater Symptome, die ebenfalls auf eine Krankheit hindeuteten: „Er hatte plötzlich keine Kraft mehr, niemand dachte da jedoch an eine seltene Blutkrankheit“, erklärt die Tante. Noch völlig in der Trauer um die Mutter versunken, hatten die Jungen mit einem weiteren Schicksalsschlag zu kämpfen. „Es ging bei meinem Schwager auf und ab, schließlich verschlechterte sich sein Zustand rapide, er starb jetzt nach neun Wochen Krankenhausaufenthalt“, sagt die Tante der beiden Kempener.

Durch den Tod der Eltern brach die komplette Welt der beiden Brüder innerhalb weniger Monate zusammen. Ein Schicksal, was man nicht begreifen kann, zudem ein Elternhaus, das die Brüder um nichts in der Welt verlieren möchten: „Der Hof ist das Lebenswerk ihrer Eltern, sie hätten sich gewünscht, dass sie hier bleiben können“, so die Familie. Umso dankbarer seien die Brüder für die familiäre Unterstützung nicht nur durch die Tante, sondern auch durch die Großmutter und den Onkel, durch Freunde der Eltern und Nachbarn. „Wenn man zwei solcher Schicksale innerhalb kürzester Zeit erfahren muss, ist das nicht in Worte zu fassen“, sagt die 86-jährige Großmutter, die ihren Sohn verloren hat. Sie selbst wohnt über zwei Autostunden von Kempen entfernt, hat über all die Wochen, in denen der Vater im Krankenhaus war, zusammen mit ihrem ältesten Sohn alles getan, um die Enkel zu unterstützen. Auch jetzt ist sie bei ihnen.

Nicht alles hätten die Eltern am Haus geschafft, zu Ende zu sanieren und zu renovieren. „Es fehlen zum Beispiel die Fensterbänke in der Küche, außen muss verfugt werden, der Treppenaufgang muss gemacht werden“, zählt die Tante einige Gewerke auf. Es seien einige Hilfsangebote von Handwerkern gekommen. „Es gab konkrete Anfragen, ob wir eine Liste hätten, was alles anstehen würde.“ Auch ein Steuerbüro habe angeboten, sich um die finanziellen Belange zu kümmern. „Das ist nicht in Worten auszudrücken, wie dankbar wir sind“, sagt die Großmutter. Es gebe Überlegungen, eine Halle auf dem Grundstück zu vermieten, damit dauerhaft Einnahmen generiert werden könnten. „Wir müssen das alles aber zuerst sortieren, eins muss nach dem anderen kommen“, so die Familie. Denn ihnen allen steht ein schwerer Gang noch bevor: „Es ist wie ein Déjà-vu, die gleiche Trauerhalle, der gleiche Gang, wir haben es doch erst vor drei Monaten erleben müssen“, sagt die Tante und bricht ab. Auch sie trauert um ihre Schwester und wünscht sich für die beiden Jungen, wie auch die gesamte Familie, nur eins: „Dass die Brüder zusammenbleiben können und das Haus so weit fertiggestellt ist, auch dass sie finanziell erst mal abgesichert sind.“

Ihre besondere Funktion als Patentante, hat sie ihrer Schwester versprochen, werde sie mit vollem Herzen erfüllen. Die Unterstützung der ganzen Familie, der Zusammenhalt auch durch Freunde und Nachbarn, sei eine große Stütze in dieser schweren Zeit, erklärt die Großmutter.

Nina Opdenfeld hat in ihrem Spendenaufruf einen langen Text verfasst, sich Gedanken um die richtigen Worte gemacht. Sie schreibt zum Schluss: „Geld ist jetzt sehr wichtig, damit nicht eine weitere Sorge zu überwältigen droht. Der zu erklimmende Berg scheint derzeit unüberwindbar. Wir wollen den beiden unbedingt helfen“ und bittet damit um finanzielle Unterstützung für die jungen Kempener.

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