Austauschschüler Niklas Erkes „Meine Heimat – ein Katastrophenfilm“

Mülhausen · Niklas Erkes, früherer Schüler der Mülhausener Liebfrauenschule, studiert seit acht Monaten in Taiwan. Die Corona-Zustände in seiner Heimat erschrecken ihn. Er berichtet: Taiwan war erfolgreich im Kampf gegen die Pandemie, dort geht das Leben fast normal weiter.

Niklas Erkes aus dem fernen Deutschland ist in Taiwan herzlich begrüßt worden und hat bereits viele neue Bekannte gewonnen.

Niklas Erkes aus dem fernen Deutschland ist in Taiwan herzlich begrüßt worden und hat bereits viele neue Bekannte gewonnen.

Foto: ka

Wenn Niklas Erkes das Leben in Taiwan mit dem in Deutschland vergleicht, dann klingt das, was seine Familie derzeit in der Heimat erlebt, für ihn wie ein Katastrophenfilm: „Ich mache mir große Sorgen um die Gesundheit meiner Familie und Freunde“, sagt der 19-Jährige. Er selber habe zuletzt eine Grillparty am Strand in großer Runde mitgemacht und traue sich gar nicht, Fotos davon nach Deutschland zu schicken, weil ein fröhliches Zusammenkommen als Gruppe in seiner Heimat nicht möglich ist.

Seit acht Monaten lebt der ehemalige Schüler der Liebfrauenschule Mülhausen in Taiwan, wo er studiert. Er erlebt dabei aus Eigenerfahrung und den heimischen Berichten seiner Familie, wie zwei Länder mit der Corona-Pandemie umgehen. „Taiwan hat schnell Maßnahmen wie Einreiseverbote und Hausquarantäne in die Wege geleitet, so dass es noch keine Infektionsketten im Land gibt. Daher habe ich in meinem Leben fast keine Einschränkungen. Aber alle sind vorsichtig. Sie desinfizieren ihre Hände und tragen in Menschenansammlungen Mundschutz“, so Erkes.

 Bereits zu Beginn seines Aufenthalts ging es für Niklas Erkes, den Ex-Schüler der Liebfrauenschule Mülhausen, steil bergauf. 

Bereits zu Beginn seines Aufenthalts ging es für Niklas Erkes, den Ex-Schüler der Liebfrauenschule Mülhausen, steil bergauf. 

Foto: ka

Er hat es allerdings bereits erlebt, dass ihm der Eintritt in ein Restaurant aufgrund seines westlichen Aussehens strikt verweigert wurde. Die Begründung der Inhaber: Durch sein Aussehen könnte er andere Gäste eventuell beunruhigen.

Das Leben in Taiwan, genau gesagt Kaohsiung, startete für Erkes nach einer 18-stündigen Reise am 1. September 2019 mit Einkaufen. Für sein Zimmer im Wohnheim benötigte er eine Matratze, Bettzeug, Handtücher, Geschirr und Putzmittel. „Ich musste zudem erst einmal schauen, wo man was besorgt und wie man von A nach B kommt“, erzählt Erkes. Eine ganze Palette organisatorischer Fragen tat sich auf. Sprachlich ging es etwas holprig los. Obwohl er von der fünften Klasse bis hin zum Abitur an der Liebfrauenschule Chinesisch gelernt und die HSK-3-Prüfung mit Bravour bestanden hatte, fühlte sich der damals 18-Jährige in den ersten Tagen ein wenig überfordert. „Viele können kein Englisch, auf das man hätte ausweichen können. Aber man lernt schnell, sprachlich wie organisatorisch“, sagt Erkes.

Die Uni, wo er als Hauptfach Englisch studiert, Chinesisch als Intensivsprachkurs belegt und Deutsch lehrt, startete, und damit nahm das Leben in der fremden Stadt Formen an. Erkes fand taiwanesische Freunde, mit denen er unter anderem das chinesische Neujahrsfest, das Mondfest und auch seinen eigenen Geburtstag feierte. Er erkundete die Stadt und das Land, wobei er schon einige Bergtouren und Reisen im Land wie auch nach Japan gemacht hat. „Ich erlebe das Leben der lokalen Bevölkerung hautnah mit“, sagt Erkes.

Inzwischen ist der mittlerweile 19-Jährige in eine zentral gelegene eigene Einzimmerwohnung mit Bad umgezogen und hat sich schnell eingewöhnt. „Die habe ich mit Hilfe eines taiwanesischen Freundes gefunden“, berichtet Erkes und fügt an, dass die Studenten in Deutschland von den Mietpreisen in Taiwan nur träumen könnten. Es ist um ein Vielfaches günstiger. Was ihn stört, ist das nicht sehr ausgeprägte Umweltbewusstsein, der wirklich starke Verkehr mit vielen Motorrollern und dass das Leitungswasser nicht trinkbar ist. Dafür gibt es öffentliche Wasserspender, die das Wasser vorher filtern und es damit trinkbar machen.

Dem jungen Mann ist der Kontakt zu Deutschland wichtig. Er vermisst die ihm nahe stehenden Menschen, vor allen Dingen seine Familie. Daher freute es ihn besonders, als seine ehemalige Chinesisch-Lehrerin Yasmin Jeng-Zeitz im Oktober mit Schülern der Liebfrauenschule Mülhausen Taiwan besuchte und auch Erkes in Kaohsiung einen Besuch abstattete. Im Gepäck hatte das Schüler-Lehrer-Team für Erkes unter anderem Schwarzbrot. Etwas, das ihm, wie auch die deutsche Hausmannskost, doch sehr fehlt. Ob Erkes wie geplant im Juni zurück nach Deutschland fliegt oder doch etwas länger bleibt, steht noch nicht fest. „Ich werde schauen, was sich ergibt“, sagt der 19-Jährige.

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