Zwei neue Ausstellungen in Kempen Kulturforum beleuchtet jüdisches Leben

Kempen · In Kempen werden am Sonntag zwei neue Ausstellungen eröffnet. Sie zeigen, wie sich das jüdische Leben in Deutschland in 1700 Jahren entwickelte. Spannend für Familien: die Geschichte der „Cellistin von Auschwitz“.

 Heike Höltken, Vorsitzende des Kempener Kulturausschusses, und Kulturamtsleiterin Elisabeth Friese sind froh, dass die Ausstellung „Gesichter und Geschichten – Jüdisches Leben in Deutschland“ nun in Kempen gezeigt werden kann.  Fotos (2): Prümen

Heike Höltken, Vorsitzende des Kempener Kulturausschusses, und Kulturamtsleiterin Elisabeth Friese sind froh, dass die Ausstellung „Gesichter und Geschichten – Jüdisches Leben in Deutschland“ nun in Kempen gezeigt werden kann. Fotos (2): Prümen

Foto: Norbert Prümen

Im Radio ist die Stimme einer jungen Frau zu hören. Am 16. April 1945 strahlt die BBC im deutschen Programm einen der ersten Augenzeugenberichte aus den Konzentrationslagern aus. Es spricht die 19-jährige Anita Lasker, die als 17-Jährige ins Konzentrationslager Auschwitz kam. „Die Auschwitzer Häftlinge, die wenigen, die geblieben sind, fürchten alle, dass die Welt nicht glauben wird, was dort geschehen ist“, sagt die junge Frau. „Dort hat man lebendige, gesunde Menschen lebend ins Feuer geworfen.“

Anita Lasker überlebte, weil sie im Mädchenorchester des Lagers Cello spielte. Davon erzählt das Kinderbuch „Du wirst gerettet werden“, das Barbara Kirschbaum, die bis 2020 die Museums- und Gedenkstättenpädagogik am NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln leitete, geschrieben hat. Die Bilder zu diesem Buch malte Lukas Ruegenberg. Er ist Benediktinermönch in der Abtei Maria Laach und Künstler, studierte unter anderem bei dem Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff und gründete den Verein „Kellerladen – Initiative für gemeinsame Arbeit“ in Köln mit.

Auf der Grundlage dieses Buches gestaltete der Grafiker Georg Bungarten die Ausstellung „Die Cellistin von Auschwitz“ des Vereins Kellerladen, die ab Sonntag im Kulturforum Franziskanerkloster in Kempen zu sehen ist. Die Illustrationen und kurzen Texte dazu zeigen, wie Anita und ihre Schwester Renate aufwachsen, erzählen von ihrer Widerstandsaktion, ihrem Leben in den Konzentrationslagern Auschwitz und Bergen-Belsen – und ihrem Überleben. Im Rahmen der Ausstellung ist im Kulturforum auch die beeindruckende Ansprache von Anita Lasker vom 16. April 1945 zu hören sowie ihre Rede im deutschen Bundestag vom 31. Januar 2018.

Man kann dort im Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters langsam an den Postern entlanggehen, die Bilder betrachten, den Kindern die kurzen Texte vorlesen oder sie selbst lesen lassen. Man kann die Karten, die dort ausliegen, nutzen, um Fragen zu beantworten: Was ist eigentlich ein Jude? Wer war Adolf Hitler? Was sind Konzentrationslager? Die Stadt Kempen hofft, dass auch Lehrer Interesse haben, die Ausstellung mit ihren Schülern zu besuchen. „Deshalb war es uns so wichtig, die Ausstellung jetzt noch vor den Ferien anzubieten“, sagt Kulturamtsleiterin Elisabeth Friese. Bis zum 26. Juni ist die Ausstellung „Die Cellistin von Auschwitz“ in Kempen zu sehen. Die Stadt will die Schulen darüber informieren, für Lehrer soll es außerdem einen Workshop mit Barbara Kirschbaum geben, um das Thema den Schülern im Unterricht näherzubringen. Für Kinder und Jugendliche ist der Eintritt ins Museum frei, Erwachsene zahlen zwei Euro Eintritt.

 In Illustrationen und Texten erzählt die Ausstellung „Die Cellistin von Auschwitz“ die Geschichte von Anita Lasker-Wallfisch und ihrer Schwester Renate.

In Illustrationen und Texten erzählt die Ausstellung „Die Cellistin von Auschwitz“ die Geschichte von Anita Lasker-Wallfisch und ihrer Schwester Renate.

Foto: Norbert Prümen

Einen Einblick in das jüdische Leben in Deutschland im Laufe von 1700 Jahren gibt eine zweite Ausstellung, die ebenfalls am Sonntag eröffnet wird und dann auch bis zum 26. Juni in den angrenzenden Museumsräumen zu sehen ist. Die Schau „Gesichter und Geschichten – Jüdisches Leben in Deutschland“ des Miqua, LVR-Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln zeigt auf Postern, wie sich das jüdische Leben in Deutschland am dem Jahr 321 entwickelte, als das Edikt des römischen Kaisers Konstantin den Juden den Zugang zu städtischen Ämtern im Kölner Stadtrat erlaubte. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen bedeutende und weniger bekannte Persönlichkeiten, die mit ihren Biografien und Lebenswegen markante Ereignisse und Epochen jüdischer Geschichte in Deutschland widerspiegeln, etwa der Warenhaus-Unternehmer Leonhard Tietz, die Schauspielerin Dora Gerson und der Rapper Ben Salomo.

Ausgehend von dem Edikt des Kaisers Konstantin 321, das als frühester Nachweis jüdischen Lebens in Mitteleuropa gilt, wurde im vergangenen Jahr in vielen Städten an 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland erinnert. Jeyaratnam Caniceus (Fraktion ÖDP/Linke) sei auf sie zugekommen und habe gefragt, ob eine Ausstellung zum Thema nicht auch in Kempen möglich sei, berichtet die Vorsitzende des Kempener Kulturausschusses, Heike Höltken (CDU). CDU, Grüne, SPD, FDP, Freie Wähler und ÖDP/Linke beantragten schließlich gemeinsam, die Ausstellung nach Kempen zu holen – was dann nicht möglich war, wie Höltken erinnert. Denn für die große Präsentation fehlte zum einen der Platz, zum anderen das Geld: Rund 30.000 Euro waren damals für die große Ausstellung im Gespräch, zu viel fürs Kempener Kulturbudget. Jetzt ging es doch günstiger: Für 2500 Euro kann die Stadt Kempen nun beide Ausstellungen zeigen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort