Kempen „Äußern können, dass wir etwas wert sind“

Kempen · Unter der Leitung von zwei Künstlerinnen bringt in der Kempener Realschule eine Gruppe von Jugendlichen ein anspruchsvolles Stück auf die Bühne. Darin geht es um Selbstfindung, um Schein und Sein und um die eigene Identität.

 In der Aula der Erich Kästner Realschule in Kempen proben Schüler für die Aufführung des Musicals „Ich“.

In der Aula der Erich Kästner Realschule in Kempen proben Schüler für die Aufführung des Musicals „Ich“.

Foto: Wolfgang Kaiser

„Ihr müsst jetzt versuchen, den Einsatz selbst zu finden!“, sagt Sonja Kandels. Die Musiklehrerin, einem breiten Publikum im In- und Ausland als Jazzsängerin aus Kempen bekannt, leitet eine Probe. Vor ihr auf der Bühne der Kempener Erich Kästner Realschule sitzen 13 Jugendliche. Sie sind zwischen 15 und 17 Jahren  alt. Abwechselnd und in genau abgestimmtem Rhythmus klatschen sie ihre Hände auf den Bühnenboden, den eigenen Oberkörper, die Schenkel. Eine Body-Percussion nennt man das – eine Klangerzeugung auf dem eigenen Körper mit Händen und Fingern. Von der Dynamik des Klopf-Chors getragen, setzen nun ein Mädchen und ein Junge zum Sprechen an. Mitten im Halbkreis der anderen stehen sie, mit dem Gesicht zum Publikum, rufen abgerissene Sätze: „Es ist mir völlig egal, was andere über mich denken!“ „…so lange sie gut von mir denken!“

Was andere über einen denken sollen, wie man aber stattdessen wirklich ist – das ist eines der Themen, die in dem Musical angerissen werden, das hier entsteht. „Ich“ heißt das Stück. Acht Mädchen und fünf Jungen aus den Klassen neun versuchen sich an einer anspruchsvollen Thematik: „Was macht mich aus, und was möchte ich sein?“ Mit selbst verfassten Texten und kreativen Ausdrucksformen wie der Body-Percussion und Sprechchören, mit Choreographien, Sprachcollagen und Songs wollen sie darstellen, was Jugendliche auf dem Weg zur eigenen Persönlichkeit umtreibt. Vorarbeiten zu dieser anspruchsvollen Gedankenarbeit haben sie zu Beginn des Schuljahres mit Übungen zur Selbstfindung geleistet – unter Leitung von Susanne Stangl, der anderen Leiterin dieses Theaterprojekts, einer Schauspielerin und Hörfunk-Sprecherin aus Köln. Da haben sie Gegenstände beschrieben, die charakteristisch für sie sind, haben geübt, Wert schätzend über sich selbst zu sprechen. Dies ist das sechste Stück, das Stangl und Kandels mit Jugendlichen an der Realschule inszenieren.

Dreien von ihnen bietet sich eine besondere Herausforderung: Die Integration in eine fremde Kultur. Elias und Fardin aus Afghanistan und Mohamed aus Guinea spielen engagiert mit.

Ein Stück mit Tiefgang: An einer abstrakten Skulptur platzieren die Schauspieler Dinge, die für sie stehen. Sie bilden Kreise, um Raum für ihr Selbstbewusstsein zu schaffen. „Ich finde es gut, dass  wir hier äußern können, dass wir etwas wert sind“, sagt Paula Kepen (Klasse 9 e). „Jugendliche sind oft zu unsicher, um das zu sagen.“ Auf dem Höhepunkt der Handlung trägt jeder aus dem Team einen kurzen Text vor, den er sich ausgesucht hat. „Ein einziges Wort kann ein Herz öffnen“, sagt Steffi Bentele aus der Klasse 9 a: „Ich habe vielleicht nur ein Zündholz, aber ich kann eine Explosion erzeugen.“ Das stammt aus dem „Fight song“ von Rachel Platten, der amerikanischen Sängerin und Songschreiberin. Und Fardin zitiert: „Da ist jemand oben, der ist immer mit dir“. Er meint damit Gott und fährt fort: „Nimm dein Herz und flieg zu den Wolken. Sei auch mal so wie er – ein alleiniger Gärtner.“ Das hat er in einem alten persischen Volkslied gefunden. Susanne Stangl hat die Zitate der Jugendlichen zu einer Toncollage zusammengefasst.

Die Aufführung ist am kommenden Donnerstag, 28. Juni, um 19 Uhr in der Aula der Realschule. Der Eintritt kostet zwei Euro für Schüler und vier Euro für Erwachsene. Die Abendkasse ist ab 18.30 Uhr geöffnet.

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