Fakten & Hintergrund - Quartiersentwicklung Hagelkreuz Von der Schmökerbude zum Repair-Café

Kempen · Das Quartiersprojekt Hagelkreuz hat bereits vielfältige Akzente in dem Kempener Stadtbezirk gesetzt. Gemeinsam mit dem Quartiersentwickler Ingo Behr haben die Bewohner ihr Wohnviertel positiv entwickelt. Aus Sicht der Stadt ist dies ein großer Erfolg.

 Im „Café Wackelkontakt“ geht Carsten Severens (2.v.l.) mit seinen ehrenamtlichen Mitstreitern dem einen oder anderen Wackelkontakt eines Elektro-Gerätes auf die Spur.

Im „Café Wackelkontakt“ geht Carsten Severens (2.v.l.) mit seinen ehrenamtlichen Mitstreitern dem einen oder anderen Wackelkontakt eines Elektro-Gerätes auf die Spur.

Foto: Norbert Prümen

Wenn Ingo Behr die Projekte aufzählen will, die alle im Wohnquartier Hagelkreuz laufen, dann dauert das eine ganze Weile. Denn es sind im Laufe der vergangenen fünf Jahre etliche geworden. „Die Bürger hier sind unheimlich engagiert, und es bedarf nur eines kleinen Anstoßes, der ganz viele gute Ideen auslöst“, lobt der Quartiersentwickler für den Kempener Stadtbezirk. Da gibt es die Senioren in Bewegung, die sich jeden Dienstag im Pfarrheim bei fachlicher Begleitung zur Sitzgymnastik treffen genauso wie die „Sonntagsdiebe“, die einmal im Monat und zwar sonntags in einem jeweils anderen Café zusammenkommen und für zwei Stunden klönen und Kaffee trinken.

Das Angebot der Schmökerbude, der offene Malkreis, das Repair-Café „Wackelkontakt“, die Freizeit im Hagelkreuz mit ihren vielseitigen sportlichen Angeboten oder der Oma-und-Opa-Service, bei dem kein Großeltern-Babysitter vermittelt wird, sondern vielmehr Familienkontakte mit Anschluss entstehen – wer im Hagelkreuz lebt, der trifft auf eine Fülle von Angeboten und Aktivitäten. „Wobei wir beim Oma-und-Opa-Service weitere Großeltern suchen. Die Nachfrage ist nämlich sehr groß“, berichtet Quartiersentwickler Behr.

 Quartiersentwickler Ingo Behr will, dass das Leben im Kempener Hagelkreuz bunter wird. Viele Anwohner ziehen bei dem Projekt mit.

Quartiersentwickler Ingo Behr will, dass das Leben im Kempener Hagelkreuz bunter wird. Viele Anwohner ziehen bei dem Projekt mit.

Foto: Wolfgang Kaiser

Die meisten Senioren der Stadt

Seinen ersten offiziellen Arbeitstag hatte Ingo Behr am 15. November 2015. „Es war ein Sonntag, und in Kempen gab es den ,Markt der Möglichkeiten’. Ich habe mich bei den verschiedenen Organisationen erst einmal als der neue Quartiersentwickler vorgestellt“, erzählt Behr. Im Vorfeld hatte es drei Workshops der Stadt mit Kempener Sozialpolitikern gegeben, die sich mit dem Thema Quartiersentwicklung beschäftigten. Vor dem Hintergrund, dass Fördermittel vom Land zur Verfügung gestellt werden konnten, entschieden sich Stadt und Politik für ein Quartiersprojekt im Hagelkreuz, zumal das Wohnviertel damals schon eine Besonderheit aufwies: Hier leben die meisten Senioren im gesamten Kempener Stadtgebiet. Das Hagelkreuz ist nämlich nicht nur einer der grünsten Stadtbezirke in Kempen. Auf einer Fläche von knapp einem Quadratkilometer gibt es 2300 Haushalte. 5100 Bürger leben in diesem Quartier, wovon 1400 Bewohner älter als 65 Jahre sind.

Das Leben bunter gestalten

„Quartiersentwicklung hat nichts mit Defiziten eines Viertels zu tun. Vielmehr geht es darum, das Leben in einem Quartier bunter zu machen. Es gilt, den Charakter eines Stadtteiles zu unterstützen und zu stärken“, betont Ingo Behr. Und genau damit hat er 2015 begonnen. Um die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger kennenzulernen, stellte er zunächst eine Wünsche-Box auf. Bürger konnten hier ihre Wünsche und Anregungen für Verbesserung ihres Wohnumfeldes und spezielle Angebote loswerden.

Es folgten in enger Kooperation mit der Stadt die ersten Umsetzungen der Wünsche. Es wurden beispielsweise mehr Bänke in den Grünanlagen aufgestellt, die nicht mehr genutzte Bushaltestelle an der Max-Planck-Straße wurde abgebaut. Die Installation eines Aufzuges an einem der Mehrfamilienhäuser der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft für den Kreis Viersen (GWG) ist ebenfalls auf das Engagement im Quartiersprojekt zurückzuführen.

Darüber hinaus bildeten sich Arbeitsgruppen, die verschiedene Projekte angingen und bis heute weitgehend eigenständig betreuen. Ob die im Juni 2017 mit Unterstützung der Stadtwerke aufgestellte Schmökerbude, bei der pro Monat 400 bis 500 Bücher die Runde machen, oder der auf Initiative des Ratsherrn Jeyaratnam Caniceus in den Sommerferien aufgebaute Sandkasten mitten auf dem Concordienplatz, wo nicht nur die Kinder Spaß haben, sondern Eltern die Möglichkeit erhalten, sich kennenzulernen und auszutauschen – fast alle Angebote werden gut angenommen. Dazu gehört auch der Tauschring, bei dem jeder seine persönlichen Talente und Ressourcen in die Gemeinschaft einbringen kann und bei der der „Kempa“ als Währung gilt. „Bei all diesen Projekten kommt das gute Zusammenspiel vom städtischen Quartiersprojekt mit den Anwohnern im Viertel und weiteren Akteuren, die sich engagieren, zum Tragen“, betont Ingo Behr.

Urban Gardening

Zu den neuen Projekten, die gerade angelaufen sind, gehört das Urban Gardening. Auf einer Fläche an der Ecke Nansenstraße/Elsa-Brändström-Straße entsteht eine kleine Garteneinheit mit sieben Hochbeeten. Jedes der Hochbeete ist einem Nutzer zugeteilt. Dazu gehören Gruppen, Kindergärten und Privatpersonen. „Zwei Hochbeete sind noch frei. Diese können wir derzeit noch an interessierte Bürger vergeben“, erklärt Behr. Jeder kann sein Beet nach eigenen Wünschen mit Kräutern oder Gemüsepflanzen bestücken und entsprechend dort auch ernten.

Das rund 60 Quadratmeter große Quartiersbüro am Concordienplatz bezeichnet Behr als die Kommunikationszentrale des Projektes. Es ist der Ort, wo sich die Netzwerker treffen. Dazu kommt in jedem Quartal das Treffen vom so genannten Forum Hagelkreuz im benachbarten Pfarrheim. Jeder Anwohner ist eingeladen, dort eigene Ideen und Vorschläge für das Hagelkreuz einzubringen. Die finanzielle Förderung des Landes ist im November 2018 ausgelaufen. Seither ist das Quartiersprojekt fester Bestandteil der Sozialraumarbeit der Stadtverwaltung.

Dass die Angebote an sich nicht nur gut genutzt werden, sondern sich auch viele Bürger dafür interessieren, was im Hagelkreuz passiert, zeigen die Klicks auf der hauseigenen Internetseite. Die Seiten existieren seit Mitte September 2016, und es gab bislang knapp 60.000 Klicks, das sind über 50 Klicks pro Tag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort