Modru Flugroute nicht mehr über St. Tönis

Tönisvorst · Die Navigation der vom Düsseldorfer Flughafen aus startenden Flugzeuge wird im Herbst auf Digitaltechnik umgestellt. Die Route führt dann nicht mehr über St. Tönis, sondern über das Gewerbegebiet Tempelshof.

Ab Herbst fliegen Flugzeuge ab Düsseldorf nicht mehr über St. Tönis - "Modru"
Foto: RP-Grafik

„Es gibt keine schnellen Lösungen. Wir müssen an den Verbesserungen schrittweise arbeiten im Sinne des Lärm- und Klimaschutzes.“ Das sagt der Tönisvorster Bürgermeister Thomas Goßen mit Blick auf Modru. So heißt die 2002 eingeführte Abfluglinie ab Airport Düsseldorf, die seitdem auch das Tönisvorster Stadtgebiet tangiert. Heißt konkret: Bis zu 111 startende Maschinen täglich überfliegen zu Spitzenzeiten in gut 2000 Metern Höhe St. Tönis, vor allem frühmorgens ab 6 Uhr, aber auch wegen der chronischen Flugverspätungen in Lohausen bis in die Nacht hinein. Durch die im Herbst 2020 eingeleitete Umstellung auf digitale Flugnavigation ändern sich die Rahmenbedingungen für Modru – was wiederum Auswirkungen auf die betroffenen Kommunen hat.

Im Tönisvorster Fachausschuss hat Bürgermeister Goßen die Modru-Anpassung auf RNP1 – so heißt die neue satellitengestützte Navigationstechnik – kürzlich vorgestellt. Der 49-Jährige ist seit sechs Jahren auch Vorsitzender in der Fluglärm-Kommission Düsseldorf. In diesem Gremium sitzen einerseits die Kommunen, die von Modru betroffen sind. Linksrheinisch sind dies neben Tönisvorst und Krefeld noch Willich, Kaarst, Meerbusch und Neuss. Andererseits finden auch die Bürgerinitiativen über die Bundesvereinigung gegen Fluglärm Gehör. „Die Kommission hat aber nur beratende Funktion, wir berichten dem NRW-Verkehrsminister“, so Thomas Goßen, der selbst im betroffenen Gebiet St. Tönis lebt.

 In Meerbusch beträgt die Flughöhe startender Flugzeuge noch deutlich unter 2000 Meter.

In Meerbusch beträgt die Flughöhe startender Flugzeuge noch deutlich unter 2000 Meter.

Foto: Flighafen Düsseldorf

Was bedeutet satellitengestützte Nagivation?

Durch den Einsatz der digitalen Technik sind die Flugrouten präziser zu fliegen – im Fachjargon „optimiertes Fliegen“. Das heißt, der „Hafenvorhang“, wie Goßen es nennt, wird zusammengezogen auf eine Linie. Mit anderen Worten: Die Piloten können besser die Spur halten. Ob dies auch in der Realität so ist, können die Bürger frühestens ab 2021 seriös entscheiden. RNP1 wird am 13. August 2020 in Betrieb genommen. Im Herbst werden erst zehn Prozent der Flüge satelliten-navigiert sein. In der Vergangenheit hatten die St. Töniser dieses Gefühl: Mal fliegt ein Jet über dem Kirchturm, mal über dem Real-Markt, mal über dem Oriental Garden.

Was ändert sich durch das neue Modru?

Die Doppelkurve, die die Flieger ab Düsseldorf über Meerbusch, Kaarst, Willich und Tönisvorst beschreiben, wird flacher und damit kürzer – von 89 auf 70 Kilometer. Und sie führt nicht mehr nördlich über Kempen, sondern südlich von Kempen und schwenkt dann ab Richtung Lobberich/Süchteln. Für Goßen bringt das zwei Vorteile mit sich: weniger CO2-Ausstoß durch die Treibstoff-Ersparnis und nicht mehr über St. Töniser Wohngebiet, sondern übers Gewerbegebiet Tempelshof.

Wird Modru zweispurig?

Diese Gefahr besteht laut Thomas Goßen definitiv nicht: „Es wird keine schleichende Kapazitätserweiterung geben.“ Die Jets fliegen hintereinander, nicht nebeneinander wie auf der Autobahn. Quantitativ bleibe es bei den bisherigen Flugbewegungen.

Warum überhaupt Modru?

Wenn die Düsseldorf-Flieger in den belgischen Flugraum eindringen, müssen sie eine gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe haben. Sprich, über dem Funkfeuer „Modru“ bei Heinsberg müssen es 21.000 Fuß – also 6400 Meter – sein. Der Grund sind Sicherheitsvorschriften wegen der dann nahenden Airports Lüttich und Brüssel, aber auch militärische Gründe. Die vorgeschriebene Flughöhe schaffen die Jets aus der Landeshauptstadt nicht binnen 50 Kilometern Luftlinie, deshalb müssen sie eine Doppelkurve durch die Kreise Neuss, Viersen und Heinsberg nehmen.

Wie betroffen ist Tönisvorst?

Während die strahlengetriebenen Flugzeuge über dem Forstwald noch rund 1669 Meter Höhe haben, sind es in St. Tönis bereits über 2000 Meter. Vorst wird so gut wie gar nicht tangiert.

Gibt es in Tönisvorst eine Bürgerinitiative gegen Modru?

Anfangs ja, weil Tönisvorst erst durch Modru von Überfliegern betroffen war und das Lärmthema vom Himmel in die Häuser fiel. Allerdings sind die Düsseldorf-nahen Kommunen Meerbusch und Kaarst weitaus belasteter, weil dort die Flughöhe noch deutlich unter 2000 Metern liegt.

Ist Modru in Tönisvorst ein Aufregerthema?

Nach Einschätzung von Bürgermeister Goßen nicht. Zwar werde man „an der Brötchentheke“ auf Modru angesprochen. Aber die Haltung sei eher „Ablehnung mit Augenmaß“ denn Wut und striktes „weg damit“. In Zeiten, in denen fast jeder fliegt – ob in den Urlaub oder auf Geschäftsreise – und der Airport Düsseldorf ein Wirtschaftsfaktor ist, könne man nicht sagen: Wasch mir das Fell, aber mach mich nicht nass. Thomas Goßen betont aber, dass er großes Verständnis hat für die Bürgerinitiativen in Kaarst und Meerbusch. Die Zusammenarbeit in der Kommission sei „konstruktiv“.

Wie ist die generelle Haltung in der Kommission?

Das Gremium hat grundsätzlich eine kritische Haltung zu Modru. Die Kommission wünscht sich, dass die Piloten steiler starten, so dass die Ortschaften weniger belastet sind. Thomas Goßen: „Wir müssen mit Bauchschmerzen mit Modru leben.“ Bezüglich der Umstellung auf Digitaltechnik hat die Kommission NRW-Minister Hendrik Wüst „Akzeptanz“ signalisiert, weil damit – zumindest auf dem Papier – Verbesserungen für die Bürger einhergehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort