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Kamp-Lintfort Mit 80 Jahren auf der Flucht nach Deutschland

Kamp-Lintfort · Ilhalm Hamsa kam aus dem Irak nach Deutschland. In ihrer Heimat musste die orthodoxe Christin Repressalien erdulden. Zurzeit wird sie im Caritas-Seniorenheim in Kamp-Lintfort betreut.

 Das Spiel mit dem Luftballon macht auch Sandra Hartmann Spaß. So erreicht sie Ilham Hamsa auch ohne viele Worte.

Das Spiel mit dem Luftballon macht auch Sandra Hartmann Spaß. So erreicht sie Ilham Hamsa auch ohne viele Worte.

Foto: Fotos Caritasverband/Sabrina Schürings

Wer die kleine, grauhaarige Frau mit den wachen Augen sieht, der kann nicht ahnen, was für eine bewegte Lebensgeschichte sie hinter sich hat. Ilham Hamsa (Name geändert) ist 83 Jahre alt, hat die meiste Zeit ihres Lebens im Irak verbracht. Nun wohnt sie in einem Seniorenheim des Caritasverbands Moers-Xanten in Kamp-Lintfort, zumindest übergangsweise. Eigentlich lebt sie seit einem Jahr bei ihrer Tochter, die allerdings ins Krankenhaus musste und sich nun nicht um ihre Mutter kümmern kann - Ilham Hamsa ist demenzkrank.

Fast scheint es wie ein Wunder, dass die nur mühsam, mit kleinen Schritten laufende Frau es geschafft hat, aus dem Irak nach Deutschland zu kommen. Dem Land, das zwar ihre Heimat ist, in dem sie aber wegen ihres christlich-orthodoxen Glaubens Repressalien erdulden musste, in dem sie mit ansehen musste, wie Familienmitglieder brutal ermordet wurden. Ihre Familie, mittlerweile in der halben Welt verstreut, hatte Geld gesammelt, um Schleuser zu bezahlen, musste die Mutter schließlich in die Obhut der Fremden übergeben. Nach Tagen der Ungewissheit kam schließlich der erlösende Anruf: Ilham Hamsa war in Deutschland angekommen. Trotz Osteoporose, trotz Arthritis, trotz Demenz. Zunächst wurde sie in eine Notunterkunft aufgenommen, musste in einem Zelt schlafen, es bildete sich eine Thrombose. Der Arzt entschied, dass sie nicht mehr in einem Zelt leben könne. So wurde Ilham Hamsa mit dem Krankenwagen nach Kamp-Lintfort gebracht, wo sie bei ihrer Tochter einziehen konnte. Vor Ort halfen Ärzte der Familie, damit sie die kranke Mutter so gut wie möglich pflegen konnten.

Ilham Hamsa, die im Irak als Grundschullehrerin gearbeitet hat, sprach einst mehrere Sprachen, Deutsch hatte sie jedoch nicht gelernt. Durch die Demenz vermischen sich die Sprachen, werden unverständlich. Entsprechend groß war die Sorge bei Familie und Pflegepersonal: Würde sich die Seniorin in der Kurzzeitpflege zurechtfinden, in einer fremden Umgebung mit Menschen, die nicht ihre Sprache sprechen? Sandra Hartmann, Pflegefachkraft im Seniorenheim der Caritas, lächelt: "Unser Team mag solche Herausforderungen, wir haben uns schon vor dem Einzug Vokabeln ausgedruckt."

Tatsächlich zeigte sich, dass die Verständigung über sämtliche sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg mit einfachen Mitteln am Besten gelingt. Und so hat sie sich wie selbstverständlich in das Leben auf der Station integriert. "Besonders gerne macht sie bei Ball- oder Luftballonspielen mit, wir haben schon fröhlich zu Musik geschunkelt und beim Essen ist sie immer pünktlich dabei", erzählt Hartmann. Auch die anderen Bewohner der Demenzstation akzeptieren die neue Mitbewohnerin, auch wenn sie manchmal nachts noch über den Gang läuft. "Sie hat im Irak in einem großen Haus mit mehreren Generationen gelebt", hat Hartmann erfahren, "daran scheint sie unsere Station zu erinnern."

Dennoch gebe es, wie bei allen Menschen, auch bei Ilham Hamsa manche Tage, an denen das Leben nicht ganz so leicht fällt. Dann kann sie die Kapelle besuchen, die Familie betet mit ihr. "Die Religion ist ihr sehr wichtig", sagt Hartmann, "jeden Morgen küsst sie das Kreuz, das um ihren Hals hängt. Sie geht zu den Gottesdiensten und verfolgt sie aufmerksam, auch wenn sie die Worte nicht versteht. Die Symbolik aber erkennt sie."

(RP)
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