Ernüchterung nach Treffen mit Wirtschaftsministerin in Kamp-Lintfort Forderung nach einem Teilplan „Kies und Sand“ läuft ins Leere

Kamp-Lintfort · Wie hoch die Erwartungen der Bürger an die Diskussion mit Ministerin Mona Neubaur über den Kiesausstieg auch immer waren: Der Diskussionsverlauf am Dienstag sorgte für Ernüchterung. Ein Kompromiss ist nicht näher gerückt. So verlief die Diskussion mit der Wirtschaftsministerin in Kamp-Lintforter Schirrhof.

Niederrheinappell und Naturschutzverbände diskutierten mit Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (3.v.l.) in Kamp-Lintfort.

Niederrheinappell und Naturschutzverbände diskutierten mit Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (3.v.l.) in Kamp-Lintfort.

Foto: Norbert Prümen

Ihre Zeit war knapp bemessen: Gut eine Stunde diskutierte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur am Dienstagabend in Kamp-Lintfort mit den vom Kiesabbau betroffenen Bürgern. Das Signal, das sich die rund 200 Teilnehmer von ihr erhofft hatten, blieb sie ihnen jedoch schuldig. Die immer wiederkehrende Frage, warum es nicht möglich sein soll, den Bereich „Kies und Sand“ aus dem Regionalplan herauszulösen und dem Verfahren so den Zeitdruck zu nehmen, umging die Ministerin in ihren Antworten. Sie machte keine Zugeständnisse. Stattdessen verwies sie darauf, dass sich die Landesregierung auf einen Degressionspfad machen will, dies erstmals in einem Koalitionsvertrag Einzug gehalten habe, sowie auf die geplante Rohstoffabgabe, die 2024 kommen soll. „Das ist ein Novum. Das ist Ihr Erfolg“, betonte Neubaur und erklärte weiter: „Wir sitzen zurzeit daran, die Eckpunkte für den Landesentwicklungsplan diesen Sommer festzulegen.“ Ihre Gesprächspartner auf dem Podium und aus der Bürgerschaft ließen allerdings nicht locker.

Bürgermeister Christoph Landscheidt nutzte allen voran die vom Aktionsbündnis Niederrheinappell und von Naturschutzverbänden organisierte Diskussionsveranstaltung mit der Ministerin, um den Forderungen von Bürgern, Initiativen und Kommunen Nachdruck zu verleihen. „Wir befinden uns in einer schwierigen Entscheidungsphase“, sagte er mit Blick auf das fortschreitende Regionalplanverfahren. So sei zwar vor Gericht die Verkürzung der Versorgungszeiträume von 25 auf 20 Jahre erstritten worden. Das reiche bei weitem aber nicht aus.

„Es geht noch immer um Hunderte Hektar für die Auskiesung“, sagte er und betonte, dass jetzt die Möglichkeit bestehe, den Regionalplan nicht in der aktuellen Form zur Geltung zu bringen, sondern als Kompromiss den Bereich Sand und Kies zuerst herauszulösen. Landscheidt verwies auf ein Rechtsgutachten, das diese Möglichkeit sehrwohl bestätige. „Wir bitten Sie, diesen Weg des Kompromisses mit uns gemeinsam zu beschreiten. Wir erwarten ein Ausstiegsszenario aus dem Kiesabbau und ein Enddatum.“ Landscheidt ließ am Dienstag das Argument „Wohnungsbau“ nicht gelten und verwies auf eine hohe Flächenzahl in der Region, die schon heute für mindestens drei Jahrzehnte Kiesabbau reichen würde.

Dirk Jansen, Geschäftsführer Umwelt- und Naturschutzpolitik beim BUND NRW, betonte: „Wir verfrühstücken unsere Zukunft. Was einmal weg ist, ist weg.“ Ohne ein Ausstiegsdatum würden tagtäglich in der Region Fakten geschaffen. Er formulierte in der Forderung nach einer Rohstoffstrategie und Rohstoffplanung seine Erwartungen ans Land NRW. „Wir müssen nachhaltig handeln, tun es aber nicht“, erklärte Jansen. Bis der Degressionspfad beschritten werden könne, habe die Regionalplanung längst Fakten geschaffen. „Es kann nicht sein, dass wir dies über den Klageweg klären müssen“, betonte denn auch Dirk Jansen. Christian Chwallek, stellvertretender Landesvorsitzender des Nabu NRW, erinnerte daran, dass der Kies-Euro bereits einmal in einem Koalitionsvertrag gestanden habe. „In einem rot-grünen. Es müssen jetzt auch Taten folgen“, sagte er.

Der Niederrhein gehöre zu den landwirtschaftlich starken Regionen in NRW. „Wir lassen uns unsere Ernährungsgrundlage weggraben“, führte er als Argument an. Simone Spiegels, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Niederrheinappell, machte in ihrem Redebeitrag deutlich, dass es den Mitgliedern nicht ausreiche, im neuen LEP nur die Versorgungszeiträume herunterzuschrauben. „Wir brauchen keine Maniküre. Wir brauchen eine OP.“ Das Aktionsbündnis vermisse ein lenkungswirksames Ziel, was die Mengen betrifft. „Und das hat nichts mit Bedarfsermittlung zu tun. Es geht hier nicht darum, Bedarf zu befriedigen.“ Außerdem seien Kies und Sand wichtige Trinkwasserfilter.

Bevor sich Wirtschaftsministerin Mona Neubaur gegen 21.10 Uhr zu einem Anschlusstermin aufmachte, verwies sie auf die Möglichkeit, mit der Aufstellung des Regionalplanes einen Begleitantrag zu diskutieren, der als Revisionsklausel beim Abgrabungsgeschehen einen Abgleich mit dem neuen LEP sicherstellen könne. Und sie schlug vor, „den sozialen Dialog“ mit der Kiesindustrie als ein Instrument wieder zu vertiefen – um so zu gemeinsamen Lösungen zur „Befriedung in der Region zu kommen.“ Vertreter der Kiesindustrie, die am Dienstag an der Veranstaltung teilnahmen, griffen diesen Vorschlag im Nachgang in einer Pressemitteilung auf.

 Kamp-Lintfort, Niederrheinappell und Naturschutzverbände luden zur Podiumsdiskussion mit Mona Neubaur ein

Kamp-Lintfort, Niederrheinappell und Naturschutzverbände luden zur Podiumsdiskussion mit Mona Neubaur ein

Foto: Norbert Prümen

„Wir unterstützen die Auffassung von Mona Neubaur und dem BUND, dass es zur regionalen Rohstoffgewinnung einen sachlichen Dialog mit allen Beteiligten braucht und dass man gemeinsame Lösungen finden sollte. Weitere Abende, bei denen Kiesgegner mit sich selbst diskutieren, helfen da nicht weiter“, erklärte Sascha Kruchen, Geschäftsführer von „Zukunft Niederrhein“, eines Zusammenschlusses der Kies-Industrie, in der Pressemitteilung. Neubaur sei als Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie verantwortlich. Und alle diese Bereiche würden auch in weiter Zukunft nicht ohne Sand und Kies auskommen. „Ein Ausstieg aus der regionalen Rohstoffgewinnung würde ein Ausstieg aus dem Industriestandort NRW und auch aus der Energiewende werden. Das kann man auch an einem Abend in Kamp-Lintfort nicht wegdiskutieren“, teilte Kruchen mit.

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