30 Jahre Mauerfall Wahl-Freundschaften

Die Kamp-Lintforter Familie Goß und die Neuzeller Familie Schmidt feierten am Samstag 30 Jahre Mauerfall und Freundschaft.

 Das Kamp-Lintforter Ehepaar Gertrud und Karldieter Goß richtete am Samstag das Jubiläumstreffen mit Familie Schmidt aus Neuzelle aus. Eingeladen waren auch Teilnehmer der ersten Begegnung gleich nach der Wende.

Das Kamp-Lintforter Ehepaar Gertrud und Karldieter Goß richtete am Samstag das Jubiläumstreffen mit Familie Schmidt aus Neuzelle aus. Eingeladen waren auch Teilnehmer der ersten Begegnung gleich nach der Wende.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Es war ein großes Umarmen, sich Freuen, Erinnern und Erzählen, was sich im Restaurant des Kolpinghauses an Samstag zutrug. Gertrud und Karldieter Goß hatten ihre Freunde aus Neuzelle und einen großen Teil ihrer Familie, die sie seit Mittwoch zu Gast hatten, zum Essen eingeladen. Dazu kamen einige der Menschen, die auch vor 30 Jahren im Zuge des Kirchernchorbesuchs aus dem brandenburgischen Neuzelle Gäste aufgenommen hatten. Theo Häsel war einer von ihnen. „Wir haben ein Ehepaar aufgenommen, der Kontakt hat sich bis heute über Telefonate zu Geburtstagen und Weihnachten gehalten.“ Für den 70-Jährigen ist der Mauerfall noch immer „ein großartiges Ereignis, das mich bewegt.“ Dass Menschen noch immer abfällig über „Dunkeldeutschland“ reden, ärgert ihn. „Da schreite ich ein und sage: Das finde ich nicht gut.“

Der damalige Leiter des „Ordensgeschichtlichen Museums Kloster Kamp“, Klaus Reinicke, hatte zu dem Tochterkloster in Neuzelle schon vor der Wende Kontakte geknüpft. Die friedliche Wende sei keine Selbstverständlichkeit gewesen, erinnerte er sich. „In der Zeit der Leipzig-Demos waren wir mit einer Schülergruppe da. Es herrschte eine angespannte Atmosphäre. Und als wir mit dem Pfarrer entlang der Grenze fuhren, sah man plötzlich Polizei und Militär.“

Unmittelbar nach dem Fall der Mauer lud er den Kirchenchor des Klosters in den Westen ein. „Wir waren vollauf begeistert, als Klaus sagte, die Grenze ist auf, kommt rüber“; erinnerte sich Viola Schmidt, damals eine junge Frau von 26 Jahren. Sie und ihre Mutter Karin kamen am 1. Dezember 1989 an . Dort erlebten sie ihren ersten Abstecher nach Venlo ohne Visum oder Ausweis, konnten für zehn Mark Bananen, Rotkohl, Tomaten und zwei Kilo Äpfel kaufen. „Das war eine Sensation für uns. Ich hab damals zehn Ostmark hingelegt“, erinnerte sich Karin Schmidt an die irritierten Blicke der Verkäufer. Herzhaft wurde gelacht über die „Bürgermeister“-Anekdote, als die Schmidts dachten, sie würden beim Bürgermeister wohnen. Dabei kamen sie an der „Bürgermeister-Schmelting-Straße“ unter. Lebendig schilderte Viola Schmidt die Situation, als man mit dem neu erworbenen Aldi-Farbfernseher für den kranken Vater die Grenze passierte. Seitdem besuchen sich die Familien gegenseitig zu Geburtstagen, Festen oder auch nur so. „Bei uns hat das Zusanmmenwachsen von Ost und West funktioniert – auch bis in die nächste Generation“, machte Gertrud Goß mit folgender Anekdote deutlich.

„Als kurz nacheinander beide Opas gestorben waren, sagte der kleine Benny, damals etwa fünf Jahre alt: „Aber wir haben doch noch den Opa Goß aus Kamp-Lintfort.“ Und die 1990 geborene Johanna wurde das Patenkind von Goß. „Das ist etwas Besonderes“, unterstrich die 29-Jährige. Sprüche wie „Die Mauer muss wieder hoch“ seien nicht vorstellbar, meinte Goß-Tochter Katja. „Für mich war klar, wenn die Teilung endlich überwunden wird, dass man sich freut.“

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