Keine Angst vor dem Jugendamt Dem Kind ein liebevolles Zuhause geben

Kamp-Lintfort · 90 Kinder leben zurzeit in Kamp-Lintfort in Pflegefamilien.Dort erfahren sie Schutz und liebevolle Zuwendung. Hilfe bietet der Pflegekinderdienst.

 Vor neun Jahren haben sich Wolfgang und Melanie Maruschke (links) entschieden, einem Pflegekind ein gutes Zuhause zu geben. Silke Klatt vom Pflegekinderdienst begleitet die Familie von Anfang an.

Vor neun Jahren haben sich Wolfgang und Melanie Maruschke (links) entschieden, einem Pflegekind ein gutes Zuhause zu geben. Silke Klatt vom Pflegekinderdienst begleitet die Familie von Anfang an.

Foto: Anja Katzke

„So schnell wird man Vater“, sagt Wolfgang Maruschke und lächelt verschmitzt. Vor etwas mehr als neun Jahren haben sich der Kamp-Lintforter und seine Ehefrau Melanie entschieden, ein Pflegekind aufzunehmen. Und das ging schneller, als das Ehepaar selbst erwartet hatte. „Wir waren auf einer Nil-Kreuzfahrt, als uns der Anruf vom Jugendamt erreichte“, erinnert sich Maruschke an die Zeit zurück, als er Vater wurde. „Wir wurden gefragt, ob wir einen Jungen aufnehmen würden. In acht bis zehn Tagen sollte es so weit sein. Maximilian war noch gar nicht auf der Welt.“

Nur kurz überlegte das Ehepaar, ob es wirklich die Verantwortung für ein fremdes Kind übernehmen möchte. „Auf jeden Fall“, lautete die Antwort. „Wir haben in wenigen Tagen alles klar gemacht: Meine Frau reichte bei ihrem Arbeitgeber mit der Ankündigung, nächste Woche ein Kind zu bekommen, Mutterschaftsurlaub ein.“ Es wurden Kindersachen eingekauft und ein Zimmer hergerichtet. Neun Jahre ist inzwischen her, dass Maximilian bei der Familie Maruschke ein liebevolles und gutes Zuhause fand.

So kurzfristig der Anruf des Jugendamtes die Maruschkes damals auch erreichte, der Vorlauf bei der Übernahme der Pflegschaft dauerte doch länger. Nachdem das Ehepaar mit der Bereitschaft, ein Kind aufzunehmen, Kontakt zum Pflegekinderdienst der Stadt Kamp-Lintfort aufgenommen hatte, wurde es von den Mitarbeitern zunächst Zuhause besucht. „Es wurden unsere Wohnverhältnisse gecheckt“, sagt Maruschke. Und geprüft, ob die künftigen Pflegeeltern in gesicherten Verhältnissen leben. Außerdem besuchte das Ehepaar eine Qualifizierung über alle rechtlichen und pädagogischen Aspekte, die mit der Vermittlung eines Pflegekindes zusammenhängen. Der Pflegekinderdienst ist ein Spezialdienst des Jugendamtes. Er betreut zurzeit 90 Pflegekinder in Kamp-Lintfort. Laut Jugendamt ist die Zahl weiterhin steigend.

„Die Kinder können aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr in ihren Herkunftsfamilien leben und haben in ihren neuen Familien ein Zuhause gefunden“, erläutert Silke Klatt vom Pflegekinderdienst. Sie stammen aus Familien, die durch Krisen und Probleme belastet sind und brauchen Schutz, positive Zuwendungen und verlässliche Pflegeeltern, zu denen sie positive Bindungen entwickeln können.

Pflegeeltern müssen keine erfahrenen Erzieher sein, aber das Kind so nehmen, wie es ist – mit seinen Bindungsängsten und seinem möglicherweise auch schwierigen Verhalten. Die fachliche Beratung erfolgt durch den Pflegekinderdienst, so dass die neue Familie bei Unsicherheiten nicht alleine ist. Sie erhält Beratung in Entscheidungsprozessen, Begleitung während der gesamten Betreuungszeit, Hilfe und Unterstützung in Konfliktsituationen sowie einen finanziellen Ausgleich. Pflegeeltern können diverse Hilfen für das Kind in Anspruch nehmen: Hilfe zur Erziehung, Integrationshelfer oder Gruppenangebote des Allgemeinen Sozialen Dienstes zum Beispiel. Die Hilfegespräche finden alle sechs Monate statt. „Wir betrachten die Entwicklung des Kindes, seine schulische Laufbahn und stecken die nächsten Ziele ab“, erläutert Silke Klatt. Wolfgang und Melanie Maruschke sind stolz auf ihren Pflegesohn: „Er ist unser Prinz, ein ganz charmanter, aber auch mit einer enormen Power ausgestattet. Er fordert unsere ganze Aufmerksamkeit“, sagt Melanie Maruschke. In der dritten Klasse sei er Klassenbester gewesen, betont Pflegevater Wolfgang. „Er ist sehr wissbegierig.“ Maximilian kennt seine leibliche Mutter. Es gibt regelmäßigen Besuchskontakt. „Er weiß, dass sie seine Mama ist, nimmt sie aber eher als Spielkameradin wahr“, erzählt Maruschke. Die Pflegeeltern sammeln deshalb alles, was für den Jungen wichtig ist, für den Fall, dass er mehr über seine Herkunftsfamilie wissen will. Sie haben dennoch eine Namensänderung beantragt. Maruschke: „Darüber hat sich Maximilian sehr gefreut. Jetzt heißt er wie wir. Und es werden keine Fragen mehr gestellt.“

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