Silvester Menschen 2020 Vier Jahrzehnte im Einsatz fürs Lesen
Für Katharina Gebauer bricht das letzte Berufsjahr als Leiterin der Mediathek an. Sie geht 2021 in Ruhestand. Ihre Nachfolgerin ist gefunden. 2020 wird ein Jahr des Übergangs sein – mit doppelter Spitze.
Die Berufsberaterin behielt Recht: „Werden Sie Bibliothekarin. Die werden gesucht!“, riet sie Katharina Gebauer als berufliche Perspektive nach dem Abitur. „Mir schwebte ein ganz anderer Beruf vor. Ich wollte Bühnenbildnerin werden – wie meine Schwester.“ Rückblickend sagt Katharina Gebauer aber: „Sie war eine gute Beraterin.“
Am 1. Dezember 2020 steht für die Leiterin der Mediathek in Kamp-Lintfort ein stolzes Jubiläum an: Dann ist sie 40 Jahre als Bibliothekarin in Kamp-Lintfort tätig. Es wird für sie zugleich ein Jahr des Umbruchs: Denn es ist das letzte Berufsjahr vor dem Ruhestand. „2021 höre ich mit 63 Jahren auf.“
Ihre Nachfolge ist geregelt, die Konstellation ist ungewöhnlich: Ab dem 1. Januar 2020 hat die Mediathek in Kamp-Lintfort quasi eine Doppelspitze. „So wird es ein gleitender Übergang“, erläutert Gebauer. „Ich ziehe mich langsam aus dem öffentlichen Bereich zurück und kümmere mich verstärkt um die Verwaltungsaufgaben. Und meine Nachfolgerin kann sich in Ruhe einarbeiten.“
Es ist eine auf Katharina Gebauer zugeschnittene Lösung, die da gefunden wurde: „2020 stehen für mich wichtige Behandlungen an. Deshalb ist es gut, dass wir jemanden gefunden haben“, sagt sie.
22 Jahre war sie alt, als sie 1980 ihre erste Bibliotheksstelle antrat, und zwar in Kamp-Lintfort. „Ich habe das Studium in Köln in der Mindeststudienzeit absolviert“, erzählt sie. Vier Stellen standen zur Auswahl. Sie schaute sich Kamp-Lintfort an und blieb. Bedauert hat sie dies nie: „Der Rückhalt im Kollegenkreis und in der Stadtverwaltung war immer groß“, sagt Gebauer. Damals, als sie die Stelle antrat, war die Bücherei noch in einem Gebäude an den Weißen Riesen untergebracht. Heute befindet sich in den Räumen ein Fitnessstudio. „Ich war überrascht, wie fortschrittlich die Bücherei eingerichtet war“, erinnert sich die Bibliothekarin. Die 1980er Jahre seien für Bibliothekare eine spannende Zeit gewesen, erzählt sie. Die Informationsfreiheit war damals die große Idee, die Informationsvermittlung in den öffentlichen Bibliotheken. Diese hätten ihr besonders zugesagt, weil man in direktem Kontakt mit den Menschen stehe. „Und sie kommen freiwillig.“
Ihr erster Einsatzort war die Kinder- und Jugendbibliothek. Noch heute liest Gebauer, die 2003 die Leitung der Stadtbücherei übernahm, gerne Kinder- und Jugendliteratur: Michael Ende zum Beispiel. „Es gibt da eine sehr schöne Biografie. Ein Autor, der bei Schülern heute gut ankommt, ist Tobias Steinfeld. Sein Roman ,Scheiße bauen‘ trifft den Nerv von Jugendlichen“, sagt Gebauer, die selbst mit acht Geschwistern aufgewachsen ist.
Mit der Einrichtung der Mediathek 2017 erfüllte sich für die Bibliothekarin der größte Berufstraum überhaupt. Am 6. März ging die Mediathek in Betrieb. „Sie ist heute das Ergebnis all der Erfahrungen, die wir über die Jahre gesammelt haben. Sie ist das Wohnzimmer unserer Stadt“, betont Gebauer und freut sich über den Zuspruch der Leserschaft. Der Wandel von der Stadtbücherei zum „Dritten Ort“ sei gelungen. „Es war viel Arbeit, die aber Früchte getragen hat“, sagt sie.
Dass besonders Kinder und Jugendliche ihre Zeit in der Mediathek verbringen und diese als Lernort nutzen, bestätigt die Leiterin, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. „Es finden Veranstaltungen statt, die wir früher nur außerhalb der Öffnungszeiten anbieten konnten. Und wir haben eine anregende Lernumgebung geschaffen.“
Viel Lob hat Katharina Gebauer für die Architekten übrig, die die Ideen der Mitarbeiter gut verstanden und umgesetzt hätten. „Unsere Besucher orientieren sich heute intuitiv in den Räumen. Das war unser Ziel.“
Eine wichtige Etappe, sagt die 61-Jährige, sei auch die Gründung des Vereins zur Förderung der Lesekultur (LesART) gewesen. „Wir arbeiten vorwiegend verwaltend. Und plötzlich waren Leute da, mit denen wir über die Bücher reden konnten. Das war eine schöne Erweiterung des Horizontes.“ Gemeinsam habe man viele Aktionen gestemmt, dazu gehören Reihen wie „Aufgelesen“, aber auch „Book meets Multimedia“. Die Leseförderung sei immer stärker in den Fokus gerückt.
Auch das Berufsbild des Bibliothekars habe sich geändert, betont Katharina Gebauer, die Betreuung der Leserschaft habe heute Priorität. Für dieses langjährige Engagement in Sachen Leseförderung erhielt Katharina Gebauer im Dezember die Bundesverdienstmedaille. Im Kreis Wesel werden pro Jahr nur sechs bis acht Menschen mit dieser besonderen Anerkennung gewürdigt. „Als ich den Anruf erhielt, konnte ich das gar nicht glauben“, sagt Katharina Gebauer. Doch es war wirklich wahr.