Streikversammlung in Kamp-Lintfort Handelsbeschäftigte legen Arbeit nieder

Kamp-Lintfort · Kamp-Lintfort war Standort einer zentralen Streikversammlung der Gewerkschaft Verdi. Handelsbeschäftigte machten sich dort für Tarifbindung und Digitalisierungstarifverträge stark.

 Rund 600 Beschäftigte nahmen am Dienstag an der Kundgebung in der Kamp-Lintforter Stadthalle teil.

Rund 600 Beschäftigte nahmen am Dienstag an der Kundgebung in der Kamp-Lintforter Stadthalle teil.

Foto: Norbert Prümen

Rund 600 Beschäftigte mehrerer nordrhein-westfälischer Groß-, Einzel- und Außenhandelsunternehmen haben sich am Dienstag zu einer Streikveranstaltung in der Kamp-Lintforter Stadthalle getroffen. Eingeladen hatte dazu die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft „ver.di NRW“, um auf diese Weise ihrer Forderung nach einer allgemeinen Tarifbindung und speziellen Digitalisierungstarifverträgen Nachdruck zu verleihen.

Wie erwartet, stammte der mit 450 Teilnehmern größte Teil der Streikenden aus der Rheinberger Niederlassung der Firma Amazon, die in den vergangenen Jahren mehrfach aus verschiedenen Gründen durch Streiks ihrer Mitarbeiter und des seit Jahren schwelenden Tarifstreit in den Blick der Öffentlichkeit geraten ist. Die anderen kamen aus den im Ruhrgebiet, dem Raum Köln und Düsseldorf sowie am linken Niederrhein ansässigen Groß- und Einzelhandelsbetrieben wie Esprit, TK Maxx, Smyth Toys, DLG Bofrost, IKEA und H&M. Während in den genannten Betrieben lediglich einen oder zwei Tage gestreikt wird, haben wegen der verstärkten Leistungsanforderungen anlässlich der vergangenen „Blackweek“-Sonderangebotswoche und des bevorstehenden Weihnachtsgeschäftes zahlreiche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von Amazon bereits am Mittwoch ihre Arbeit niedergelegt. „Ich bin jetzt in diesem Jahr genau zehn Jahre bei Amazon und habe in dieser Zeit viele Firmenentscheidungen mitgemacht“, berichtete Mitarbeiter Thorsten Abel in einer ersten Rede über seine Erfahrungen in der Rheinberger Firmenniederlassung. „Ständig wurden neue Pläne angekündigt. Zum Beispiel der Bau von Niederlassungen in Polen und der Tschechei, die dann zwar auch begonnen, aber bald wieder aufgeben wurden. Ein anderes Mal war ein komplett neues, ausschließlich von Robotern bedientes Auslieferungslager im Gespräch, was den bisherigen Lagermitarbeitern natürlich große Arbeitsplatzängste verursachte.“ All das habe zu einer ständigen Unsicherheit in der Belegschaft geführt. „Aber wahrscheinlich war das auch so beabsichtigt, um höhere Lohnforderungen, vor allem aber die Streikbereitschaft der Leute zu unterdrücken“, mutmaßte er.

Dieser Ansicht war auch der Landesgruppensprecher und neue Vertreter seiner Partei „Die Linke“ im Bundestag, Christian Leye. „Ihr kämpft gegen eine echte Sauerei in der Arbeitswelt“, sprach er den Streikenden aus der Seele. Firmen mit Tarifflucht als Geschäftsmodell würden sich Vorteile gegenüber anderen Firmen verschaffen und ihre Mitarbeiter gegeneinander ausspielen. „Früher nannte man das Ausbeutung, und das ist es heute auch noch“, so Leye. Der dritte und letzte Redner war der nordrhein-westfälische Gewerkschaftssekretär Georg Kaßler. „Den Arbeitgebern, die keine Tarifbindung zulassen, geht es schlichtweg immer nur um billige Löhne“, erklärte er. „Deswegen brauchen wir da eine allgemeinverbindliche Lösung, und nicht nur eine, in der die Arbeitgeber Sonderbedingungen wie zum Bespiel die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise für sich geltend zu machen versuchen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort