Literatur in Kamp-Lintfort Feierabend oder „Schlittschuhlauf auffem Flumkuchen“
Kamp-Lintfort · In der Mediathek trug Achim Dietz Geschichten in Ruhrdeutsch vor, um bei den Zuhörern Erlebnisse aus 60er und 70er Jahren wach zu rufen.
Als Onkel Hermann Opa Paul besucht, freut er sich über den samtweichen Teppichboden. Er liegt in einer dunklen Kammer neben der Küche, in der das Licht nicht funktioniert. Doch der samtweiche Teppichboden erweist sich als frischer Pflaumenkuchen, der später in Stücke geschnitten wird. Die Gäste der familiären Kaffeetafel lassen sich den Pflaumenkuchen munden und bemerken nichts. Bei späteren Familienfeiern gibt Onkel Hermann diese Anekdote immer wieder zum Besten, um sie jedes Mal weiter auszuschmücken. Am Ende läuft er Schlittschuh auf dem frischen Pflaumenkuchen.
Achim Dietz hat sein Buch nach dieser Anekdote genannt: „Als Onkel Hermann auffm Flumkuchen Schlittschuh lief“. Aus diesem Buch, das er im Selbstdruckverlag „epubli“ herstellen lies, las er am Montagabend „Ruhrdeutschgeschichten ohne Punkt und Komma“ vor, wie er seine Feierabendlesung in der Mediathek tituliert hatte. Passend zum Ruhrgebiet stimmten sich 50 Zuhörer mit Currywurst und Brötchen des Bistros 26 auf die Lesung ein. „Meine Oma und mein Opa wohnten in Essen“, erläutert der 57 Jahre Krefelder, der im Ratinger Stadtteil Lintorf aufgewachsen ist, warum er die Sprache des Kohlenpotts verwendet. „Diese Sprache kommt zurzeit gut an.“ In den Kohlenpott und an den Niederrhein verlegt er auch seine Geschichten, die sich so in den 1960er und 1970er Jahren ereignet haben könnten. Er „malt“ sie mit Worten, so wie er es beim neuseeländischen Schauspieler John Hudson gelernt hat, bei dem er in Köln eine Schreibwerkstatt besucht hat. „Ich schreibe Bilder“, beschreibt er seinen Stil. Die Zuhörer tauchen in eine warme, familiäre Atmosphäre ein, die übersichtlich ist und die sie ähnlich erlebt haben könnten. Bei einigen lösen sich Erinnerungen, die sich wie Gasblasen in einem Glas Mineralwasser an die Oberfläche bewegen, beispielsweise bei der Geschichte über einen Dia-Abend, bei dem der Einladende mit den Gipfelkreuzen des letzten Urlaubs prahlt. Erst als minutenlang die Stühle gerückt und alle ihren Platz gefunden haben, kann die Schau beginnen.
Am Montagabend tauchten die Zuhörer schnell ein in diese Atmosphäre, wie bei den ersten drei Lesungen vor größerem Publikum, zu denen von Achim Dietz ins Café Südlicht, ins Café Sylt und in die Alte Samtweberei in Krefeld eingeladen worden war. Sie hörten intensiv zu und applaudierten lange.
Am 21. August, 19 Uhr, gibt es übrigens erstmals eine Buchpremiere in der Mediathek in Kamp-Lintfort. Autorin Henrike Scriverius liest aus ihrem Roman „Die Gärten von Monte Spina“. Wie bei der australischen Bestsellerautorin Kate Morton, mit der sie schon jetzt verglichen wird, stellt die Kamp-Lintforter Landschaftsarchitektin in ihrem Erstlingswerk eine Familienkatastrophe in den Mittelpunkt. Die junge Toni, deren Mann bei einem Autounfall gestorben ist, stellt sich auf der kleinen Insel Monte Spina bei Lanzarote Fragen, nachdem sie immer wieder neue Merkwürdigkeiten entdeckt. Der Roman erscheint im renommierten Verlag Droemer-Knauer. Dort ist er bereits unter die Topptitel des Herbsts aufgenommen.
Karten zum nächsten Feierabend sind in der Mediathek, im Bistro 26 und in der Buchhandlung am Rathaus in Kamp-Lintfort erhältlich.