Mit Handicap in Kamp-Lintfort Bäcker Berns testet Treppen-Rollstuhl

Kamp-Lintfort · Scewo ist ein Start-up-Unternehmen, das einen treppensteigenden Elektro-Rollstuhl herstellt. Der Auftritt in der Fernsehshow „Höhle der Löwen“ brachte Parkinson-Patienten Detlev Friedriszik auf die Idee, das Hilfsmittel mit dem Sanitätshaus Hodey zu testen.

 Die Fahrt treppauf und treppab wird schnell zur Routine, stellte Johann Berns fest – auch wenn Außenstehende anfangs ein wenig den Atem anhalten. Meike Neubauer  gab Hilfestellung.

Die Fahrt treppauf und treppab wird schnell zur Routine, stellte Johann Berns fest – auch wenn Außenstehende anfangs ein wenig den Atem anhalten. Meike Neubauer  gab Hilfestellung.

Foto: Rüdiger Bechhaus

Für Johann Berns, Inhaber der Landbäckerei, sind Treppen große Hindernisse. Deshalb ist der Rollstuhlfahrer an allen Neuheiten und Erleichterungen für Menschen mit Handicaps interessiert. Auf „Herz und Nieren“ prüfte er jetzt einen Rollstuhl, der bereits schon jetzt als der „Tesla“ unter den Hilfsmitteln bezeichnet wird. Das Treppenhaus im Sanitätshaus Hodey in Kamp-Lintfort erwies sich als imposante Bühne für den treppensteigenden Elektro-Rollstuhl. Treppauf und treppab testete Johann Berns das Gefährt, das von Bernhard Winter, Thomas Gemperle und Pascal Buholzer in Winterthur entwickelt wurde. Nach Kamp-Lintfort holte den „Scewo Bro“, so der offizielle Name, Detlev Friedriszik. Er ist Betroffener, Mitglied der Moerser Parkinson-Gruppe sowie Motor von „freemade, Hilfe zur Selbsthilfe“.

Für Menschen mit Parkinson, eine noch unheilbare neurodegenerative Hirnerkrankung, und anderen Behinderungen oder Erkrankungen „kann ein Rollstuhl für größere Eigenständigkeit sorgen, wenn durch Gangunsicherheit der Bewegungsapparat immer weiter eingeschränkt ist“, so Friedriszik. Schon Bordsteinkanten können zur Falle werden. Marianne und Detlev Friedriszik ist die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen ein besonderes Anliegen. Nachdem das Schweizer Start-up-Unternehmen im Fernsehen bei der Show „Höhle der Löwen“ seinen Auftritt hatte, nahm er Kontakt auf und lud das Scewo-Team ein und organisierte den Test. Maike Neubauer (29) und Oliver Busler (30) zeigten, worauf es beim treppensteigenden Elektro-Rollstuhl ankommt. Einsetzbar ist er bei geraden und geschwungenen Treppen. Bei Treppen mit Absatz muss eine 1,20 Meter große Wendefläche gegeben sein, um den ‚Bro‘ auf die nächste Treppenstrecke zu führen. Die Bedienung ist einfach. Die Fahrt treppauf und treppab wird schnell zur Routine, auch wenn Außenstehende anfangs ein wenig den Atem anhalten. Der hydraulisch gelagerte Sitz bleibt immer in der waagerechten Position. „Voraussetzung ist die kognitive Fähigkeit, den Rollstuhl mit dem Joystick bedienen zu können“, sagt Maike Neubauer. Kostenpunkt 36.000 Euro. Für Detlev Friedriszik bedeutet der treppensteigende, selbstbalancierende Elektrorollstuhl nach modernster Technologie eine Verbesserung der Lebensqualität für Menschen mit Handicap. Die Kapitalgeber der Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ investierten jedoch nicht. Für das junge Start-up-Unternehmen sorgte schon der Auftritt für jede Menge Furore. Entstanden ist die Idee 2014, als Student Bernhard Winter ein Thema für seine Masterarbeit in Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule suchte.

Als wertvoll erwies sich ein Dozententipp, sich den Züricher Cybathlon anzuschauen. Menschen mit Behinderungen treten beim Lösen von alltagsrelevanten Aufgaben mit ihren modernsten technischen Assistenzsystemen gegeneinander an. Winter tat sich mit Kommilitonen und der Züricher Hochschule für Künste zusammen. Nach neunmonatiger Entwicklungsphase präsentierten sie ihren „Bro‘ mit kombiniertem Rad- und Raupenantrieb. Magnus Linnhoff, Leiter Vertrieb und Marketing bei Hodey, zeigte sich ebenfalls begeistert, wies aber auf Hürden bei der Kostenübernahme der Krankenversicherung und Berufsgenossenschaften hin. Mittlerweile hat Bro eine deutsche Hilfsmittelnummer. Der Alltagstest überzeugte Johann Berns. „Für mich ist es immer schwierig, wenn ich bei Arztterminen von Mitarbeitern in die Praxis im ersten Stock getragen werden muss“, sagt Berns. Eine Anschaffung käme für ihn in Betracht, „wenn sich meine jetzige Mobilität, die ich mit einem VW-Bus und einer Rampe habe, verringern würde.“

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