Kamp-Lintfort Klassische Musik hautnah erleben

Kamp-Lintfort · Das 15. Kammermusikfest Kloster Kamp ist auf dem Kamper Berg in Kamp-Lintfort gestartet.

 Die Zuhörer erlebten hautnah mit, wie sich die Musiker die Stücke erarbeiteten.

Die Zuhörer erlebten hautnah mit, wie sich die Musiker die Stücke erarbeiteten.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Sonntagmorgen in Kamp, friedliche Stille liegt über dem Berg, strahlender Sonnenschein lädt zum Spaziergang im Terrassengarten ein. Doch die Menschen, die zielstrebig Richtung Rokokosaal eilen, haben anderes im Sinn. Sie wollen zu den offenen Proben, mit denen das Kammermusikfest Kloster Kamp auch in diesem Jahr klassische Musik für alle hautnah erfahrbar machen will. Der Geiger Timothy Braun ist der erste der insgesamt 16 Musiker, die sich beim Proben quasi in die Karten blicken lassen. Entspannt bereitet er den Notenständer vor, spielt sich mit einigen Tonleitern ein, begrüßt langjährige Besucher. Schon vor Probenbeginn hat sich ein gutes Dutzend Gäste im Rokokosaal versammelt und wartet geduldig auf die Ankunft des restlichen Ensembles.

„Oh my God, so many people“, staunt die Geigerin Akiko Tanaka, und auch Festivalneuling Yannick Rafalimanana ist sichtlich überrascht. Ein paar Minuten dauert es noch, bis alles aufgebaut ist und Festivalleiter Alexander Hülshoff gut gelaunt das 15. Kammermusikfest eröffnet. Auf dem Programm steht Gabriel Faurés Klavierquintett op. 115. „Let’s play this wonderful piece, it’s completely new for us“, versichert er und grinst den Bratschisten Ulrich Eichenauer an. Der grinst ein bisschen gequält zurück, bevor er sich zu einer Erklärung durchringt: „Vor einer Viertelstunde habe ich erfahren, dass es von Fauré zwei Klavierquintette gibt, und ich habe das falsche vorbereitet.“ Das Publikum amüsiert sich und ist gespannt, wie der sympathische Musiker sich aus dieser prekären Situation befreien wird. Doch einen Bratschisten von Eichenauers Format kann so leicht nichts erschüttern. Ein kurzer Blick in die, diesmal richtigen, Noten – und es kann losgehen und läuft erfreulich gut. Der vierte Satz hakt zunächst ein bisschen. „We are not together at 13“, stellen die fünf fest, doch auch dieses Problem kann schnell gelöst werden. Ähnlich erfolgreich sind auch der Geiger Giora Schmidt und der Pianist Andrew Harley, die zeitgleich in der Sporthalle der wenige Kilometer entfernten Janusz-Korczak-Schule proben. Zwischen Turnmatten und Basketballständern erklingt Ravels Violinsonate Nr. 2. „Ich habe noch nie an einem solchen Ort gespielt“, witzelt Giora Schmidt. Festivalorganisatorin Jeannette von der Leyen sieht es positiv: „Am Ende der Woche machen wir bestimmt ein Basketball-Turnier.“

Zeit zum Ballspielen bliebe dem Duo, denn die beiden Profimusiker sind so gut vorbereitet und spielen derart souverän, dass schon in der ersten Probe nur wenig zu korrigieren ist. „Good?“, fragt Harley. „Very good!“, bestätigt Schmidt. Für die wenigen Zaungäste ist das Zuhören ein Genuss. „Diese Gershwin-Zitate bei Ravel habe ich so noch nie wahrgenommen“, stellt Hans-Walter Slembeck fest, der mit seiner Frau Birgitta zu den treuesten Festivalfans zählt. Natürlich lassen sich die beiden auch die Probe des Streichtrios von Jean Cras mit der Geigerin Anna Heygster, der Bratschistin Béatrice Muthelet und der Cellistin Katharina Apel im Obergeschoss der Schule nicht entgehen. Das originelle Werk, das selbst im Heimatland des französischen Komponisten nur einer kleinen Schar von Musikenthusiasten bekannt sein dürfte, ist eine der schönsten Entdeckungen im Festivalprogramm, hat aber seine Tücken. Takt um Takt ringen die drei Musikerinnen um Tempo und Ritardando-Anweisungen, jede hat etwas anderes anzumerken, bringt eine andere Idee ins Spiel. Viel Zeit zum Proben bleibt nicht, bis zum Konzert am Donnerstag muss alles sitzen.

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