Serie Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort Die Baum-Fibel
Kamp-Lintfort · Mehr als 800 Bäume werden zur Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort neu gepflanzt, ein Großteil auf dem ehemaligen Areal des Bergwerks West. Viele sind Klimabäume, die man heute noch selten im Stadtbild sieht. In elf Monaten, wenn die Gartenschau am 17. April eröffnet wird, blühen schon Hopfenbuche und Blauglockenbaum.
Fritz, der Amberbaum steht nicht mehr allein auf weiter Flur: Mehrere hundert weitere Laub- und Nadelbäume werden für die Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort gepflanzt. Pupur-Erlen, Robinien, Hopfenbuchen, Blauglockenbäume und Esskastanien folgen auf den Baum, den Ministerpräsident Armin Laschet im September gesetzt hatte. Die Kamp-Lintforter haben ihn liebevoll nach dem neuen Stadtquartier Friedrich Heinrich benannt, das auf dem Areal entstehen wird. „Es sind Klima- und Zukunftsbäume“, sagt Landschaftsarchitektin Ulrike Böhm. „Sie sind genügsam, widerstandsfähig und in der Lage, auf einer Industriebrache zu wachsen und alt zu werden.“ Dort, wo auf dem Bergwerk West bis 2012 noch Steinkohle abgebaut wurde, entsteht bis zum nächsten Jahr ein grüner „Zechenpark“.
Rund 770 neue Bäume aus 20 verschiedenen Arten sorgen allein dort für Schatten, ein gutes Klima und eine angenehme Atmosphäre. Insgesamt werden im Rahmen der Gartenschau in Kamp-Lintfort über 800 neue Bäume gepflanzt, auch am Kloster Kamp und auf dem Wandelweg. Geplant haben dies die Landschaftsarchitekten der bbzl Laga 2020 GmbH um Ulrike Böhm, Kaja Benfer und Cyrus Zahiri aus Berlin. „Wir haben versucht, das große Areal räumlich mit erkennbar unterschiedlichen Atmosphären und Raumqualitäten zu gliedern.“
Das Zechengelände ist in drei Bereiche eingeteilt. Dazu gehören der große Quartiersplatz, die Promenade und der Zechenpark mit dem Landschaftsbauwerk. „Es war spannend, sich mit der Geschichte der verschiedenen Orte zu beschäftigen. Wir sind mit unserem Entwurf auf einen Teil dieser Geschichte eingegangen und haben versucht, sie erkennbar zu halten“, sagt Landschaftsarchitektin Anna Vogels (bbzl). „Wir haben für jeden der drei Bereiche unterschiedliche Baumarten ausgesucht.“ Der Quartiersplatz am Fuße der beiden Fördertürme stellte die Landschaftsarchitekten vor eine besondere Herausforderung: „Er ist so groß wie zwei Fußballplätze, etwa 1,8 Hektar. Das ist sehr ungewöhnlich für einen Stadtplatz. Auch die beiden Fördertürme und die angrenzenden Gebäude der Zeche sind deutlich größer als die umgebende Bebauung“, erläutern Böhm und Vogels. Wie schafft man auf einer solchen Fläche Aufenthaltsqualität? Die Landschaftsarchitekten haben eine Lösung gefunden: Es entsteht ein Hain mit 115 Großbäumen, dessen Baumdach einmal den Großteil des Platzes überdecken wird. Darunter befindet sich sogar ein Urweltmammutbaum. „Dieser Baum musste einfach sein, obwohl die Art für einen Stadtplatz eher ungewöhnlich ist“, sagt Ulrike Böhm. „Er erinnert symbolisch an die Kohle, die hier einmal gefördert wurde.“ Nur rund ein Viertel der Fläche des großen Quartierplatzes wird am Ende mit glatten Belägen befestigt sein, die anderen Flächen werden grün. Ergänzend sind Staudenflächen angelegt. Um ein Gefühl für die Größe zu bekommen, ließen sich die Landschaftsarchitekten von den großen Schmuckplätzen in Berlin inspirieren, die zu Beginn des 20. Jahrhundert in den gründerzeitlichen Vierteln entstanden. „Sie zeigen gut, wie sich durch verschiedene Freiraumelemente und Pflanzungen große Plätze in unterschiedliche Bereiche gliedern lassen und dadurch jeweils besondere Stimmungen entstehen.“
Die Bäume wurden jedoch nicht nach Schönheit ausgesucht: „Der Standort ist auf dem Zechenareal schwierig. Es handelt sich um eine Brache mit aufgeschüttetem, stark vom Menschen beeinflusstem Boden. Es gibt nur wenige Nährstoffe, der Boden ist trocken. Das reduziert natürlich die Möglichkeiten. „Wir haben die Arten so gewählt, dass sie dort gut gedeihen.“ Die Spaziergänger werden also auf Bäume treffen, die man heute noch selten in der Stadt sieht. Auf ein extremer werdendes Klima haben die Landschaftsarchitekten auch bei der Gesamtplanung mit der Auswahl der Bäume reagiert. „Einige Stadtbäume werden durch die Klimaveränderung und durch lange Hitzeperioden geschwächt“, sagt Vogels. Die Folge: Schädlinge. Die Promenade wird deshalb durch genügsame Säulen-Platanen, Ulmen, Rot-Ahorn und Robinien begleitet. Das Landschaftsbauwerk mit seinem nur rund 1,50 Meter dicken durchwurzelbaren Boden wird mit blühenden Blumeneschen und Vogelbeeren, also Flachwurzlern, bepflanzt. Im Zechenpark und im Bereich entlang der renaturierten Großen Goorley sind heimische Bäume zu finden – Lichtungen schaffen zwischendurch Freiräume für Spielplätze und den Tierpark Kalisto.
„Bäume sorgen für Entschleunigung. Ihre psychologische Wirkung ist nicht von der Hand zu weisen“, sagt Ulrike Böhm. „Sie verändern aber auch die Luft- und Temperaturbedingungen um bis zu zwei/drei Grad. Das Thema Klima hat bei der Planung von Freiräumen sehr an Bedeutung gewonnen. Der letzte Sommer war für alle ein Augenöffner.“ Zur Landesgartenschau werden sich die neuen Bäume trotz großer Pflanzgrößen noch nicht in voller Größe präsentieren. „Wir müssen ihnen etwas Zeit zum Wachsen und Altwerden geben. Sie werden aber über das Jahr hinweg aufblühen und hoffentlich viele Bienen anlocken“, sagt Ulrike Böhm.