Christoph Landscheidt "Der Abriss der bunten Riesen ist sicher"

Moers · Der Kamp-Lintforter Bürgermeister erläutert die Pläne der Stadt nach der Ersteigerung der Wohnhäuser an der Wilhelm- und Markgrafenstraße.

 Die Stadt will die bunten Riesen abreißen und das Stadtzentrum im Umfeld des Rathauses neu gestalten.

Die Stadt will die bunten Riesen abreißen und das Stadtzentrum im Umfeld des Rathauses neu gestalten.

Foto: klaus dieker

Warum lässt die Stadt die Mieter nicht einfach in den Häusern wohnen?

Landscheidt Kein privater Eigentümer/Investor hat es in den letzten Jahren geschafft, die Wohnanlage in einen akzeptablen Zustand zu versetzen und wirtschaftlich zu betreiben. Das kann auch die Stadt nicht. Abgesehen davon dass sie es auch gar nicht darf! Denn gerade weil ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlage nicht mehr möglich ist, bekommen wir erhebliche Mittel des Landes, also Steuergelder, dafür, dass wir das Objekt erwerben, abreißen und hier ein neues, modernes, lebenswertes Stadtquartier entstehen lassen, wie es die Entwürfe der Planwerkstatt vorsehen. Wohnungsbau gehört auch dazu, aber nicht mehr so viele und nicht mehr so hoch. Dafür mehr Grünflächen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Aufgabe der Wohnung trotz des teilweise desolaten Zustandes für viele Mieter bitter ist, vor allem für Familien und die Älteren. Deshalb werden wir sie ähnlich intensiv begleiten und unterstützen, wie wir es bei den "Weißen Riesen" erfolgreich praktiziert haben. Ich bitte Sie auch die Alternative zu bedenken: Es ist kein Geheimnis, dass die privaten Interessenten das Ziel verfolgten, das Objekt in Eigentumswohnungen umzuwandeln und meistbietend zu "verscherbeln". Es ist mehr als zweifelhaft, dass unter diesen Umständen viele Mieter ihre Wohnungen behalten hätten. Das Szenario was sich dann abgespielt hätte, mag ich mir gar nicht vorstellen. Es wäre Lichtjahre von dem jetzt beabsichtigten Sozialplan entfernt. Und die Stadt hätte keine Möglichkeit gehabt, im Interesse der Mieter in diese Entwicklung einzugreifen.

Wie hoch ist der Leerstand in den "Bunten Riesen"?

landscheidt Den gewerblichen Leerstand sieht man von außen. Den würde ich auf ca. 80 Prozent schätzen. Der tatsächliche Leerstand der Wohnungen ist nur sehr schwer einzuschätzen. Zig Wohnungen sind von Firmen angemietet worden, die dort bei Überbelegung unter zum Teil bedenklichen Umständen ihre ausländischen Mitarbeiter unterbringen. Das müssen wir uns jetzt erst einmal genauer anschauen.

Warum braucht Kamp-Lintfort ein neues Rathaus-Quartier?

landscheidt Ich denke, die Leerstände vor allem im gewerblichen Bereich, die städtebauliche Gesamterscheinung und die gesamte Stadtentwicklung der letzten zwanzig Jahre, die die Zentrums- bzw. Einkaufsfunktion eindeutig der fußläufigen Achse der Moerser Straße vom EK 3 zum Umfeld des Prinzenplatzes (Real) zuweist, sprechen für sich. In einer Stadt wie Kamp-Lintfort ist kein Raum für mehrere Zentren und Unterzentren. Im Umfeld des Rathausplatzes sind ärztliche, medizinische und andere Dienstleistungen, die es schon gibt, stadtnahes Wohnen und mehr Grün besser untergebracht.

Wie finanziert die Stadt den Kauf der Immobilien?

landscheidt Ich bitte zu unterscheiden. Die bunten Riesen haben wir nicht gekauft, sondern ersteigert. Die Finanzierung erfolgt zu 80 Prozent über Landesförderung, der Eigenanteil ist für jeden einsehbar im Haushalt für 2015/2016 investiv veranschlagt. Davon zu unterscheiden sind das Rathauscenter und die Tiefgarage unterhalb des Rathauses, die ebenfalls in privatem Eigentum war. Diese Immobilie haben wir durch Ausübung unseres städtischen Vorkaufsrechts im vergangenen Jahr gekauft und aus Haushaltsmitteln finanziert. Wir gehen davon aus, dass wir sie kurzfristig mit Gewinn weiterveräußern werden.

Kommt auch ein Weiterverkauf in Frage?

landscheidt Auch hier ist zu unterscheiden: Die bunten Riesen werden nicht verkauft, sondern abgerissen. Die dann baureifen Grundstücke werden privaten Interessenten verkauft unter der Voraussetzung, dass sie die von der Stadt beschlossenen Pläne (stadtnahes, kleinteiliges Wohnen, mehr Grün) umsetzen. Das Rathauscenter werden wir - wie bereits gesagt - verkaufen, sobald der Investor, mit dem wir im Gespräch sind, uns akzeptable Pläne für die Sanierung und zukünftige Nutzung vorlegt.

Welche Teile des erworbenen Komplexes will die Stadt für sich nutzen?

landscheidt Lediglich die Bücherei, die sich derzeit unterhalb der "Bunten Riesen" befindet, soll in das neu gestaltete Rathauscenter umziehen. Weitere städtische Nutzungen im Bereich der Bunten Riesen sind nicht vorgesehen.

Wie sieht die ungefähre Zeitschiene für die weitere Entwicklung aus?

landscheidt Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich diese Fragen gerne mit den Mieterinnen und Mietern anlässlich der Informationsveranstaltung und in Einzelgesprächen erörtern möchte. Allerdings will ich keinen Hehl daraus machen, dass schon die Förderbedingungen des Landes uns einen engen Zeitrahmen setzen. Die Arbeit hat schon begonnen!

Welche Ersatzwohnungen stehen bereit, und welche Hilfen werden für den Umzug angeboten?

landscheidt Das wird zweifellos das größte Stück Arbeit sein. Die Suche nach Wohnungen und die erforderlichen Gespräche mit potentiellen Anbietern beginnen jetzt und werden entsprechend forciert. Selbstverständlich ist auch die Eigeninitiative der Mieterinnen und Mieter gefragt. Dass wir Eigeninitiative besonders unterstützen, versteht sich von selbst. Zu den Hilfen gehört u.a. Beratung, professionelle soziale Begleitung und natürlich finanzielle Unterstützung. Wie sagt man in Kamp-Lintfort? Niemand soll ins Bergfreie fallen!

Wie viele Menschen sind von den möglichen Abrissen betroffen?

landscheidt Sorry, die Abrisse sind nicht "möglich" , sondern sicher! Es gibt sehr unterschiedliche Betroffenheit. Grob geschätzt gehen wir von ca. 100 Personen aus.

JÜRGEN STOCK STELLTE DIE FRAGEN

(RP)
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