Kolonie in Kamp-Lintfort Wie sich das Haus des Bergmanns verändert
Kamp-Lintfort · Der Garten vom Haus des Bergmanns ist Teil des Projektes Erdung. Die angelegten Beete werden mit Obst und Gemüse bepflanzt. Ein Teil des Museums wird medial umgestaltet. Was geplant ist und wie der Zeitschiene aussieht.
Im Haus Ebertstraße 88 in der Altsiedlung ist die Zeit stehengeblieben, oder besser gesagt, um Jahrzehnte zurückgedreht. Das Museum „Haus des Bergmanns“ zeigt das einfache Leben einer Bergarbeiterfamilie. Das Innere gibt Einblicke in damalige Lebensverhältnisse des Zweifamilienhauses: Die Wohnküche mit Kohleofen und Waschzuber für das Familienbad, die gute Stube sowie die Schlafzimmer. In der anderen Haushälfte ist eine Sammlung von Grubenlampen zu sehen, das Modell einer Zeche und weitere technische Gerätschaften. Diese Abteilung der Dauerausstellung wird sich ändern.
„Als museale Einheit ist sie aus der Zeit gekommen“, sagt Kulturbeauftragte Susanne Rous. Pläne für die Umgestaltung liegen vor. Die Fördermittel in Höhe von 160.000 Euro stehen parat. Noch in diesem Jahr soll die Umgestaltung beginnen, so die Planung. Über mediale Einheiten wie Hörstationen und Monitore soll in dieser Wohnung die Siedlungsgeschichte der Altsiedlung zu erleben sein, in der die nachbarschaftliche Gemeinschaft und der Alltag in der Kolonie eine bedeutende Rolle spielen. „Wir zeigen bisher sehr wenig aus dem Alltag, beispielsweise der Pflege von Textilien, dem Leben der Kinder oder der Gemeinschaft. Das Zusammenleben, in dem so viel passierte, ist zu wenig abgebildet. Jetzt soll es soziologisch aufgearbeitet werden, damit Wissen und Ereignisse aus dieser Zeit nicht verloren gehen“, sagt Susanne Rous.
Dazu gehören unter anderem die Anwerbeabkommen, die ab 1955 ermöglichten, ausländische Arbeitskräfte legal in der boomenden Industrie zu beschäftigen. 1956 kamen rund 12.000 Italiener nach Deutschland. Kamp-Lintfort bot der Bergbau den „Gastarbeitern“ sichere Arbeitsplätze. Familien zogen später nach. „Weitere Abkommen gab es mit Spanien, Griechenland, Türkei und dem damaligen Jugoslawien. Die Kolonie wurde Heimat der verschiedensten Ethnien“, so Susanne Rous. Sie werden in der neuen Ausstellungseinheit ihren Platz finden und vor allem mit Interviews dem Haus des Bergmanns ihre Stimmen geben. Das Haus ist als kulturgeschichtlicher Meilenstein beliebt.
Zu Coronazeiten knickten die Besucherzahlen deutlich ein. Führungen, die die Bergleute anboten, konnten in den vier kleinen Zimmern nicht mehr stattfinden. Während die Arbeiten im Innern erst später aufgenommen werden, drängt sich der Garten nach vorne. Aktuell wurde ein Pflaumenbaum gepflanzt, gespendet von den Stadtwerken Kamp-Lintfort. In die angelegten Beete kommen demnächst Obst- und Gemüsepflanzen, eben so wie früher, alle in Reih und Glied. Die Ernte wurde eingeweckt. „Die Selbstversorgung war sehr wichtig. Denn viele Bergmannsfamilie boten noch sogenannten Kostgängern Bett und Verpflegung an“, so Susanne Rous. Da Parzellenflächen am Haus nicht ausreichten, wurde zusätzliche Ackerfläche wie auch Schrebergärten genutzt. „Da spielen dann die Nachbarschaften wieder eine Rolle“, so Rous. Welche Bedeutung der Nutzgarten damals hatte, soll heute Kindern vermittelt werden, damit lokales Kulturgut weitergegeben werden kann. Im Mai geht das Projekt Erdung an den Start. Auch Infotafeln zu den Obst- und Gemüsesorten sollen aufgestellt werden. Die Fördergemeinschaft hat die Beete im letzten Jahr angelegt.
„Ein willkommener Schritt. So können wir viel im Bereich Nachwuchsarbeit tun und alles miteinander verknüpfen. Selbstversorgung ist gerade in aller Munde und interessiert besonders die Kinder“, sagt Norbert Ballhaus, Vorsitzender der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition mit 630 Mitgliedern.
„Fehlen werden aber die für die Kolonie typischen Taubenschläge, Hühner oder die Ziege.“ Wie gut solche naturnahen Projekte ankommen, zeigt das „Grüne Klassenzimmer“, das seit dem Start als Bildungseinheit der Renner ist. „Das Haus des Bergmanns können wir mit unserem neuen Angebot noch interessanter machen“, so Susanne Rous. Das Projekt Erdung wird über das Museumsnetzwerk Rhein-Maas angeboten, ein offener Verbund, an dem über 50 Museen, Archive und Bildungseinrichtungen beteiligt sind, um die kulturelle Biografie des Niederrheins zu präsentieren.