Woche der Menschen mit Behinderung in Kamp-Lintfort Julia Dietschi steht trotz eines Handicaps voll im Berufsleben

Kamp-Lintfort · Der 40-Jährigen ist die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt nach einer mehrjährigen Familienphase geglückt. Wie die gelernte Gärtnerin trotz Handicaps bei Jochen Brandt an der Mühlenstraße eine neue berufliche Perspektive fand. Denn Julia Dietschi ist gehörlos.

Jochen Brandt (r.) mit seinem Team Fabian Bregar, Florian Neumann und Julia Dietschi. Martina Tück (2.v.l) steht dem Unternehmer beratend zur Seite.

Jochen Brandt (r.) mit seinem Team Fabian Bregar, Florian Neumann und Julia Dietschi. Martina Tück (2.v.l) steht dem Unternehmer beratend zur Seite.

Foto: Norbert Prümen

Julia Dietschi ist mehr als glücklich: Seit Juli arbeitet sie Vollzeit als Verkaufshelferin in der Floristik- und Friedhofsgärtnerei Brandt an der Mühlenstraße in Kamp-Lintfort. Damit ist der Mutter zweier Kinder die Rückkehr nach einer mehrjährigen Familienphase trotz Handicaps gelungen. Die 40-Jährige ist gehörlos und war zwölf Jahre nicht erwerbstätig. Zurzeit ist sie bei Brandt für den Blumenanschnitt, für den Schleifendruck sowie kleine Dekorationsarbeiten zuständig. Jochen Brandt, Inhaber der Friedhofsgärtnerei, möchte seine neue Mitarbeiterin aber zur Floristin weiterbilden.

Die Kommunikation klappt gut. Julia Dietschi kann Lippenlesen, Jochen Brandt spricht für sie langsam. Außerdem kennt er einige Gebärden, weil er einen Kursus besucht hatte. „Und es gibt es ja noch Zettelblöcke“, sagt der Unternehmer lächelnd, der an der Mühlenstraße 14 Mitarbeiter beschäftigt, darunter drei mit einem Handicap. Für Martina Tück gehört er damit zu den Vorzeige-Unternehmern im Kreis Wesel. Sie ist bei der Agentur für Arbeit Ansprechpartnerin bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung und beruflicher Rehabilitation.

„Es haben noch immer viele Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt Probleme“, betont sie. Im Kreis Wesel gibt es aktuell (Stand Oktober) 1316 arbeitslos gemeldete Menschen mit einer Schwerbehinderung. Davon sind 690 Personen bei der Agentur für Arbeit Wesel gemeldet und 626 Personen beim Jobcenter des Kreises Wesel. Arbeitslose Menschen mit einer Schwerbehinderung seien grundsätzlich aber gut qualifiziert. So sucht laut Statistik der Agentur für Arbeit mehr als ein Drittel im Kreis Wesel beispielsweise eine Tätigkeit als Fachkraft.

Es gebe für Unternehmen und Arbeitssuchende Fördermöglichkeiten, finanzielle Hilfen sowie Leistungen, die helfen, das Handicap eines Mitarbeiters auszugleichen und den Arbeitsplatz entsprechend auszustatten, betont Martina Tück, die als Ansprechpartnerin bei der Agentur für Arbeit beiden Seiten beratend zur Seite steht. „Die Gärtnerei Brandt ist ein schönes Beispiel, wie Inklusion in unserer Gesellschaft gelingen kann“, betont auch Stefan Schapfeld, Teamleiter Berufliche Rehabilitanden und Teilhabe bei der Agentur für Arbeit. Gemeinsam mit Martina Tück und seinen Kollegen möchte er die bundesweite Aktionswoche der Menschen mit Behinderung ab dem 28. November nutzen, um verstärkt auf das Thema aufmerksam zu machen – vor allem vor dem Hintergrund des wachsenden Arbeits- und Fachkräftebedarfs auch im Kreis Wesel.

So erging es auch Jochen Brandt in Kamp-Lintfort: „Wir brauchen Floristen.“ Der Firmenchef hatte keine Berührungsängste, Julia Dietschi einzustellen, denn durch die langjährige Beschäftigung von zwei weiteren Mitarbeitern mit Handicap sammelte er positive Erfahrungen – unter anderem mit Praktikanten aus den Caritas-Werkstätten. Gartenhelfer Florian Neumann ist nun schon fast acht Jahre in der Gärtnerei Brandt beschäftigt. Kurze Zeit später stieß Fabian Bregar als Gartenhelfer zum Team.

„Alle drei sind lebensfrohe Menschen, wissbegierig, sehr loyal und haben großen Spaß an der Arbeit“, berichtet Brandt. Er ist davon überzeugt, dass viele Unternehmen sich von Vorurteilen leiten ließen und deshalb Hemmschwellen hätten, Menschen mit einem Handicap zu beschäftigen. „Es kann aber funktionieren. Wenn Florian und Fabian die Gräberfelder auf dem Friedhof pflegen, merkt man keinen Unterschied zwischen den Kollegen.“

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