Interview mit Andreas Pinkwart „Späte Landungen müssen teurer werden“

Kaarst · NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart spricht über späte Landungen und Kaarst als Konverterstandort.

 Andreas Pinkwart ist seit Juni 2017 NRW-Wirtschaftsminister.

Andreas Pinkwart ist seit Juni 2017 NRW-Wirtschaftsminister.

Foto: Frank Wiedemeier

Was fällt Ihnen zu Kaarst ein?

Andreas Pinkwart Kaarst ist eine florierende Kleinstadt am Rande der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Die bevorzugte Lage verbindet zwei Seiten einer Medaille: Einerseits ermöglicht sie ein Wohnen im Grünen mit kurzen Wegen nach Düsseldorf. Andererseits ergeben sich gerade aus dieser Nähe auch Herausforderungen, wie beispielsweise die Bewältigung des Pendlerverkehrs.

Ein wichtiges Thema ist der Konverterstandort. Überwiegt der wirtschaftliche Nutzen, sodass Sie Kaarst als Standort in Betracht ziehen würden?

Pinkwart Wir müssen sicherstellen, dass alle Einwohner und Unternehmen unseres Landes auch in Zukunft zuverlässig und wirtschaftlich mit Strom versorgt werden können. Vor allem muss der an der Küste erzeugte große Anteil an Windstrom sicher zu den industriellen Zentren der Republik und damit insbesondere nach Nordrhein-Westfalen und weiter in den Süden transportiert werden. Hierfür ist der Konverter unverzichtbar. Deshalb wünsche ich mir, dass alle maßgeblichen Akteure in der Region aktiv und kooperativ an einer schnellen, möglichst konfliktarmen und rechtssicheren Lösung mitarbeiten.

Wie auch immer die Entscheidung ausfällt – es ist mit Anwohner-Klagen zu rechnen. Wie argumentieren Sie im Spagat zwischen gelebter Demokratie und Mitbestimmung einerseits und der Gefahr des Stillstands durch Technologiefeindlichkeit und mangelndem Verständnis für das Gemeinwohl andererseits?

Pinkwart Demokratie und Mitbestimmung sind ein hohes Gut. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass wir die für den Klima- und Umweltschutz unverzichtbaren Maßnahmen der Energiewende nicht rechtzeitig umsetzen können. Unsere Planverfahren ermöglichen eine Abwägung zwischen Beteiligungsmöglichkeiten Einzelner und den Interessen der Allgemeinheit.

Thema Fluglärm. Es entsteht der Eindruck, die Wirtschaftlichkeit des Flughafens ist dem Land wichtiger als die Gesundheit der Bürger, oder warum reagiert die Politik nicht auf die Forderungen der Gegner?

Pinkwart Die Landesregierung betrachtet die steigende Zahl der Landungen nach 22 Uhr mit Sorge, auch wenn sie rechtlich nicht zu beanstanden sind. Sie verstärken die Akzeptanzprobleme bei den Anwohnern. Die Airlines haben auf Kante genäht, als sie die Lücke von Air Berlin schließen wollten. Sie müssen jetzt alle Anstrengungen unternehmen, um ihre Abläufe wieder in den Griff zu kriegen. Durch Easy-Security-Verfahren können Abläufe am Boden beschleunigt  werden. Außerdem muss der Flughafen seine Zusage einhalten, noch in diesem Jahr mit den Airlines über eine stärkere Spreizung der Start- und Landegebühren zu sprechen. Spätabends zu landen, muss teurer werden.

Hätten Sie die Einladung zum Gespräch mit der Bürgerinitiative angenommen?

Pinkwart  Im Sinne der gebotenen Neutralität allen Beteiligten gegenüber ist es richtig, dass der zuständige Verkehrsminister sich mit Kommentierungen zum Verfahren und den damit aufgeworfenen Sachfragen zurückhält.

Wie weit sind Sie mit Ihrem Vorhaben, Funklöcher zu beseitigen?

Pinkwart Ende Juni haben wir mit den drei Mobilfunknetzbetreibern Telekom, Telefónica und Vodafone den Mobilfunkpakt NRW geschlossen. Bis Ende 2019 sollen insgesamt 99 Prozent aller Haushalte des Landes mit Sprach- und Datendiensten abgedeckt sein. Damit werden insbesondere dünn besiedelte Regionen neu versorgt. Zudem sollen alle Autobahnen sowie die Hauptverkehrsstrecken der Bahn mit 4G erfasst werden. Schon in den kommenden sechs Monaten werden auf zahlreichen Autobahnabschnitten Funklöcher geschlossen. Um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen, werden im Land 1350 neue Basisstationen errichtet und weitere 5500 modernisiert. Dies ist auch wieder ein Thema, bei dem wir um das Verständnis und die Akzeptanz derer werben müssen, die von der Installation von Basisstationen betroffen sind. Die Netzbetreiber haben uns zugesagt, Beschwerdestellen in NRW einzurichten, die alle Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zeitnah beantworten.

Wie wichtig ist der Breitbandausbau für Kaarst?

Pinkwart Kaarst hat die Bedeutung des Breitbandausbaus erkannt. Mitte 2016 hat die Stadt beschlossen, mit den übrigen kreisangehörigen Gemeinden und dem Rhein-Kreis Neuss einen Kooperationsvertrag zu schließen, durch den bisher unterversorgte Gebiete ein schnelleres Netz erhalten sollen. Mit rund 1,4 Millionen Euro wird der Breitbandausbau mit öffentlichen Mitteln unterstützt. Davon trägt der Bund die Hälfte, das Land Nordrhein-Westfalen ist mit 40 und die Stadt mit zehn Prozent dabei.

Welche Branchen sind Zukunftsbranchen in unserer Region?

Pinkwart Die industriellen Schwerpunkte liegen in der Chemie, dem Maschinenbau, der Metallerzeugung, aber auch im Ernährungsgewerbe und der Textil- und Bekleidungsindustrie. Der leistungsstarke Großhandel als Teil einer vielfältigen Handelslandschaft trägt wesentlich dazu bei, dass die Exportquote der Region bei über 50 Prozent liegt.

Und wie kann das Land helfen, diese Branchen gezielt zu fördern?

Pinkwart Die Landesregierung baut den Transfer von der Forschung in die Wirtschaft konsequent aus. Es muss uns gelingen, die großen Potenziale unserer dichten Forschungslandschaft in NRW und in Deutschland besser für die Anwendung in den Betrieben nutzbar zu machen. Das gilt für die Digitalisierung der Produktion- und Lieferprozesse, wie aber auch für die großen Zukunftsfelder „Fabrik 4.0“, „Künstliche Intelligenz“ und „Cybersicherheit“. Durch die Förderung der Spitzenforschung, die Bündelung von Kompetenzen, aber auch durch die Unterstützung junger Talente und Gründer helfen wir mit, die Unternehmen technologisch und personell für die anstehenden Herausforderungen fit zu machen.

Kaarst und der Rhein-Kreis sind FDP-Hochburgen. Was läuft dort anders als in anderen Regionen?

Pinkwart Die Bevölkerung in dieser Region ist den liberalen Themen gegenüber sehr aufgeschlossen. Eine überdurchschnittliche Anzahl der Bürger bringt sich aktiv in die politische Arbeit der FDP mit ein. Mit dem Streben nach weltbester Bildung, praktischem Umweltschutz und guten Rahmenbedingungen für eine moderne Wirtschaft und eine weltoffene Gesellschaft vertreten unsere Freunde vor Ort die Interessen und das Lebensgefühl vieler Menschen in der Region.

Stichwort Wirtschaftsförderung: Wer große Unternehmen ansiedeln (oder halten) will, hat es auch deshalb schwer, weil die Stadt Monheim mit Niedrigststeuersätzen unterwegs ist. Müsste der Gesetzgeber nicht eingreifen, um einen solchen Wettbewerb zu unterbinden?

Pinkwart Seit Anfang 2004 sind Gemeinden verpflichtet, Gewerbesteuern zu einem Mindesthebesatz von 200 Prozent zu erheben. Die Finanzhoheit über die Gewerbesteuer ist den Gemeinden verfassungsrechtlich garantiert. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist darauf zu achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit regionaler Standorte in NRW nicht beeinträchtigt wird, denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist die Basis unseres hohen Wohlstandes.

Die Region am Rhein boomt. Das ist gut für die Wirtschaft, schafft aber Probleme mit vor allem preiswertem Wohnraum. Wie kann das Land die Kommunen unterstützen?

Pinkwart Die neue Landesbauordnung ab Anfang nächsten Jahres sorgt dafür, dass Bauen unbürokratischer wird. In dem von mir eingebrachten zweiten Entfesselungspaket erhalten die Kommunen im Rahmen des Landesentwicklungsplans mehr Spielräume zur Ausweisung von Wohnraumflächen. Zudem setzt sich das NRW-Bauministerium auf Bundesebene dafür ein, dass es den Kommunen über 2019 hinaus erlaubt bleibt, Bebauungspläne schneller und leichter aufzustellen, als es sonst möglich wäre. Diese und andere Maßnahmen, wie etwa die Wohnbauförderung, über die landeseigene NRW-Bank, tragen dazu bei, die Lage zu entspannen und die insgesamt sehr erfreuliche Entwicklung in der Region zu unterstützen.

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