Kaarst Siegel belohnt Abbau von Stolperkanten

Kaarst · Das Signet "Kaarst barrierfrei" ist ein begehrtes Siegel: der 20. Antrag liegt vor. Die Bedingungen für die Vergabe sind aber umfangreich.

 Barrierefreiheit nützt auch Eltern mit Kinderwagen.

Barrierefreiheit nützt auch Eltern mit Kinderwagen.

Foto: Armin Fischer

Der REWE-Markt Röttcher war der erste Träger des Signets "Kaarst barrierefrei". Auch am Kunstcafé "Einblick" ist der gelbe Aufkleber mit dem großen weißen Pfeil zu sehen, und gleich drei Apotheken — Maxmo, Maubistor und Broicherdorf — haben das Siegel erhalten. Für die Geschäftsleute ist es gute Eigenwerbung, für die Stadt Kaarst ein Zeichen für "gelebte Inklusion". Nebenbei: Auch Eltern mit Kinderwagen profitieren von den Maßnahmen.

Seit März 2012 verleiht sie das Signet, jetzt kam bei Projektleiter Frank Schnittker der 20. Antrag auf den Tisch. Nicht auf dem Stapel: das Rathaus. Schnittker weiß, dass sich eine Bewerbung noch nicht lohnen würde, denn das Gebäude erfüllt noch nicht alle Anforderungen. Aber es wird daran gearbeitet.

Der Fahrstuhl ist bereits mit einem erhabenen Schaltertableau, Sprachmodul und Spiegel (für Rollstuhlfahrer zum Rückwärtsfahren, nicht zum Frisur richten) ausgestattet worden, das abgesackte Pflaster vor der automatischen Tür wird in diesen Tagen ausgebessert, das Treppenhaus erhält demnächst Leuchtmarkierungen. "Die Aufgabenliste ist noch lang", gibt Schnittker zu. Zwischentüren müssen ausgetauscht werden, ebenso gehört ein kontrastreicher Anstrich der Säulen zu den Auflagen.

Das Signet setzt strengere Kriterien voraus als die üblichen DIN-Normen, und deshalb fanden bisher erst so wenige Anträge von Kaarster Geschäftsleuten erfolgreich ihre Zustimmung. "Das Wichtigste ist ein barrierefreier Zugang. Nur eine einzige Stufe ist schon ein K.O.-Kriterium", sagt der Projektleiter. Ein Friseur hatte sich extra eine Rampe mit Geländer anbauen lassen, und dennoch konnte Frank Schnittker ihm das Signet nicht verleihen. "Die Rampe war zu steil, um sie als Rollstuhlfahrer alleine hochfahren zu können. Außerdem fehlte das zweite Geländer", erklärt er. Dies sei ärgerlich für den Unternehmer, deshalb würde Schnittker auch jedem seine Beratung anbieten, bevor er Investitionen in die Barrierefreiheit tätigt.

Manchmal liegt es auch gar nicht in der Macht des Bewerbers, alle Kriterien erfüllen zu können. Ein gutes Beispiel sind Ärzte mit Praxis im ersten oder höheren Stockwerk: Sie benötigen einen behindertengerechten Aufzug und ein zweites Geländer im Treppenhaus, sind aber nur Mieter im Haus. Die Investition müsste dann der Eigentümer übernehmen.

In den Rathaus-Arkaden erfüllen einige Händler mit ihrem Ladenlokal alle Anforderungen. Dazu gehören Gangbreiten von 90 Zentimeter, eine Bewegungsfläche von 1,50 mal 1,50 Meter und rollstuhlgeeignete Umkleidekabinen. Aber auch sie bekommen das Signet nicht, denn: Die Eingangstür zum Einkaufszentrum öffnet sich nicht automatisch. Viele Anträge liegen bei der Stadt "auf Eis", und ihre Steller bemühen sich um Nachbesserung. Andere ziehen sie zurück, weil sie sich die Investition nicht leisten können. Vor allem der Gastronomie bereitet die behindertengerechte Toilette Schwierigkeiten. Dazu gehört nicht nur genug Platz für einen Rollstuhl, sondern auch ein Notrufschalter, der vom Fußboden erreichbar ist.

(NGZ)
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