Kaarst Risikotraining für Straßenarbeiter

Kaarst · Der Alltag für Straßenwärter an den Autobahnen in NRW ist gefährlich: Pro Jahr stirbt einer von ihnen bei schweren Unfällen. Um die Sicherheit der Arbeiter zu erhöhen, gibt es jetzt in Kaarst einen Sicherheitsparcours. Ein Lernziel: das Gespür für den Abstand zwischen Fahrzeugen schärfen.

Training für Straßenarbeiter in Kaarst
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Mike Kartheuser muss so schnell wie möglich aussteigen. Er schaut konzentriert aus dem Fenster des orangefarbenen Lkw. Am linken Außenspiegel hängt ein Monitor, auf dem ein Film mit heranrasendem Autobahnverkehr läuft. Dessen Lärm brüllt dem 37-jährigen Straßenwart aus aufgestellten Lautsprechern entgegen. Ein Lastwagen folgt auf den anderen, dazwischen Autos. Es gibt keine Lücke für Kartheuser — in der Realität würde er sein Leben und die Tür des Fahrzeugs riskieren, wenn er jetzt aussteigt. Am unteren Bildschirmrand sieht der Mann, wie lange der Film noch läuft, der Druck wächst — ein Kollege war schon schneller draußen.

In durchschnittlich 20 schwere Unfälle sind die rund 2000 in NRW tätigen Straßenwärter pro Jahr verwickelt — einer von ihnen verliert laut Statistik in jedem Jahr sein Leben bei der Arbeit. Um das Gefühl der Männer für die Risiken zu schärfen, haben der Landesbetrieb Straßen NRW und das Verkehrsministerium mit Partnern einen Parcours mit fünf Stationen entwickelt. Gestern hatte das Projekt bei der auch für Düsseldorf zuständigen Autobahnmeisterei Kaarst Premiere. Künftig soll der Parcours durch NRW touren, um möglichst viele Straßenwärter zu schulen.

Etwa, indem Mike Kartheuser die richtige Lücke zum Aussteigen finden muss. In der Realität wäre er wohl auch ausgestiegen, wenn "nur" ein Pkw auf der rechten Spur fahren würde, sagt er. Denn das größte Risiko sind nicht Pkw, sondern Lkw. Bei ihnen ist die Gefahr am größten, dass sie ins hintere Ende der Kolonne prallen oder einen Arbeiter am Rand erfassen. Schon deswegen fordern die Arbeiter, endlich in ganz Europa Notbremssysteme für Lkw zur Vorschrift zu machen. Der anwesende Vertreter vom Verkehrsministerium macht ihnen dafür aber wenig Mut — politisch kaum durchsetzbar, heißt es knapp.

Gleich im Anschluss muss Mike Kartheuser wieder ran, diesmal im direkten Wettbewerb mit den Kollegen. Sein Chef Stefan Hackstein, Kolonnenführer der Autobahnmeisterei Rheinberg, ist auch dabei. Die Aufgabe: Die Männer müssen wieder auf einem Monitor den fließenden Verkehr beobachten und dann eine zweispurige Autobahn überqueren — mit für sie üblichem Arbeitsgerät unterm Arm. Bei der erstbesten Lücke rennen Stefan Hackstein und die anderen los. Nur Mike Kartheuser bleibt stehen und schüttelt den Kopf. Er muss ein sperriges Straßenschild tragen und damit das höchste Risiko, unterwegs zu stolpern. "Ein Sturz auf der Fahrbahn ist das Todesurteil für jeden Straßenwärter", sagt Kartheuser.

Am Ende aller fünf Stationen gibt Stefan Hackstein dem Parcours eine "satte Drei" als Schulnote. Vieles sei realistisch gewesen, das Aufsammeln von kleinen Gegenständen auf der Fahrbahn bei fließendem Verkehr aber nicht. Hackstein: "In solchen Fällen ist die Autobahn gesperrt — ich bin ja nicht verrückt!"

(NGZ/url)
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