"Reichsdruckerei" Briefkastenfirma für Reichsbürger-"Pässe" in Kaarst

Düssseldorf/Kaarst · 2000 Reichsbürger gibt es in NRW, eine der aktivsten Gruppen sitzt laut Landesinnenministerium in Kaarst. Über eine Auto-Werkstatt können "Reichsdokumente" bestellt werden.

Wer das Deutsche Reich sucht, soll in einer Seitenstraße im Kaarster Stadtteil Vorst fündig werden. Hier haben das "Reichsamt" und die "Reichsdruckerei" ihren Sitz. So steht es im Internet. Doch vor Ort findet man hier keinen prunkvollen Regierungssitz, sondern eine alte Montagehalle, eine Autowerkstatt und ein Wohnhaus.

Alles gehört KFZ-Meister Peter Holzapfel, in Kaarst bekannt durch Spendenaktionen für Afrika und die Entwicklung alternativer Automotoren – über beides berichtete auch unsere Redaktion. Doch gleichzeitig ist Holzapfel auch einer von knapp 2000 Reichsbürgern in NRW. "Ich bin nicht linientreu", sagt er selbst im Gespräch.

Reichs-Reisepass für 90 Euro

Seinen Berufstitel habe ihm die BRD GmbH verliehen, der Staat sei nicht souverän, sondern sei eine Firma – eine bekannte Argumentation der Reichsbürger. Als Beispiel nennt der KFZ-Meister die Aufträge, die seine Werkstatt von der Stadt Kaarst erhält: "Die sprechen von Firmenwagen. Auch die Stadt Kaarst sieht sich als Firma." In der Verwaltung selbst bestreitet man, bei Holzapfel überhaupt Autos reparieren zu lassen, und will die Behauptung prüfen.

Unstrittig ist jedenfalls, dass das Gelände der Werkstatt als Briefkasten für die "Deutsche Reichsdruckerei" fungiert. Hier können "Reichspersonenausweise", "Reichs-Fahrerlaubnisse" (für jeweils 30 Euro) oder auch "Reichs-Reisepässe" (für 90 Euro) beantragt werden. Auch Holzapfel besitzt ein solches "echtes staatliches Reichsdokument". Den Druck und Vertrieb übernimmt sein Mitstreiter – "ein normaler, vernünftiger Typ, der irgendwo im Großraum Frankfurt wohnt", sagt Holzapfel.

Zu seiner "Interessensgemeinschaft", wie der Kaarster selbst sagt, gehören sieben bis zehn Leute, regelmäßig treffe man sich in Mönchengladbach. Das Innenministerium NRW nennt die "Gemeinschaft" in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen als eine der sieben aktivsten Reichsbürger-Gruppen im Land. Der Verfassungsschutz beobachtet sie seit Jahren und beschreibt sie als "Kleinstgruppe" mit "wirtschaftlichem Interesse". Holzapfel jedoch sagt: "Bundesweit sind wir viele."

Holzapfel: "Einen eigenen Staat auszurufen ist kompletter Blödsinn"

Tatsächlich will der Verfassungsschutz bundesweit 12.600 Reichsbürger identifiziert haben – teils mit hochgefährlichem Verhalten. So erschoss ein Reichsbürger im Oktober 2016 in Bayern einen Polizisten, in Sachsen-Anhalt wurde ein Beamter beim Versuch, einen Räumungsbefehl durchzusetzen, von einem Reichsbürger erschossen. In NRW zählten die Behörden im Mai diesen Jahres 143 Sympathisanten mit Waffenschein.

Von solchen Aktionen wollen sich der Kaarster und seine Mitstreiter klar distanzieren. Zumal Holzapfel selbst nicht mal den deutschen Staat ablehne. "Einen eigenen Staat auszurufen ist kompletter Blödsinn", sagt er. Unter Reichsbürgern eine ungewöhnliche Ansicht. Unerklärt bleibt, wie das mit der "Reichsdruckerei" auf seinem Gelände zusammenpasst.

Genauso unklar ist, wie seine Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppe und seine Position als zweiter Vorsitzender der Afrika-Hilfe zusammenpassen. Holzapfel selbst sagt: "Wir helfen dort, wo die Spendengelder des Staats versickern." Im vergangenen Jahr sammelte die Organisation 4000 Euro Spenden und baute davon einen Brunnen in Kenia. Doch der frühere Geschäftsführer Manfred Stranz sagt heute über Holzapfel: "Ich wusste von seiner Ideologie, seinem Reichspass und bin vor einem Jahr ausgetreten."

(cbo)
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