Urban Priol in Kaarst Politik kräftig aufs Korn genommen

Urban Priol in Kaarst · Der Mann, der immer so aussieht, als sei er mit seinen Fingern in die Starkstrom-Steckdose geraten, machte im Albert-Einstein-Forum dem Namen seines neuen Programms "Täglich frisch" alle Ehre: Urban Priol hatte auch die neuesten Neuigkeiten wie den angekündigten Rücktritt von Gerhard Schröder vom Amt des Parteivorsitzenden in sein Geflecht von Lästereien mit eingewoben.

Dem Publikum bekam es sichtlich gut, die zahllosen Missstände in Politik und Gesellschaft einmal so vor Auge geführt zu bekommen, dass man herzhaft darüber lachen kann. "Schreien Sie nicht auf vor Freude: Schröder will nicht als Kanzler, sondern nur als Parteivorsitzender zurücktreten", so der Mann mit der wirren Hochfrisur.

Und er fühlte sich wieder der politischen Ausgewogenheit verpflichtet: "Angela Merkel ist der Zustand unseres Landes stets ins Gesicht gemeißelt." So ist Urban Priol, so kennt und liebt man ihn: Er hält sich nicht lange an einem Thema auf, vermeidet so unangenehme "Längen". Und er kann hervorragend Stimmen imitieren und weiß sich auf der Bühne zu bewegen.

"Das vorgezogene Schein-Nichts von einem Teil-Etwas", das ist für ihn der Steuerkompromiss. Stammt der 100-Euro-Schein aus legaler Arbeit? Der Schein gibt eine ehrliche Antwort, die Zuschauer müssen mal wieder herzhaft lachen: "Nein, sonst wäre es ja ein Fünfer." Sind die Deutschen Weltmeister im Jammern?

Urban Priol hat exemplarisch drei "Jammergruppen" heraus gegriffen: Landwirte, Ossis und Rentner. Er ließ die Zuhörer wissen: "In der Landwirtschaftsschule ist Jammern Pflichtfach." Der 43-Jährige - "Am Abend sehe ich immer etwas jünger aus" - tigerte ohne Unterbrechung auf der Bühne hin und her, und wenn er den rechten Arm hob und eine gönnerhafte Pose einnahm, imitierte er den Bundeskanzler, der sich immer noch einiges darauf einbilde, die Sonnenfinsternis nach Deutschland geholt zu haben.

Den näselnden Singsang der Gesundheitsministerin hatte er ebenso gut drauf wie die Redensraten des "Sozial-Bonsais" Norbert Blüm: "Die Renten sind sicher": Diese Zusicherung stelle Blüm in punkto Glaubwürdigkeit auf eine Stufe mit dem irakischen Propagandaminister, meint Priol. "Man soll die Rentner nicht aufs Abstellgleis stellen, sondern dahin, wo ab und zu auch ein Zug fährt" - bissiger Humor gehört bei Urban Priol einfach dazu.

Er versteht es, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Und er ist zwar ein politischer Kabarettist, aber auch einer, der sich in den Wohn- und Schlafzimmern der Normalos auszukennen scheint. Da verleiht er der Unzufriedenheit der Frauen Ausdruck, die sich beklagen, weil ihre Männer "nicht mehr die Stabilitätskriterien erfüllen", da amüsiert er sich über die deutschen Autofahrer - diese "Oktan-Junkies" - und macht sich über die ausufernde Bürokratie lustig - "Leider wurde der Mindestabstand zwischen den Urinalen nicht eingehalten".

Wie Dieter Nuhr zeigt er die Tücken der Technik auf und sieht in stressigen Zeiten den Trend hin zur Entschleunigung voraus - "der wurde vor vielen Jahren von Rudolf Scharping eingeleitet". Das Programm in Überlänge klang nicht entschleunigt aus, sondern als eine Art Schnelldurchgang, wo es ziemlich apokalyptisch zuging. Urban Priol ist nicht nur einer der aktuellsten, sondern auch einer der besten Kabarettisten. Es muss nicht immer Comedy sein, was die Lachmuskeln aufs Äußerste strapaziert. barni

(NGZ)
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