Kaarst Niedecken erzählt aus seinem Leben

Kaarst · Drei Stunden nahm sich BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken Zeit, um in Kaarst aus seiner Biografie zu lesen – und zu singen. "Für 'nen Moment" nannte Wolfgang Niedecken seine vor rund anderthalb Jahren erschienene Biografie. Der Musiker und Künstler, der immer schon mehr war als der Frontmann von BAP, las jetzt im ausverkauften Albert-Einstein-Forum aus seinem Buch. Und er sang zwischendurch die Songs, die ihn und BAP berühmt gemacht haben.

 Wolfgang Niedecken: In Jeanskluft und mit Oberlippenbart wirkte der 61-Jährige total gelassen.

Wolfgang Niedecken: In Jeanskluft und mit Oberlippenbart wirkte der 61-Jährige total gelassen.

Foto: Uwe Miserius

Drei Stunden nahm sich BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken Zeit, um in Kaarst aus seiner Biografie zu lesen — und zu singen. "Für 'nen Moment" nannte Wolfgang Niedecken seine vor rund anderthalb Jahren erschienene Biografie. Der Musiker und Künstler, der immer schon mehr war als der Frontmann von BAP, las jetzt im ausverkauften Albert-Einstein-Forum aus seinem Buch. Und er sang zwischendurch die Songs, die ihn und BAP berühmt gemacht haben.

Niedecken blieb nicht nur "für 'nen Moment": Er nahm sich volle drei Stunden Zeit für seine Kaarster Fans. Die dürften erleichtert zur Kenntnis genommen haben, dass sich ihr Idol kaum verändert hat — keine Selbstverständlichkeit nach dem Schlaganfall vor ziemlich genau einem Jahr. In Jeanskluft und mit Oberlippenbart, wirkte der 61-Jährige total gelassen und in keinster Weise gehandicapt — im Gegenteil: Er spielte, mitunter zeitgleich, Gitarre und Mundharmonika, ließ mit seinen Liedern vor allem die 1970er Jahre wieder lebendig werden. Es war so etwas wie ein Mundartabend — das Kölsche dürften seine Fans aber zum überwiegenden Teil verstanden haben. Manchmal erkundigte sich der Musiker: "Was Klüngel ist, wisst ihr doch in Kaarst auch?!"

In seinem Buch geht es nicht nur um Musik, die Biografie könnte in großen Teilen die von vielen anderen Menschen im Nachkriegsdeutschland sein. Wolfgang Niedecken schreibt so, dass man sich als Leser oder Zuhörer ein genaues Bild machen kann: Vom Köln Mitte der 1950er Jahre mit den vielen Trümmergrundstücken, vom kleinen Lebensmittelladen seiner Eltern, in dem es von der Cola bis zur Schuhcreme alles gab. Und die Zuhörer bekamen einen Einblick in das Elternhaus, das der Sohn später als so unerträglich spießbürgerlich empfand. Jetzt gab er zu, dass er den Chippendale-Tisch seiner Eltern in seine eigene Wohnungseinrichtung integriert hat.

"Verdamp lang her": Als Niedecken diesen wohl bekanntesten BAP-Song sang, hörte man im Albert-Einstein-Forum nur das Klicken der Digitalkameras und Fotohandys. Der Künstler hatte zuvor verraten, dass dieses Lied posthum eine Aufarbeitung des zuletzt sehr komplizierten Verhältnisses zu seinem Vater darstellt. Die Beat-Generation wird in "Für 'nen Moment" wieder lebendig, die Zeit des Aufbruchs in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre.

Niedecken schreibt nicht chronologisch. Aber er schreibt über die ersten Auftritte von BAP, die zu fürchterlichen Reinfällen werden. Und er lässt seine Erfahrungen von Gewalt und sexueller Belästigung in einer Klosterschule nicht unerwähnt — dort spielte der Prügelpater L. eine unrühmliche Hauptrolle. Niedecken spannt den Bogen vom Kauf einer karierten Hose, wie Mick Jagger sie trug, über Erfolgsfantasien in einer Halle, in der sich der Kölner Künstler vorstellt, die Fans kämen in Scharen, bis hin zum gemeinsamen Konzert mit seinem frühen Idol Mick Jagger und den Stones.

Keine Frage: Die Geschichte von Wolfgang Niedecken ist auch die Geschichte eines Mannes, der sich voll und ganz der vermeintlich brotlosen Kunst widmete und der beispiellose Erfolge feiern konnte. Niedecken kam in Kaarst authentisch und sympathisch rüber — ein Typ, dem man sein Lebensglück gönnt.

(barni)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort