Kaarst Nachts allein in der Apotheke

Kaarst · Wenn Peter Kalscheuer 24-Stunden-Notdienst hat, gibt der 56-Jährige nicht nur Medizin aus. Für einsame und ältere Menschen ist er auch als Telefonseelsorger gefragt. Aber was hat es mit der Elfmeter-Anekdote auf sich?

 Zwölf bis 13 Notdienste im Jahr übernimmt Peter Kalscheuer in seiner Apotheke, die ihm seit 1992 gehört.

Zwölf bis 13 Notdienste im Jahr übernimmt Peter Kalscheuer in seiner Apotheke, die ihm seit 1992 gehört.

Foto: Woitschützke

Ganz allein ist Peter Kalscheuer (56) in der Sankt-Martinus-Apotheke nicht, wenn er 24-Stunden-Notdienst (von 9 bis 9 Uhr) hat. Ein Teddy mit blauem Pullover sitzt auf der Lehne der Schlafcouch und leistet ihm Gesellschaft. Zwölf bis 13 Dienste im Jahr übernimmt der Pharmazeut in seiner Apotheke, die ihm seit 1992 gehört. "Angst habe ich hier keine, auch nachts nicht", erklärt er, denn schlechte Erfahrungen habe er bisher nicht gemacht. Kaarst sei doch eher ein ruhiges Pflaster. Trotzdem herrsche meistens bis gegen Mitternacht reger Betrieb. "Die Leute kommen wegen allem Möglichen: vergessene Rezepte einlösen, Mittel gegen akute Kopf- und Zahnschmerzen kaufen oder sie haben Besuch, der seine Tabletten vergessen hat", erzählt Kalscheuer.

Ab und zu wird Babynahrung verlangt - obwohl sie eigentlich nicht mehr zum Standardangebot gehört, hat er immer eine Packung in Reserve. Manche bringen auch aktuelle Verordnungen des Lukas- oder Etiennekrankenhauses. "Ein Mal wurde mir ein gefälschtes Rezept vorgelegt. Ich habe es aber gemerkt und die Polizei gerufen. Bis sie da war, war derjenige allerdings längst weg", erinnert er sich. Häufig muss er Schwangerschaftstests durch die kleine Klappe - sie dient seiner Sicherheit - ausgeben. "Hier ziehen die Menschen wohl die Anonymität des Nachtdienstes vor", mutmaßt der Fachmann.

Nach Mitternacht hat er meistens die Chance auf Nachtruhe in bequemer Kleidung, wobei aber die neben der Couch angebrachte Klingel ihn sofort wach werden lässt. "Manchmal kann ich bis 6 Uhr durchschlafen, manchmal muss ich alle halbe Stunde raus", beschreibt Kalscheuer die Nächte. Ein Kühlschrank birgt Ess- und Trinkbares, ein TV-Gerät sorgt für Unterhaltung, falls nötig. Der sich anschließende normale Arbeitstag kann lang werden, gibt er zu. "Trotzdem übernehme ich fast alle Notdienste selbst, nur manchmal übergebe ich sie an meine zwei angestellten Apotheker", erklärt er.

Der Dienst an einem Sonntag fällt deutlich lebhafter aus. "Das liegt am so genannten PAED-Netz der niedergelassenen Kinderärzte. Sie nutzen die Räume des Lukaskrankenhauses für den Notdienst außerhalb der Sprechzeiten. Da Kinder meistens am Wochenende krank werden, kommen sehr viele Eltern zur Rezepteinlösung", erzählt der Vater eines Sohnes. 80 bis 100 Kundenkontakte zählt der Apotheker dann - da freut er sich über Besuch und Hilfe seiner Frau Birgit, einer gelernten PTA (Pharmazeutisch Technische Assistentin).

Sonntags erhebt er auch die Notdienstgebühr von 2,50 Euro. "Sie dient als Hemmschwelle, um die Apotheke nicht unnötig aufzusuchen", sagt er. Oft muss er Telefonseelsorge betreiben, da vor allem ältere und einsame Menschen an diesem Tag das Gespräch mit ihm suchen. "Ein Mal bat mich eine neu Zugezogene darum, ihr etwas vorbeizubringen. Das ging natürlich nicht", erinnert er sich. Eher lustig die Anekdote, die seiner Mitarbeiterin Kirsten Schröter im Gedächtnis geblieben ist. "Ein Mann klingelte ausgerechnet während eines Elfmeterschießens zwischen Deutschland und Argentinien - also schlug ich ihm vor zu warten oder mitzugucken", erzählt sie. Er entschied sich für letzteres. Manche Menschen nutzen den Sonntagsdienst auch für eine telefonische Beratung. "Das ist aber nicht meine Aufgabe, das blocke ich ab", sagt Kalscheuer.

(NGZ)
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