Kaarst Kartoffelauktion neben dem "Krug"

Kaarst · Die Gaststätte "Holzbüttger Krug" stand über 100 Jahre in Holzbüttgen. Sie war die einzige Kneipe, die die Bauern in ihren Arbeitsklamotten betreten durften. Heute ist dort der "Kiss and Ride"-Parkplatz für den Regiobahnhof.

 Erst wurden die Kartoffeln mit Pferdefuhrwerken zur "Veiling" (Versteigerungshalle) geliefert; danach ging es in den "Holzbüttger Krug" (hinten l.).

Erst wurden die Kartoffeln mit Pferdefuhrwerken zur "Veiling" (Versteigerungshalle) geliefert; danach ging es in den "Holzbüttger Krug" (hinten l.).

Foto: Stadt Kaarst

Eine der jüngsten Veränderungen im Stadtbild erfolgte am 4. August 2010, als der "Holzbüttger Krug" abgerissen wurde, eine Traditionsgaststätte mit 102-jähriger Geschichte. Nachdem kein neuer Betreiber gefunden werden konnte, kaufte die Stadt das Grundstück und errichtete an gleicher Stelle einen "Kiss and Ride"-Parkplatz für den Regiobahnhof. Der Bauunternehmer Höveler errichtete das Haus 1908 — genauso wie fast jedes Gebäude in Holzbüttgen zur damaligen Zeit. Erster Pächter war die Familie Michels, es folgten die Verwandtschaft der Familie Windberg und zwei Generationen Hannen.

 So sieht es heute an der Stelle aus, wo der "Krug" gestanden hat.

So sieht es heute an der Stelle aus, wo der "Krug" gestanden hat.

Foto: lber

Der "Holzbüttger Krug" war das Stammlokal vieler Kegelvereine und Schützenzüge. "Die ganze Theke stand voll mit Wimpeln. Es wurde geknobelt, gekegelt, gesungen. Eigentlich war dort immer viel los", erinnert sich der Alt-Holzbüttger Hubert Schlabbers. Zur Hannen-Zeit fanden dort auch Steno-Kurse statt. Wenn der Gastwirt zwei Wochen wegen Urlaub den Krug schloss, lud er vorher zum Fässer leertrinken ein. Nach 22 Uhr, wenn die fremden Gäste gegangen waren, ging das Bier auch kostenlos über die Theke. Renoviert wurde 40 Jahre lang nicht. "Höchstens mit dem Lappen abgeputzt. Die Wände hatten ein gewisses Naturbraun", so Schlabbers.

Der Krug wurde gerne als "Gummistiefel-Kneipe" bezeichnet, denn nur hier durften die Bauern auch in ihrer Arbeitskluft rein. Dafür verspielten und vertranken sie bereits morgens beim Skat ihren Tageslohn. Von 1929 bis in die 1950er Jahre kamen die Bauern häufig direkt von der "Kaarster Veiling" in den Krug. Die "Veiling" war die von dem in der Gemeinde Kaarst lebenden Kreisgartenbauinspektor Hans Adalbert Zippelius initiierte erste deutsche Frühkartoffelversteigerung. Die Auktionen fanden in einer Halle direkt neben dem "Holzbüttger Krug" statt. Dafür reisten Händler aus Düsseldorf, Wuppertal, dem Ruhrgebiet und sogar Berlin an. Die ersteigerten Kartoffeln wurden entweder mit eigenen Fuhrwerken abtransportiert oder am gegenüberliegenden Bahnhof auf die Eisenbahn verladen.

Vor dem "Holzbüttger Krug" wurden die Gespanne der Bauern mit den geladenen Kartoffeln für die "Veiling" gewogen. Dabei schummelten die Landwirte gerne einige Kilos hinzu, indem beim Wiegen ihre Kinder mit auf dem Wagen saßen. "Dadurch konnte man einen Sack mehr verdienen", so Hubert Schlabbers. Das erschlichene Geld wurde wiederum sofort in der Gaststätte in Bier investiert.

(NGZ/rl)
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