Sterbenskranker Kaarster Kampf ums Überleben

Sterbenskranker Kaarster · Der Kaarster Armin Schürmann ist sterbenskrank. Er nimmt acht Kilogramm pro Monat ab. Das Geld für seine Spezialnahrung fehlt ihm. Einen Teil seiner Wohnungseinrichtung hat er bereits verkaufen müssen. Sozialamt und Krankenkasse übernehmen nur einen Teil der Kosten.

 Armin Schürmann hat schon seinen Geschirrspüler und einen Teil seiner Möbel verkauft. Er braucht das Geld, um die für ihn lebensnotwendige Astronautenkost zu bezahlen.

Armin Schürmann hat schon seinen Geschirrspüler und einen Teil seiner Möbel verkauft. Er braucht das Geld, um die für ihn lebensnotwendige Astronautenkost zu bezahlen.

Foto: M. Reuter

Kaarst Es ist ein kleiner, unscheinbarer Briefumschlag, der auf seiner Fensterbank liegt. Auffällig dagegen sind die mit dickem Edding darauf geschriebenen Buchstaben: TAS. Das bedeutet: Testament Armin Schürmann.

Armin Schürmann ist Kaarster Bürger, lebt an der Eichendorffstraße. Im Juni dieses Jahres sah er noch kerngesund aus, brachte 90 Kilogramm auf die Waage. "Auf einmal habe ich gemerkt, dass mir meine Hosen nicht mehr passen", erinnert sich der 49-Jährige. Als die Hosen dann zu rutschen begannen, obwohl er alles andere als ein Kostverächter war, kam ihm die Sache komisch vor. Er ging zum Arzt. Die Diagnose: Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Jetzt, knapp drei Monate später, wiegt Armin Schürmann nur noch 66 Kilogramm. "Ich weiß, dass ich sterbenskrank bin", sagt er, als hätte er sich mit seinem Schicksal innerlich schon abgefunden. "Der Krebs hat mittlerweile auch auf die Leber übergegriffen. Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich eine Operation nur zu zehn Prozent überleben würde." Da er die Schwere seiner Krankheit einschätzen kann, hat er auch bereits sein Testament verfasst.

Der Mann, der zuletzt als Wäscher gearbeitet hat, kämpft seit ein paar Woche nicht nur gegen seine Krankheit. Er hat ein weiteres Problem. "Mein Körper verträgt kein Eiweiß mehr. Deshalb bin ich auf Astronauten-Nahrung angewiesen." Das sind kleine Fläschchen, in denen leicht verdauliche Flüssignahrung abgefüllt ist. Doch sein Geld reicht nicht aus. Die Nahrung kostetet 166 Euro im Monat. "Ich versuche, zwei von den Flaschen am Tag zu trinken. Denn sonst nehme ich noch schneller ab", berichtet Armin Schürmann.

Als die NGZ ihn in seiner Wohnung besuchte, hatte er säuberlich alle Dokumente bereit gelegt — auch seinen Rentenbescheid und seine Krankenkassenbelege. Sein Problem: Er bekommt 637 Euro Rente pro Monat. Davon gehen 350 Euro für Miete ab, weitere 100 Euro für Strom. "Die Stromkosten sind so hoch, weil mir der Arzt empfohlen hat, mehrmals täglich warm zu baden", sagt der Kranke fast schon entschuldigend. "Mir bleiben unterm Strich pro Monat noch 170 Euro zum Leben", rechnet er vor. Das Geld reicht also gerade einmal für seine Astronauten-Nahrung — aber für nichts anderes mehr.

In seinem Apartement fehlen bereits einige Einrichtungsgegenstände. Seinen Geschirrspüler hat Schürmann schon verkauft. "Dafür habe ich 150 Euro bekommen". sagt er. Da, wo Tisch und Schrank standen, klafft nun ebenfalls eine Lücke.

Eine mögliche andere Operation bringt dem Krebspatienten ein wenig Hoffnung: "Ich warte das Ergebnis der Computertomografie ab — wenn die Überlebenschancen der Operation 50 Prozent betragen, werde ich sie machen lassen." Armin Schürmann kämpft. Sein Hauptgegner: die Zeit. Wenn er unter 50 Kilogramm wiegt, sind die Überlebenschancen des jetzt 66 Kilo schweren Mannes bei der Operation so gering, dass sie kein Arzt mehr übernehmen wird. In den vergangenen drei Monaten hat er 24 Kilo abgenommen. Acht Kilogramm pro Monat.

Warum bekommt Armin Schürmann eigentlich nicht mehr Unterstützung von der Krankenkasse und dem Sozialamt? Manfred Requardt, Leiter der Leistungsabteilung der zuständigen Barmer-Ersatzkasse, erläutert: "Herr Schürmann muss pro Jahr 236,76 Euro zuzahlen. Danach nichts mehr. Er hat diesen Betrag aber noch nicht erreicht." Zwei Prozent seines Einkommens werden fällig. Und da er bis Juni dieses Jahres noch Arbeit hatte, wird dieser höhere Wert zugrunde gelegt. Erst nach einem Jahr chronischer Erkrankung sinkt der Beitrag auf ein Prozent. Das wäre im Juni 2010. "Wir bieten Herrn Schürmann an, in Raten zu zahlen", so der Barmer-Abteilungsleiter. Und er verweist auf das Sozialamt, dass ebenfalls einen Beitrag zu leisten habe.

Vom Sozialamt hat Schürmann folgenden Brief erhalten: "Aufgrund Ihres Antrages gewähre ich Ihnen für den Zeitraum vom 1. bis 30. September einen Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung in Höhe von monatlich 45 Euro." Das reicht nicht für die Astronautennahrung. Denn die kostet 166 Euro.

Jetzt, nachdem sich die NGZ eingeschaltet hat, gibt es wohl doch wieder Hoffnung für Armin Schürmann: "Wir werden ihn bitten, mit seinen gesamten Unterlagen zu uns zu kommen. Es wird dann von hier aus die Übernahme aus Sozialmitteln ,Hilfe zum Lebensunterhalt nach Besonderheit des Einzelfalls' geprüft", so Sigrid Hecker. Und auch die Barmer bietet ihm nun an, er solle alle Unterlagen komplett einreichen. "Wir werden dann den Fall noch einmal überprüfen", kündigt Manfred Requardt an.

Zur Sache Rettungsanker

(RP)
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