Integration in Kaarst funktioniert Vom Hilfesuchenden zum Helfer

Kaarst · Der Syrer Rony Nono ist durch eigenes Engagement und Unterstützung von außen mittlerweile so gut integriert, dass er selbst zum Unterstützer für seine Landsleute geworden ist. Die Flüchtlingshilfe Kaarst hat einen großen Anteil daran.

Aktuell leben im gesamten Kaarster Stadtgebiet 637 Flüchtlinge. Ein großer Teil von ihnen ist in Wohnungen untergebracht. "Anders als es vielleicht in vielen Städten der Fall ist, haben wir nicht so viele Sammelunterkünfte, sondern halten Wohnungsbestände vor", sagt Stadtsprecher Peter Böttner. Konkret gibt es in Kaarst zehn Sammelunterkünfte und 72 Wohnungen, die sich im Eigentum der Stadt befinden, oder durch sie angemietet werden. Der Stadt sei es wichtig, so Böttner, Flüchtlinge in Privatunterkünften unterzubringen, weil eine soziale Betreuung und Integration in diesem Umfeld deutlich besser gelinge. "Lösungen können in diesem Rahmen besser als in großen Sammelunterkünften erarbeitet werden, wo oftmals zusätzlich kulturelle Konflikte herrschen."

Neben Behörden und Privatpersonen leistet auch die Flüchtlingshilfe Kaarst um Vorsitzende Ursula Baum einen großen Beitrag. Der Verein möchte die "Neubürger" gut integrieren und ihnen zeigen, was wichtig ist: Dass sie nun in einer Demokratie leben, wo jeder geachtet wird, gleich welcher Hautfarbe oder sexuellen Orientierung. "Wir organisieren Umzüge, rufen zu Sach- und Geldspenden zugunsten der neuen Kaarster auf und helfen natürlich auch bei Behördengängen und rechtlichen Fragen", sagt Baum.

Zum Teil ist es auch der prompten und professionellen Unterstützung des Vereins zu verdanken, dass der Syrer Rony Nono nach Stationen in Gießen und Dortmund nun in Kaarst sein zweites Zuhause gefunden hat. "Ich habe Ursula Baum zufällig bei einem Basar im Rathaus kennengelernt und ihr zum Beispiel von meinem Problem erzählt, dass ich gerne besser Deutsch lernen möchte. Die Kurse sind aber sehr teuer", erzählt der 30-Jährige, der vor drei Jahren und acht Monaten in sein neues Leben startete. Aus einem kleinen Dorf nahe des syrischen Hama flüchtete er nach Deutschland.

Gemeinsam mit dem Sozialamt sowie der Unterstützung des Rotary Club Kaarst hat Baum dem Syrer dabei geholfen, weiter Deutsch lernen zu können. "Wenn man in Deutschland arbeiten und sich weiterentwickeln will, braucht man gute Sprachkenntnisse", sagt Nono. Sein Ehrgeiz zahlte sich aus: Seit vergangenem Jahr arbeitet er bei einer Versicherung als Sachbearbeiter in der Finanzbuchhaltung. In Syrien hat er Rechnungswesen studiert. Dort sei es kompliziert gewesen, weiter zu lernen. "Ich musste stets eine Studienbescheinigung vorlegen, um nicht zum Militär zu müssen." Als er hörte, dass es möglich ist, nach Deutschland zu kommen, drängten ihn die besorgten Eltern dazu, das Land zu verlassen. "Ich habe ein Studienvisum bei der Botschaft in Beirut beantragt. Meine erste Station in Deutschland war Gießen."

Nun lebt er in Kaarst und ist so gut integriert, dass er andere Syrer unterstützt. Nono begleitet sie nach Feierabend zu Ärzten, zum Jobcenter, zur Ausländerbehörde, ins Rathaus oder zur Bank, um ein Konto zu eröffnen. "Viele sind mit der deutschen Bürokratie haltlos überfordert", weiß er. Er selbst ist diesbezüglich schon weiter, doch auch Nono sei noch immer unsicher und habe Angst, etwas misszuverstehen. "In Syrien haben wir eine andere Art der Höflichkeit. Hier sagt man zum Beispiel sehr oft ,Danke'. In Syrien kann man die Dankbarkeit fühlen. Aber es ist alles logisch, und die Unterschiede sind oft nicht allzu groß. Wer zum Beispiel in Syrien keinen Karneval mag, wird ihn in Deutschland auch nicht mögen." Der Neu-Driescher hat im Rheinland aber eine neue Leidenschaft für sich entdeckt: "Ich finde Schützenfeste total super", sagt er.

So gut er auch in Deutschland integriert ist, ein Wunsch bleibt: "Ich möchte meine Eltern wiedersehen." Zweimal wurde ein Besuchsvisum von der Deutschen Botschaft abgelehnt. "Ich mache mir schon Gedanken darüber, wie die Situation in zehn Jahren sein wird, wenn sie älter sind." Ich hoffe, dass sie irgendwann nach Deutschland kommen können. Es wäre eine positive Kraft für mich und meinen Bruder Talal."

(NGZ)
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