Corona-Krise in Kaarst Klinik verzeichnet Anstieg an „gefühlter Hilfebedürftigkeit“

Kaarst · Seit rund sieben Wochen sind viele Familien mit ihren Kindern zu Hause, Singles und ältere Menschen leben in Isolation. Die Krise ist für alle eine psychische Belastung und Herausforderung. Die neue Oberberg-Klinik in Kaarst verzeichnet einen Anstieg im Hinblick auf Hilfesuchende.

 Die Oberberg-Klinik in der Außenansicht.

Die Oberberg-Klinik in der Außenansicht.

Foto: obs/www.oberbergkliniken.de

Die Corona-Krise geht in die siebte Woche. Seitdem sind die Schulen und Kitas geschlossen, die Menschen müssen zu Hause bleiben. Seit dem 23. März gibt es sogar eine Kontaktsperre, die es verbietet, sich mit Freunden oder Verwandten zu treffen. Vielen Familien fällt zu Hause langsam die Decke auf den Kopf, Singles und ältere Menschen vereinsamen immer mehr. Die Oberberg-Klinik in Kaarst, die Anfang April eröffnet hat, verzeichnet einen Anstieg an „gefühlter Hilfebedürftigkeit“. Es gebe etwa doppelt so viele Anrufe mit Bitte um eine Behandlung, sagt Ewa Cionek-Szpak, Chefärztin an der Klinik am Sandfeld: „Diese Entwicklung hat mit Sicherheit auch noch andere Gründe als häusliche Gewalt, etwa soziale Isolation, Vereinsamung, Verlust der Tagesstruktur.“

Auch der Einfluss der digitalen Welt sei nicht zu unterschätzen. „Die Gewalt im Bereich der Sozialen Netzwerke ist ein bekanntes Problem unter Jugendlichen“, sagt Czionek-Szpak. Klinikdirektor Christian Lange-Asschenfeldt sieht in der Corona-Krise eine Verschärfung der Probleme bei häuslicher Gewalt. „Die Täter sind immer präsent, Opfer können sich nicht ungestört informieren und Hilfe suchen“, sagt er. Zudem erhöhten soziale Enge sowie möglicherweise der Konsum von Alkohol und Drogen das Aggressions- und Gewaltpotenzial. Aktuell müsse eine Zunahme häuslicher Gewalt vermutet werden, auch wenn es dazu keine belastbaren Zahlen gebe. Oft seien Täter in ihrer Vorgeschichte selbst Opfer häuslicher Gewalt gewesen.

In der Stadt Kaarst ist ein solcher Anstieg bislang nicht zu verzeichnen, auch wenn die Folgen der Kontaktsperre für Familien groß sind. „Wenn dann auch noch wirtschaftliche Existenzängste hinzukommen, sind Konflikte und Spannungen programmiert“, sagt Stadtsprecher Peter Böttner: „Bisher verzeichnen wir keinen Anstieg an Fällen, in denen Konflikte mit Gewalt gelöst werden. Unser sozialer Dienst arbeitet normal weiter, auch die bereits in den Familien installierten Hilfen werden fortgesetzt.“

Die Stadt bietet telefonische Beratungsgespräche an. Zusätzlich hat die Erziehungsberatungsstelle eine telefonische Beratung eingerichtet, die von Montag bis Freitag zwischen 8 und 10 Uhr besetzt ist. Unter 02131 668027 können Familienmitglieder anrufen und ihre Sorgen platzieren. „Uns ist es ganz wichtig, dass in den Familien, wo die Spannungen unerträglich werden, rechtzeitig die Notbremse gezogen wird“, so Böttner. Häufig könne bereits eine räumliche Trennung zur Konfliktsituation für Entspannung sorgen. Dort, wo ein Spaziergang aber nicht mehr hilft, könne die Stadt sowie die freien Träger der Familienhilfe unterstützen.

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