Interview Dr. Ulrich Theisen „Impfwillige werden täglich mehr“

Hausarzt Ulrich Theisen erklärt, dass zu wenig Impfstoff geliefert wird. „Ende April wurden lediglich zwölf Impfdosen für eine Woche bereitgestellt.“ Das würde die Planung erschweren.

 Der Kaarster Hausarzt Dr. Ulrich Theisen hat bereits im Dezember die Bewohner im Johanniter-Stift geimpft. Seit April impft er auch Patienten in seiner Praxis. Laut Theisen werde nicht genug Impfstoff geliefert.

Der Kaarster Hausarzt Dr. Ulrich Theisen hat bereits im Dezember die Bewohner im Johanniter-Stift geimpft. Seit April impft er auch Patienten in seiner Praxis. Laut Theisen werde nicht genug Impfstoff geliefert.

Foto: Stadt Kaarst

Herr Theisen, wie viele Corona-Schutzimpfungen haben Sie in ihrer Praxis schon durchgeführt?

Dr. Ulrich Theisen Bislang haben wir 357 Erstimpfungen durchgeführt. Wir impfen in unserer Praxis seit dem Impfstart in den Hausarztpraxen am 6. April so zügig wie die Lieferungen der Impfstoffe dies zulassen. Ich habe stets versucht, größtmögliche Impfstoffmengen zu bekommen, musste aber leider wiederholt drastische Kürzungen umsetzen.

Was heißt das?

Theisen Ende April wurden lediglich zwölf Impfdosen für eine Woche bereitgestellt oder die ausdrücklich ermöglichte nicht reglementierte beantragte Lieferung von 100 Astrazeneca-Impfungen vom 12. Mai wurde überraschenderweise auf 20 reduziert. Jegliche längerfristige Planung ist daher bislang unmöglich. Daher können wir auch bis auf weiteres zunächst keine weiteren Vormerkungen von Impfinteressierten annehmen.

Wie viele Zweitimpfungen wurden in Ihrer Praxis bislang durchgeführt?

Theisen Insgesamt 96.

Welchen Impfstoff nutzen Sie, welcher ist der „Beste“?

Theisen Wir verimpfen alle derzeit zugelassenen Impfstoffe. Moderna wird uns niedergelassenen Ärzten bislang nicht zur Verfügung gestellt.

Wieso gibt es Unterschiede bei den Terminen der Zweitimpfungen? Bei Astrazeneca sind es zwölf Wochen, bei Biontech nur sechs…

Theisen Dies liegt an den unterschiedlichen Wirkmechanismen und Studienergebnissen. Gemäß Zulassung darf Biontec beispielsweise nach drei bis sechs Wochen geimpft werden. Um schnell einen Impfschutz aufbauen zu können, wurden bis in den März hinein alle Zweitimpfungen daher bereits nach drei Wochen verabreicht.

Haben Ihre Patienten Angst vor Astrazeneca, nachdem bekannt wurde, dass dieser Impfstoff Hirnvenenthrombosen auslösen kann?

Theisen Natürlich ist die Sorge vor Nebenwirkungen mitunter sehr ausgeprägt und es besteht erhöhter Aufklärungsbedarf. Im jetzigen Stadium der Pandemie sind Impfungen allerdings alternativlos. Die Vektorimpstoffe Astrazeneca und Johnson&Johnson werden von vielen Patienten dankbar angenommen.

Leiden die anderen Behandlungen unter den Impfungen oder laufen die Impfungen „nebenbei“?

Theisen Aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit impfen wir derzeit in der Regel vormittags neben dem Praxisbetrieb. Leider werden die Covid-19-Impfstoffe allesamt nur in Mehrdosen-Behältnissen zur Verfügung gestellt, die unterschiedlichste präzise Aufbereitungsschritte erfordern. Daher beginnt der Arbeitstag viel früher. Auch können  wir daher  keine individuellen Einzeltermine vergeben.

Mussten Sie viele Patienten von der Impfung überzeugen, hatten viele Angst?

Theisen Besonders in der Anfangsphase im Dezember letzten Jahres war der Aufklärungsbedarf in den Altenheimen und auch beim Pflegepersonal mitunter hoch, mittlerweile ist durch die transparente breite öffentliche Debatte vieles einfacher geworden.

Wie lang ist die Warteliste der Impflinge?

Theisen Bereits seit März haben wir unsere Stammpatienten kontinuierlich einzeln persönlich in der Praxis oder telefonisch befragt und bereits Geimpfte und Impfinteressierte separat erfasst. Angefangen zunächst mit allen über 80 Jahren – so wie von der Stiko empfohlen. Derzeit haben wir so bereits 829 Komplett- oder Teilgeimpfte erfasst. Das Problem haben ja alle Praxen, dass wir keine automatische Information über Impfungen aus den Impfzentren bekommen. In der Praxis-EDV haben wir derzeit weit über 250 Impfwillige, und es werden täglich mehr. Bei zunehmenden Impfanfragen telefonisch oder per Mail auch bislang nicht behandelter Interessenten haben wir seit zwei Wochen zunächst keine weiteren Vormerkungen von Impfinteressierten annehmen können und haben diese gebeten, bei weiterhin bestehendem Impfwunsch sich in zwei bis drei Wochen erneut zu melden. Dieser Zustand ist extrem kräftezehrend.

Haben alle Patienten einen gültigen Impfausweis?

Theisen Nein. Bei fast jedem dritten Impfling muss ein neuer Impfausweis manuell erstellt werden.

Wie kann es sein, dass sich Geimpfte mit dem Corona-Virus infizieren, so wie im Johanniter-Stift kürzlich?

Theisen Auch bei einer hohen Impfquote in Senioreneinrichtungen war von Anfang an klar, dass kein hundertprozentiger Schutz zu erwarten war. Gezeigt hat sich aber eindeutig, dass es fast ausnahmslos zu milden Verläufen kam. Die Zukunft wird zeigen, ob hochbetagte Senioren wegen einer reduzierten Immunantwort doch eine höhere Impfdosis brauchen.

Glauben Sie, dass die Geimpften jetzt jedes Jahr eine Auffrischung brauchen?

Theisen Dass wir Auffrischungen brauchen werden, ist zu vermuten, ähnlich wie bei den Grippeimpfungen. Genaueres bleibt abzuwarten. Festzuhalten bleibt: Allgemeine Hygienemaßnahmen und Impfungen werden uns weiterhin begleiten.

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