Interview mit Stefan Meuser „Gewerbesteuer steigt um fünf Millionen“

Kaarst · Der Kämmerer spricht über unvorhergesehene Einnahmen für 2020 und die Attraktivität der Stadt Kaarst.

 Der Kaarster Kämmerer Stefan Meuser (44) hatte beim Interview gute Nachricht zu vermelden: Der Haushalt 2020 wird durch eine unerwartete Gewerbesteuereinnahme doch ausgeglichen sein.

Der Kaarster Kämmerer Stefan Meuser (44) hatte beim Interview gute Nachricht zu vermelden: Der Haushalt 2020 wird durch eine unerwartete Gewerbesteuereinnahme doch ausgeglichen sein.

Foto: Markus Rick (rick)

Sie haben in Ihrer Haushaltsrede eine Änderungsmitteilung angedeutet. Gibt es schon eine?

Stefan Meuser Ja, die gibt es. Wir werden eine erste Änderungsmitteilung in den nächsten Tagen an die Ratsmitglieder verschicken.

Wird das Defizit, das für 2020 vorgesehen ist, reduziert?

Meuser Sogar deutlich. Wir werden es sogar schaffen, für 2020 einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Wir rechnen damit, dass wir die Gewerbesteuer um fünf Millionen Euro nach oben setzen können. Insgesamt können wir so rund vier Millionen Euro zusätzlich für die Entlastung des Haushaltes verwenden. Ein ausgeglichener Haushalt ist für Nordrhein-Westfalen nicht selbstverständlich.

Warum schwankt die Gewerbesteuer immer hin und her?

Meuser Die Gewerbesteuer eines Unternehmens wird immer im Rahmen einer Vorauszahlung veranlagt. Das heißt, es wird zunächst anhand der letzten Geschäftsergebnisse geschätzt, welche Gewerbesteuer für das laufende und die kommenden Jahre anfallen. Diese Ergebnisse werden zu einem späteren Zeitpunkt reduziert oder angehoben, bis es zu einer endgültigen Steuerveranlagung kommt. So wie bei unserer Einkommenssteuer. Auch da machen sie ja eine Steuererklärung für das zurückliegende Jahr. Bei den Unternehmen ist es ein bisschen komplexer und dauert länger. Abzuschätzen, was für den Standort insgesamt immer rumkommt, ist die große Kunst. In den vergangenen Jahren hatten wir bei den Kaarster Firmen sehr stark schwankende Unternehmensergebnisse.

Mit der DGN wurde ein Unternehmen aus dem Gesundheitssektor nach Kaarst geholt. Das kann aber nur der Anfang gewesen sein, oder?

Meuser Ich habe hinsichtlich der Ansiedlungserfolge unserer Wirtschaftsförderung eine etwas andere Wahrnehmung. In der öffentlichen Darstellung wurde das Thema in meinen Augen verkehrt dargestellt. Wir betreiben eine erfolgreiche Wirtschaftsförderung und haben in der Vergangenheit bereits erfolgreiche Ansiedlungen erreichen können. Wir können jedoch nur da Unternehmen ansiedeln, wo wir auch konkrete Grundstücke vermarkten können. Das ist beim Standort Kaarst-Ost und auch am Kaarster Kreuz bislang noch nicht der Fall gewesen, weil wir da noch nicht die Rahmenvoraussetzungen definiert hatten. Vor einer konkreten Grundstücksvermarktung müssen wir schauen, dass wir zunächst die Marktreife herstellen. Das umfasst die innere und äußere Erschließung, die Gestaltung des öffentlichen Raumes und damit auch die konkrete Abgrenzung von zu vermarktenden Gewerbeflächen und öffentlichem Raum. Daneben ist wichtig zu definieren, welche bauliche Ausnutzbarkeit und welche Nutzung bei den einzelnen Grundstücksarealen möglich ist. All diese Fragen müssen geklärt werden, erst dann können wir in die Grundstücksvermarktung gehen. Wir können auch nicht immer alles direkt öffentlich machen, weil wir die Abstimmung mit den Unternehmen suchen und uns auf deren Bedürfnisse einstellen müssen. Eine Standortfrage ist für die Unternehmen noch viel entscheidender als für uns als Kommune. Hier hängen ökonomische Fragen genauso wie Fragen des Wettbewerbes und der Akzeptanz der Mitarbeitenden ab. Wir müssen daher eine gewisse Vertraulichkeit wahren. Wir sind in vielen Bereichen intern schon weiter, als wir nach außen kommunizieren können.

Warum wollen Sie gerade die Gesundheitsbranche in Kaarst ansiedeln?

Meuser Es ist eine Branche, die in Zukunft weiter expandieren wird. Wir wollen nicht nur den Erfolg für heute sichern, sondern auch perspektivisch erfolgreiche Unternehmen haben. Auch die Rahmenvoraussetzungen, die wir in Kaarst bieten können, sind optimal für Unternehmen aus dieser Branche.

Stehen Sie derzeit in konkreten Verhandlungen im Hinblick auf das alte Ikea-Gelände?

Meuser Wir stehen mit vielen Investoren und Projektentwicklern im Gespräch, die wir aber bisher ab einem gewissen Zeitpunkt unterbrechen mussten.

Warum?

Meuser Weil die Investoren oder Unternehmen irgendwann in den Ansiedlungsgesprächen Geld in die Hand nehmen müssen, um das Projekt konkret zu planen. Das können sie aber erst dann machen, wenn sie von uns die Rahmenbedingungen bekommen. Wir müssen erst Detailfragen wie die verkehrliche Erschließung oder der Geschossigkeit klären. Das können wir mit dem Masterplan, den wir in den wesentlichen Punkten kürzlich goutiert bekommen haben, nun tun.

Viele Kaarster fragen sich, was denn auf dem alten Ikea-Gelände passiert. Können Sie ihnen einen Tipp geben?

Meuser Ich kann derzeit nicht sagen, welche Unternehmen dort angesiedelt werden. Was ich aber sagen kann ist, dass wir hier permanent dran arbeiten. Wir wissen jetzt, was sich die Politik im städtebaulichen Bereich vorstellt und welche Unternehmen wir an diesen Standort holen sollen.

Welche sind das?

Meuser Unternehmen aus dem Büro- und Dienstleistungssektor.

Also entsteht an diesem Standort kein Einzelhandel?

Meuser Nein. Wir haben bei den Verhandlungen zur Verlagerung des Ikea-Standortes von der Bezirksregierung die Auflage bekommen, dass weder am alten Standort noch in der weiteren Entwicklung des neuen Standortes großflächiger Einzelhandel entstehen soll. Wir dürfen es nicht, und wir wollen es auch nicht, um insbesondere unsere Ortszentren nicht zu gefährden.

Wann wird am alten Ikea-Gelände etwas zu sehen sein?

Meuser Wir wollen im nächsten Jahr den öffentlichen Raum gestalten. Insbesondere die Gestaltung und die Straßenquerschnitte zur Girmes-Kreuz-Straße und zur Düsselstraße sollen verbreitert werden. Wir haben parallel auch schon Gespräche mit Unternehmen aufgenommen und gehen davon aus, dass wir die Vertragsverhandlungen im nächsten halben Jahr deutlich weiter vorantreiben können. Allerdings nicht für die gesamte Fläche, das wird sukzessive geschehen.

Warum ist Kaarst ein attraktiver Standort für Unternehmen?

Meuser Wir haben das Glück, dass wir in einem Ballungsraum der Metropolregion Rheinland beheimatet sind, der innerhalb kürzester Zeit die wesentlichen Großstädte in NRW bedienen kann. Wir haben mit den Anbindungen an die Autobahnen 52 und 57 sowie der Regiobahn und der S8 optimale Erschließungsmöglichkeiten und sind von der Lage her extrem bevorzugt. Außerdem haben wir den Vorteil, dass wir zum einen die Nähe zu den Märkten und den urbanen Räumen haben, gleichzeitig aber noch sehr dörflich strukturiert sind. Damit können wir deutlich flexibler agieren als Großstädte. Wir sind davon überzeugt, dass wir durch unseren Service, den wir Unternehmen bieten können, einen großen Standortvorteil haben. Aber klar ist auch: wir sind nicht der einzige attraktive Standort und befinden uns in einem Wettbewerb mit den anderen Städten und Regionen.

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