Kaarst Jürgen von der Lippe minimalistisch

Kaarst · Der Entertainer blieb bei seinem Gastspiel im AEF weit unter seinem Potenzial.

 Jürgen von der Lippe gastierte im Albert-Einstein-Forum.

Jürgen von der Lippe gastierte im Albert-Einstein-Forum.

Foto: jumo

Minimalistisch die Bühnendekoration: ein Tisch, ein Stuhl, ein Glas Wasser. Mehr braucht Jürgen von der Lippe nicht für seinen Auftritt im ausverkauften Albert-Einstein-Forum. Minimalistisch mutet aber auch seine rund zweieinhalbstündige Literaturveranstaltung - wie er den Abend selbst bezeichnet - an. Denn mehr als drei Viertel der Zeit liest er vor aus seinem Buch "Beim Dehnen singe ich Balladen".

Es ist ein Sammelsurium von Geschichten und Glossen rund um Themen wie Heiratsanträge, Beziehungsprobleme, Liebe und Sex. Intellektuelle Fehlleistungen aus Quiz-Shows oder Stilblüten aus Zeitungen führt er ebenso vor wie Soziolekte, also die spezielle Sprache bestimmter Gruppen wie die von Jägern oder Geistlichen. Komisches Potenzial gibt es reichlich - entsprechend viele Lacher im Publikum. Doch der vielseitige Entertainer und TV-Moderator, der mit seinen Formaten wie "So isses", "Donnerlippchen" oder "Geld oder Liebe" vielen in Erinnerung ist, bleibt weit unter seinem Potenzial. Wer sich auf die Bandbreite seines Könnens gefreut hat, war wohl eher enttäuscht. Denn von dem Liedermacher und Satiriker von einst gibt es keine Kostprobe. Sogar musikalisch hält er sich eher bedeckt, stimmt nur Klassiker aus Rock, Pop und Schlager an, um seine Dehnübungen zum Besten zu geben. Die Gitarre fehlt ganz.

Nur ab und zu blitzen sein scharfsinniger Humor und seine Schlagfertigkeit auf - dann, wenn er nicht vorliest, sondern spontan auf umgefallene Flaschen im Publikum, japsende Lachgeräusche von Zuschauern oder lautes Klirren kaputter Gläser an der Theke reagiert. Dann ist der 68-Jährige in seinem Element, pariert spontane Situationen, trifft den Nerv ohne zu nerven. Keine Frage: von der Lippe ist ein brillanter Beobachter und vermag Belanglosigkeiten in zotigen, nachdenklichen wie komischen Texten zu beschreiben. Hinzu kommt: Er ist ein grandioser Vorleser und Witze-Erzähler, der Sprache und Stimme hervorragend anzupassen weiß. Er hat Spaß am eigenen Sprachwitz, und diese gute Laune überträgt er auf sein Publikum. Dennoch: Sein immenses Repertoire von Parodie und Imitation über hintersinnige Musikstücke bis hin zu abgründigem Humor zeigt er in Kaarst nicht. Minimalistisch eben.

(BroerB)
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