Kaarst In Würde sterben

Kaarst · Kaarst Qualvoll nach einer langen Zeit voll schrecklicher Schmerzen sterben oder künstlich am Leben erhalten werden in der kühlen Atmosphäre einer Intensivstation, das wünscht sich wohl niemand. Dennoch wird genau dies für viele Menschen irgendwann im Leben unausweichliche Realität.

Kaarst Qualvoll nach einer langen Zeit voll schrecklicher Schmerzen sterben oder künstlich am Leben erhalten werden in der kühlen Atmosphäre einer Intensivstation, das wünscht sich wohl niemand. Dennoch wird genau dies für viele Menschen irgendwann im Leben unausweichliche Realität.

Sind eben deshalb gesetzliche Änderungen und Regelungen vonnöten, die - wie etwa in den Niederlanden - es unter klar definierten Umständen erlauben, einen Menschen zu töten, um ihn von Leid zu erlösen? Oder sollte aktive Sterbehilfe tabu bleiben, damit nicht Dämme brechen und im schlimmsten Fall Alte und Kranke auf vermeintlich eigenen Wunsch kostensparend entsorgt würden? Ersehnen die Schwerstkranken wirklich ein Ende ihres Lebens oder doch eher ein Ende der Schmerzen, das sich mit verbesserter Palliativmedizin womöglich erreichen ließe?

Kein leichtes Thema hatten sich die Kaarster Grünen ausgesucht für den Auftakt einer neuen Reihe von Gesprächsabenden, die - so Gastgeber und Stadtratsmitglied Mark Michael, - in unregelmäßigen Abständen unter dem Titel "Grüner Salon" im Kunstcafé Einblick Gelegenheit bieten werden, über aktuelle Themen aus Kultur, Gesellschaft und Politik zu sprechen. Dass beim ersten Kaarster "Grünen Salon" am Mittwoch ein spannender Abend voller Impulse und Facetten gelang, lag zum einen an der ausgewogenen Auswahl von Referenten, zum anderen am Geschick, mit dem Moderator Andreas Vollmert immer wieder die zahlreichen Zuhörer zu Wort kommen ließ.

Einen grundlegenden Überblick über die komplexe Rechtslage gab zunächst Strafrechtswissenschaftler Dr. Günter Tondorf: Ein Arzt, der einem sterbenden Patienten eine hohe Dosis Morphium verabreicht, um sein Leiden zu beenden, muss demnach mit Gefängnis bis zu fünf Jahren rechnen. Verabreicht er allerdings dasselbe Morphium in der Absicht, Schmerzen zu lindern, und nimmt dabei den Tod des Patienten in Kauf, bleibt er straffrei.

Passive Sterbehilfe, auch das Abstellen eines Atemgeräts, ist aus Sicht des Strafrechtlers legitim, sofern dies dem (mutmaßlichen) Wunsch des Patienten entspricht. Stellt ein Arzt dagegen lebensverlängernde Maßnahmen nicht ein, obwohl er weiß, dass es eine Patientenverfügung gibt, kann er wegen Körperverletzung belangt werden. Grundsätzlich warnte Tondorf vor einer Ausweitung der gängigen Regelungen, damit "aus der Freiheit zum Tode nicht die Unfreiheit zum Leben" werde.

Für ein würdevolles, selbstbestimmtes Sterben in Würde plädierte dagegen Karl-Heinz Blessing, Leiter der deutschen Kontaktstelle der "Gesellschaft für humanes Sterben". Selbstbestimmung sei ein zentrales Element der Menschenwürde und - so zitierte Blessing einen Verfassungsrechtler - , "Menschenwürde schützt den Menschen auch davor, Objekt der Menschenwürde-Definition anderer zu werden". In der Forderung nach einem Ausbau der Palliativmedizin war Blessing allerdings mit Tondorf einer Meinung.

Aus zwanzig Jahren Erfahrung in der seelsorgerischen Betreuung Sterbender berichtete zudem Pfarrerin Elisabeth Grube. Ganz ähnlich wie Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross hat Grube den Sterbeprozess dabei immer wieder neu kennen gelernt als "einen Prozess, in dem sich ganz andere Kräfte zeigen, als die, die wir selber zur Verfügung haben." Vielmehr sei der Tod ein Übergang in eine größere Wirklichkeit, auf den der Prozess des Sterbens vorbereite.

(NGZ)
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